Kommentare – Literarisches – Satire – Glossen
Unabhängig von unseren Veröffentlichungen auf der Themenseite, auf der wir wöchentlich Artikel über Befindlichkeiten und Ereignisse der Lokalpolitik, Stadtgesellschaft, Wirtschaft, Geschichte, der Kirchen und Kultur veröffentlichen, findet der Leser künftig auf dieser Seite „Meinung“ kürzere Beiträge mit Kommentaren, Zwischenrufen und mitunter auch Literarisches und Satire.
Dr. Helmut Frenzel, Wolf Stegemann, Dezember 2018
2011 und 2016 wurden die Straßenbaubeiträge massiv erhöht – Geht es um Gerechtigkeit oder um die Sanierung des städtischen Haushalts?
Kommentar
18. März 2019/drf. – Der Ärger der Bürger über ihre Heranziehung zu Straßenbaubeiträgen kocht hoch. Wohl um die Wogen zu glätten, hat die Verwaltung eine Informationsveranstaltung dazu anberaumt. Sie will die derzeit gültige Rechtslage erläutern und den Bürgern erklären, wie die Straßenbaubeiträge ermittelt werden. Ist es das, was die Bürger interessiert? Den Bürgern geht es doch um etwas anderes: Um die Frage nämlich, wie gerecht es ist, dass die Anlieger den größten Anteil der Kosten für die Instandsetzung einer öffentlichen Straße bezahlen, die allen Teilnehmern am öffentlichen Straßenverkehr offen steht.
Angebracht wäre deswegen die Beantwortung einer anderen Frage. Die Anlieger tragen nicht die gesamten Kosten. Nach der Satzung, die die Stadt sich gegeben hat, zahlen sie maximal 80 Prozent. Den verbleibenden Anteil von mindestens 20 Prozent übernimmt die Stadt. Ihr Anteil steht für die Nutzung durch den allgemeinen Straßenverkehr und durch die Stadt selbst. Diese Verteilung von 80 zu 20 war nicht immer so. Sie wurde in zwei Schritten 2011 und 2016 zu Lasten der Anlieger verändert und deren Beitragsanteile massiv erhöht: von 60 auf 80 Prozent für Anliegerstraßen; von 40 auf 60 Prozent für Haupterschließungsstraßen; von 20 auf 40 Prozent für Hauptverkehrsstraßen; von 50 auf 70 Prozent für Hauptgeschäftsstraßen; von 60 auf 80 Prozent für verkehrsberuhigte Zonen.
Welche sachlichen Umstände rechtfertigten Erhöhungen der Anliegeranteile von 33 bis 50 Prozent gegenüber der Zeit vor 2011? Dem Landtag in Düsseldorf kann man das nicht in die Schuhe schieben. Die Verantwortung dafür liegt alleine bei der Stadt Dorsten. In der Straßennutzung liegende Gründe, die einen höheren Kostenanteil der Anlieger rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Wenn die Begründung der Verwaltung lauten sollte, die Erhöhung der Anliegerbeiträge sei notwendig gewesen zur Verbesserung der Haushaltslage der Stadt, muss dem entgegengehalten werden: Für die Finanzierung des städtischen Haushalts sind die Steuern zuständig, nicht Abgaben und Gebühren. Für die Erhebung von Steuern gibt es Regeln, zum Beispiel die Beachtung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Besteuerten. Den Ratsparteien, die das zum Nachteil der Bürger anders sehen, sollten die Bürger bei der nächsten Wahl das Vertrauen entziehen.
