Von Helmut Frenzel
22. November 2013. – Vor wenigen Wochen berichteten die Medien, dass das Schwerter Spaßbad abgerissen wird, das den Namen Freizeit-Allwetterbad trägt und unter dem Kürzel FAB bekannt ist. Damit geht ein wechselvolles Abenteuer zu Ende, das in die Stadtkasse ein Loch von mehr als 20 Millionen Euro gerissen hat. Anderthalb Jahrzehnte nach der Eröffnung hatte der Stadtrat 2008 beschlossen, das hochdefizitäre Bad zu schließen. Der Bund der Steuerzahler NRW titelte: „Schwerter Bad schließt nach nur 16 Jahren – endlich! Stadt konnte sich das Freizeit-Allwetterbad zu keiner Zeit leisten.“ Nachdem sich alle Hoffnungen zerschlagen haben, einen Käufer für die verfallende Immobilie zu finden, blieb jetzt nur noch der Abriss. – Auch Dorsten hat ein Problem mit seinem Spaßbad „Atlantis“. Der Fall Schwerte zeigt, wie schwierig es ist, eine Fehlentscheidung dieser Dimension zu korrigieren.
Schwerte, 46.000 Einwohner, südlich von Dortmund gelegen, hatte Anfang der 1990er Jahre das ambitionierte Projekt gestartet. Von Beginn an war es umstritten. Heinrich Böckelühr (CDU), seit 1988 Mitglied des Rates und seit 1999 Bürgermeister der Stadt, war entschieden dagegen. Gemeinsam mit der Fraktionsvorsitzenden der Grünen und einem Ratsmitglied der FDP gelang es ihm, über 2.000 Unterschriften gegen den Bau zusammenzubringen. Junge Union und die Grünen schlugen eine Bürgerbefragung vor, die vom Rat mit 31 zu 10 Stimmen abgelehnt wurde. Die Befürworter des Projekts setzten sich durch. Mitte 1991 entschied der Rat mit 23 von 43 Stimmen, das Spaßbad mit einem Budget von 17,4 Mio. DM (8,9 Millionen Euro) zu bauen. Ende 1993 wurde das Freizeit-Allwetterbad eröffnet. Das war ausgerechnet das erste Jahr, in dem die Stadt ihren Haushalt erstmals nicht mehr ausgleichen konnte. Seither stand Schwerte in der Haushaltssicherung.
Von Beginn an defizitär
Anfangs als architektonische Bereicherung für die Stadt und als Standortfaktor für ansiedlungswillige Betriebe gefeiert, konnte das Bad die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen. Bei 250.000 Besuchern jährlich sollte der Betrieb kostendeckend sein. Aber die Rechnung ging nicht auf, das Bad blieb ein Zuschussbetrieb – und ein Zankapfel. Das FAB litt unter fehlender Akzeptanz der Bürger und so wurden die Stimmen lauter, die eine Schließung des Bades befürworteten. Eine Bürgerinitiative versuchte 2006, durch Bürgerentscheid die Zukunft des Bades zu sichern. Die erforderliche Beteiligung von 20 Prozent der Wahlberechtigten wurde zwar verfehlt. Von den 17,4 Prozent der Wahlberechtigten, die ihre Stimme abgegeben hatten, lehnte aber immerhin eine Mehrheit von 55 Prozent die Weiterführung des FAB ab, 45 Prozent sprachen sich dafür aus.
Die Stadt unternahm nun Anstrengungen, einen Investor und Betreiber für das Bad zu finden. Die Interessenten forderten aber entweder laufende Zuschüsse zu den Betriebskosten oder die Übernahme von kostspieligen Umbaukosten. Daraufhin entschied sich der Rat für den Weiterbetrieb in eigener Regie, übertrug indes das Management einem privaten Unternehmen. Aber auch diese Maßnahme brachte nicht die erhofften Einsparungen. Im Zuge der Haushaltssicherung empfahl ein inzwischen eingeschaltetes Beratungsunternehmen 2008 die Schließung und den Abriss des Freizeit-Allwetterbads. Mitte 2008 traf der Rat die Entscheidung zur Schließung; Ende 2009 schloss das FAB seine Pforten. Von 1994 bis einschließlich 2008 hatte das Spaßbad den städtischen Haushalt mit 25 Millionen Euro belastet. Der Schuldenstand der Stadt war inzwischen auf 139 Millionen Euro angewachsen.