Ein Traum wird wahr – Lernen ohne Zwang
15. Februar 2019/drf. – Eine Revolution bahnt sich an: Bald ist Schluss mit dem stumpfsinnigen Pauken. Neue Schulen in privater Initiative machen das möglich. Ihre Besonderheit: Die Schüler entscheiden selbst, was sie lernen wollen. Die Älteren unter uns, die ihre Bildung noch unter den menschenunwürdigen Bedingungen des Frontalunterrichts erworben haben und gegen ihren Willen brutal gezwungen wurden, Dinge zu erlernen, die sie für vollkommen absurd hielten, – sie werden denken: Warum erst jetzt? Was hätte aus ihnen werden können, hätte man nur zugelassen, dass sie sich frei entfalten können. Jedermann weiß doch, dass der Schüler viel besser lernt, wenn er sich die Themen selbst aussuchen kann. Und das Tolle dabei: Wie durch höhere Fügung beherrschen die Schüler am Ende das, was der Lehrplan vorgibt. Das scheint unglaublich. Aber es gibt dafür eine einfache Erklärung. Der unstillbare Wissensdrang unserer Kinder liegt ihnen in den Genen. Wenn man sie nicht bevormundet und sie selbst über ihr Lernpensum entscheiden lässt, lernen sie einfacher, schneller und lieber und folglich auch mehr. Gut, einige Kinder kommen damit nicht so zurecht. Das ist eben ein Gen-Defekt, so was gibt es. Nein, wir stehen mit dem freien Lernen vor der Vollendung der Bildungsrepublik Deutschland, welche die Kanzlerin vor Jahren ausgerufen hat und die leider etwas in Vergessenheit geraten ist. Aber jetzt kommt Bewegung in die Sache. In Düsseldorf steht die Gründung einer „Demokratischen Schule“ bevor. In Hessen hat die neu gewählte Landesregierung damit begonnen, die Noten, – Inbegriff eines elitären Systems -, aus der Schule zu verbannen. Anderswo überlegt man, sich von den allgemeingültigen Lehrplänen gänzlich zu verabschieden. Was würde das für Kräfte freisetzen! Einfach großartig. Und Dorsten macht auch mit. Die neu gegründete Sekundarschule wird nicht müde, die elektronischen White Boards zu preisen, Symbol einer neuen Pädagogik, die kein Kind zurücklässt. Die Gründung von Freien Schulen ist erst der Anfang auf dem Weg, den autoritären Lernzwang endlich abzuschütteln. Dieses geniale Erfolgskonzept wird sich auf die Handwerksberufe und auf die Hochschulbildung ausweiten. Wir sehen vor unserem geistigen Auge den Elektriker und den Arzt, die beide ihren Lernstoff frei wählen konnten und natürlich ganz anders an ihre Aufgaben herangehen. Das mag nur andeuten, welche neue Welt des Wissens und der Bildung sich da gerade auftut. Und die Chinesen mit ihrem Lerndrill? Die sind doch hinter dem Mond und sollten sich warm anziehen. Sie werden sich noch wundern, in welche galaktischen Höhen wir mit unseren neuen Schulen aufsteigen.
Kein Vertrauen mehr in die Zukunft des Mercaden
07. Februar 2019/ drf. – Vor der Eröffnung des Mercaden gab es allenthalben Besorgnisse, die Eröffnung des neuen Einkaufszentrums am Lippetor könnte den Einzelhandel in der Innenstadt massiv schwächen. Manche fürchteten auch, dass einzelne Geschäfte, angelockt von den glänzenden Perspektiven eines professionell gemanagten Einkaufszentrums, die Seiten wechseln und aus der Innenstadt in das Mercaden umziehen könnten. Einige wenige Geschäfte taten das ja auch, aber insgesamt hielten sich die Abgänge in Grenzen. In Anbetracht des Niedergangs des Centers dürften sich die Besorgnisse weitgehend aufgelöst haben. Inzwischen hat sich der Wind sogar in die entgegengesetzte Richtung gedreht. Zum Jahresbeginn ist ein Einzelhändler vom Mercaden in die Innenstadt umgezogen. Das Damenmodegeschäft „BeYou“ hatte bis zuletzt dem Exodus der benachbarten Geschäfte im Erdgeschoss getrotzt. Nach dem Jahreswechsel warfen die Betreiber dann das Handtuch und gaben auf. „Zu geringe Kundenfrequenz“, heißt es. Aber sie verabschiedeten sich nicht gleich ganz aus Dorsten, sondern zogen um in die Innenstadt und übernahmen ein Ladenlokal auf der Essener Straße. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass ein Ende der Durststrecke im Mercaden nicht wirklich absehbar ist. Vorerst werden die geplanten Umbaumaßnahmen zur baulichen Neugestaltung die noch vorhandenen Geschäfte auf eine harte Prüfung stellen. Ob das neu aufgeputzte Mercaden zum Erfolgsmodell wird, ist auch dann alles andere als sicher. Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht gerade gut. Der stationäre Modeeinzelhandel, eine tragende Säule der Einkaufszentren, hatte im vergangenen Jahr deutschlandweit Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Auch davon abgesehen scheinen die goldenen Zeiten für die Einkaufzentren vorbei. Ihnen weht inzwischen der Wind ins Gesicht.
Frauen-Strichweise –
Am Doppelnamen erkennt man bedeutende Personen
W. St. – Ohne Zweifel war meine Frau für mich eine wichtige und bedeutende Person, auch wenn sie keinen Bindestrich in ihrem Doppelnamen geführt hätte. Doch sie führte ihn mit jenem kleinen Strich in der Mitte. Das machte den Namen interessant, bedeutend. Mir fehlt dieses Namensaccessoire, um wirklich bedeutend zu wirken. Ein kleiner Strich nur, der aber mehr zu sagen hat als der Gotha mit seinen ganz wichtigen Persönlichkeiten. Einfach nur Frau Ulfkotte zu heißen, bedeutet gar nichts, aber Frau Altendorf-Ulfkotte schon. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Frau Müller-Lüdenscheidt. Als Frau Müller war sie ein Nichts, eine Nullachtfünfzehn-Frau, so gewöhnlich wie das ü in ihrem Namen. Seit sie sich aber mit Herrn Lüdenscheidt strichweise verbunden hat, sieht das ganz anders aus. Alle Welt weiß jetzt, dass Frau Müller-Lüdenscheidt eine bedeutende Person ist, emanzipiert, intelligent, berufstätig. Man nimmt an, dass sie politisch tätig ist, vielleicht im Stadtrat sitzt oder beim Fernsehen, in Kultur oder Wirtschaft. Eine Frau halt, die im Leben und auf der Führungsetage erfolgreich ihren Mann steht, die selbstbewusst ihre Karriere kreiert und zudem – alle Achtung – auch noch attraktiv ist, denn schließlich hat sie den Herrn Lüdenscheidt abgekriegt. Manche Frauen werden durch einen Strich und folgende fünf Buchstaben auch reich. Und wer gleich zwei solche Strichlein im Namen hat, beispielsweise Frau Kronsonne-Schute-Hocksal, bei der reicht Achtung nicht, ihr muss man dann schon mit Ehrfurcht begegnen.
Der Bindestrich macht’s, gibt dem Namen gutes Omen, beweist potenziertes Format, wie es uns die prominenten Strich-Frauen vormachen: Frau Noelle-Neumann, Frau Wieczorek-Zeul, Frau Krone-Schmalz, Frau Adam-Schwaetzer, Frau Göring-Eckart, Frau Süßholz-Raspel, Frau Dinkwort-Nussek, Frau Mätthäus-Maier und wie sie alle heißen. Frau Kriechbaum-Huber oder Frau Reblaus-Montezuma gebührt die gleiche Achtung. Und in letzter Zeit macht bundespolitisch auch die fast unaussprechliche Frau Kramp-Karrenbauer von sich reden. Aber nicht alle Strichfrauen haben ihn nötig. Beispielsweise hätte die Parlamentarische Staatssekretärin aus Dorsten, Frau Hürland-Büning, den Strich nicht nötig gehabt. Einfach toll, diese Regelung, die den logischen Strich zieht, seit das Fräulein als persona non grata abgeschafft wurde. Denn welche progressive Frau will mit dem diskriminierenden Diminutiv auch gleich ihre Identität aufgeben? Als Frau Lüdenscheidt käme sich Frau Müller-Lüdenscheidt direkt amputiert vor, vereinnahmt vom Ehemann. Wenn sie auch nach der Hochzeit Frau Müller geblieben wäre, wie es die Namensregelung heute erlaubt, dann kämen die Leute vielleicht auf den absurden Gedanken, dass sie in wilder Ehe lebt, dass die Kinder von und mit Herrn Lüdenscheidt nicht rechtens sind. Und kein Mensch wüsste, dass Frau Müller-Lüdenscheidt eine bedeutende Person ist. Drum merke, wer sich ewig bindet, ob sich nicht doch ein kleines Strichlein findet.