Finanzierung vom Bund der Steuerzahler als Verschwendung gegeißelt
Im Schwarzbuch 2010 des Bundes der Steuerzahler fand sich das FAB als Beispiel für die Verschwendung öffentlicher Gelder wieder. Der Bund der Steuerzahler bemängelte, die mahnenden Stimmen, die wiederholt darauf hingewiesen hatten, dass der städtische Schuldenberg durch das FAB kontinuierlich anstieg, seien von der Politik ignoriert worden, obwohl die Bürger den Erhalt des Bades mehrheitlich nicht unterstützten. Die Kritiker hatten darauf gepocht, dass das FAB eine freiwillige Aufgabe sei. Es habe so viel Geld verschlungen, dass Pflichtaufgaben wie Schul- und Straßensanierung auf der Strecke geblieben seien. Der Bund der Steuerzahler urteilte, erst unter dem Druck der Umstände – der städtische Haushalt war 2008 erstmals nicht mehr genehmigt worden – habe der Rat gehandelt.
Diesen Vorwurf wollte Bürgermeister Heinrich Böckelühr so nicht stehen lassen. In der Monatszeitschrift des Städte- und Gemeindebunds Nordrhein-Westfalen verteidigte er das Vorgehen in einem Beitrag unter der Überschrift: „Nach langem Siechtum den Stöpsel gezogen“. Die kritische Berichterstattung über die umstrittene Schwerter Freizeiteinrichtung sei eine späte Genugtuung für den steinigen Weg, welchen die Verwaltung bis zum Ratsbeschluss im Juni 2008 gegangen sei. Das FAB sei geschlossen worden, weil die Stadt es sich einfach nicht leisten könne. Weiter schreibt er:
„Während anderenorts die Verwaltungen und Räte vor der meist umstrittenen Schließung von Bädern zurückschrecken, hat die Stadt Schwerte diesen Schnitt gewagt. Bei allgemeinem Zaudern wird es in den Kommunen, die sich in Zeiten voller Kassen derartige Einrichtungen gegönnt haben, nicht bleiben. […] In der jetzigen finanziellen Situation muss vielmehr die Frage erlaubt sein, ob ein Spaßbad zur Daseinsvorsorge gehört. Dies darf bezweifelt werden, wenn man davon ausgeht, dass – wie in Schwerte – der überwiegende Teil der Besucherinnen und Besucher aus anderen Städten kommt. In Schwerte hat man diese Frage mit Nein beantwortet.“
Notbremse gezogen
Und die Lehre aus der Geschichte? Es ist einfacher, ein kommunales Vorzeigeprojekt, neuerdings spricht man auch gerne von einem Leuchtturmprojekt, durchzusetzen, auch wenn dafür kein Geld vorhanden ist, als diese Entscheidung später wieder zurückzunehmen und das zerschlagene Porzellan zusammenzufegen. In diesem Sinne verdient die Entscheidung des Schwerter Stadtrats Respekt.
Mit der Schließung des FAB war der Fall allerdings noch nicht erledigt. Die Stadt hoffte darauf, einen Investor zu finden, der das Grundstück kauft und das Bad abreißt. Aber eine solche Suche braucht Zeit. Unterdessen liefen die Kosten für die Erhaltung der nicht mehr genutzten Immobilie weiter. Das wurde der Stadt schließlich zu teuer und sie stellte 2010 die Erhaltungsmaßnahmen ein. Damit war der Bau dem Verfall preisgegeben, der nun unaufhaltsam fortschritt. Nachdem keine Lösung für eine Nachfolgenutzung gefunden werden konnte, zog die Stadt Mitte dieses Jahres die Notbremse und beschloss den Abriss, der bis Ende 2013 abgeschlossen sein wird.
Zurück bleiben Schulden
Was von dem einstmaligen Vorzeigeprojekt übrig bleibt, das sind Kosten – und Schulden. Bis Ende 2010 waren noch Personalkosten von 720.000 Euro zu bezahlen. Der Abriss ist mit 400.000 Euro veranschlagt. Mit dem Ex-Geschäftsführer des FAB hat die Stadt Mitte dieses Jahres einen Vergleich geschlossen und zahlt ihm eine Abfindung von 181.000 Euro. Er war des Betrugs und der Vorteilsnahme beschuldigt und 2005 fristlos gekündigt worden. In den folgenden Strafverfahren wurde er freigesprochen mit einer Ausnahme: da wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt.
Der dickste Brocken, der die Schwerter noch lange an das Spaßbad erinnern wird, sind aber die noch nicht getilgten Baukosten. Ende 2009 betrug das Restdarlehen noch 6,4 Millionen Euro, der jährliche Kapitaldienst beläuft sich auf 600.00o Euro. Den werden die Schwerter noch viele Jahre zahlen müssen. Der Bund der Steuerzahler meinte dazu: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.