Das freie Namensrecht gilt übrigens erst seit 1991. Im Jahr 1896, also 95 Jahre vorher, wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegt, dass die Frau mit der Eheschließung wie der Mann heißen muss. Ab 1957 war es Ehefrauen erlaubt, ihren Geburtsnamen per Bindestrich an den Namen des Mannes anzuhängen. 1976 dann eine Revolution: Ehepaare durften sich fortan einen der beiden Nachnamen aussuchen. Konnten Sie sich nicht einigen, erhielt jedoch der Mann Vorrang.
Gemeindefinanzierung aus den Fugen – 10 Millionen für den Bahnhof, aber kein Geld für die Sanierung der Straßen
23. November 2018/drf. – Es mag ein zufälliges Zusammentreffen gewesen sein, was sich in der Ausgabe der „Dorstener Zeitung“ vom 6. November 2018 dem Leser darbot. Auf Seite 1 fand sich die Nachricht, dass die Stadt für die Neugestaltung des Bahnhofs aus irgendeinem der vielen Töpfe der Landesregierung 10 Millionen Euro geschenkt bekommt. Auf Seite 2 konnte man dann lesen, dass die Stadt für die Sanierung der maroden Straßen kein Geld hat, die Stadt sich gerade mal die notdürftige Ausbesserung der ärgsten Schäden leisten kann. So sieht es also aus: Für ein Luxusprojekt wie die Umgestaltung des Bahnhofs sind 10 Millionen kein Problem, für die Sanierung der Straßen ist dagegen kein Geld da. Die kommunale Autonomie hat die Stadtführung durch ihren Schuldenkurs verspielt. In dem erzwungenen Sanierungsprozess bestimmen jetzt andere, welche Vorhaben in Dorsten umgesetzt werden. Eine Abwägung von Notwendigkeiten und Prioritäten aus der Sicht der Bürger spielt da keine Rolle. Wenn es um Mittel aus dem Haushalt der Stadt ginge, würde es den Bürgerbahnhof nicht geben.
Dass die Stadt Dorsten 10 Millionen „abgesahnt“ hat, die hier an der falschen Stelle verbraten werden, ist nicht nur wegen der unverhältnismäßigen Höhe des Betrages skandalös. Denn aus dem Zeitungsbericht erfährt der Bürger auch, wie die Kommunen das Problem mit ihren maroden Straßen lösen. Wenn es um schlichte Erhaltungsmaßnahmen geht, muss die Stadt das aus ihrem Haushalt bezahlen. Wenn dagegen die Straße grundlegend saniert werden muss, kann die Stadt die Bürger mit Anliegerbeiträgen an der Finanzierung beteiligen. Was liegt da näher, als die Erhaltungsmaßnahmen so lange hinauszuschieben, bis die Straße wegen ihres schlechten Zustands komplett erneuert werden muss, und die Bürger zur Kasse zu bitten. Da wird dann bei den Bürgern abgesahnt. Es sind dieselben Bürger, die seit dem Beginn der Haushaltssanierung mit Steuern, Gebühren und Abgaben an der Grenze des rechtlich Zulässigen oder des Zumutbaren belastet werden.
Aber es gibt auch Lichtblicke. 2017 stiegen die Aufwendungen der Stadt für Personal, Pensionen und Beihilfen um 6 Millionen Euro, bedingt durch Ausweitung des Stellenplans und durch Tarif- beziehungsweise Besoldungserhöhungen. Dafür reichte das Geld schon wieder.