Kommentar von Helmut Frenzel
18. Oktober 2013. – Die Gemeindeverwaltungen nehmen sich Rechte heraus, die einem Unternehmen und auch Bürgern nicht zugestanden werden. Ein aktuelles Beispiel liefert Dorsten bei den Jahresabschlüssen seit 2009, mit denen die Stadt im Verzug ist.
Große Kapitalgesellschaften, dem Umfang nach der Stadt Dorsten vergleichbar, sind nach dem Handelsgesetzbuch verpflichtet, den Jahresabschluss innerhalb von drei Monaten nach Ende des Geschäftsjahres aufzustellen. Die gleiche Verpflichtung trifft auch die Kommunen. Zigtausende Unternehmen in diesem Land kriegen das hin, die Stadt Dorsten nicht. Dass die Einhaltung der Drei-Monats-Frist auch für Unternehmen eine Herausforderung ist, besonders wenn sie zahlreiche Tochterunternehmen haben, die konsolidiert, das heißt im Abschluss integriert werden müssen, davon hat Bürgermeister Lambert Lütkenhorst vielleicht noch nichts gehört. Auch Unternehmen kennen Personalengpässe und Umstellungsprobleme in der Buchhaltung, aber dass ihnen deswegen ein Zeitnachlass eingeräumt würde, davon ist nichts bekannt. Es liegt in der Verantwortung der Führungsspitze, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Gesetze eingehalten werden können.
Liest man die Vorlage des Bürgermeisters an den Rat der Stadt zu diesem Thema, könnte man Mitleid mit einer offensichtlich überforderten Truppe an der Stadtspitze bekommen. Kein Personal, kein Geld, der Druck des Tagesgeschäfts, Fehleinschätzungen des Arbeitsumfangs und so weiter und so fort – da muss doch jeder Verständnis haben, dass man eine gesetzliche Verpflichtung nicht einhält. Und außerdem ist man doch, wie in der Vergangenheit bei den Schuldenhaushalten, in bester Gesellschaft: viele andere Gemeinden kriegen das mit den Jahresabschlüssen auch nicht hin. Das ist bekanntlich die kommunale Variante des Benchmarking: was andere Gemeinden falsch machen, können wir in Dorsten getrost auch falsch machen. In seiner wortreichen Vorlage offenbart der Bürgermeister noch dazu ein seltsames Rechtsverständnis. „In anderen Kommunen ähnlicher Größenordnung wurde für diese Aufgaben Personal in zum Teil erheblichem Umfang freigestellt. Dies hatte dort entsprechende Kosten zur Folge, die in Dorsten eingespart worden sind.“ Weil die Stadt spart, darf sie Gesetze verletzen? Das meint derselbe Bürgermeister, der natürlich erwartet, dass die Bürger die Grundsteuer pünktlich bezahlen, und der ihnen den Vollstreckungsbeamten ins Haus schickt, wenn sie damit in Verzug geraten.
Rechtswidrige Zustände
Wer jemals in der freien Wirtschaft mit dem Thema zu tun hatte, kann das Lamento des Bürgermeisters nicht mehr hören. Mit Verständnis kann er nicht rechnen, denn auch die Bürger müssen sich an die Gesetze halten. Dieser Meinung ist auch der Landesminister für Inneres und Kommunales. In einem Rundschreiben von Juni dieses Jahres belehrt er die Bürgermeister der säumigen Kommunen, dass der seit Jahren andauernde rechtswidrige Zustand nicht länger hingenommen werden kann. Der Minister schreibt:
„Der Jahresabschluss hat nicht nur für die Kommunalaufsichtsbehörden, sondern auch für die Kommunen selbst eine erhebliche Bedeutung. Mit dem Jahresabschluss wird das vergangene Haushaltsjahr abgerechnet. Er sorgt für die jahresübergreifende Verbindung zwischen den einzelnen Haushaltsjahren und ist deshalb von hervorragender Bedeutung für das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen, für die Planung künftiger Haushaltsjahre und für die Aufstellung und Überprüfung der Haushaltssanierungspläne.“
Erst der Jahresabschluss gebe verlässlich darüber Auskunft, ob der von der Gemeinde eingeschlagene Konsolidierungspfad eingehalten wird. Es sei deshalb unerlässlich, dass die Rechnungslegung der Stärkungspaktgemeinden wieder innerhalb der gesetzlichen Fristen und Vorgaben erfolgt. Der Minister droht damit, die Auszahlung der Millionenzuschüsse nach dem Stärkungspaktgesetz zurückzuhalten, wenn die Kommunen nicht bis zum 1. Oktober 2014 die überfälligen Jahresabschlüsse vorlegen und in Zukunft die Drei-Monats-Frist beachten.
Endlich, möchte man sagen, werden die Gemeindeverwaltungen gezwungen, sich wie jeder Bürger an die Gesetze zu halten. Das hat auch Lambert Lütkenhorst in Bewegung gebracht. Nun gibt es einen Plan, wie dieses Ziel erreicht werden soll.
Verstöße gegen geltendes Recht haben bei der Stadtverwaltung Dorsten Tradition. Die unsäglichen Schuldenhaushalte der Vergangenheit wurden allesamt verspätet verabschiedet, meistens war das Haushaltsjahr da schon zur Hälfte vorbei. Angeblich war das anders nicht möglich. Seit das Land mit dem Stärkungspaktgesetz das Regiment in den überschuldeten Gemeinden übernommen hat, geht nun auch, was vorher nicht ging: der städtische Haushalt wird vor Beginn des Haushaltsjahrs aufgestellt – so wie es das Gesetz verlangt.
In Dorsten ist laut unseres Bürgermeisters und des Rates immer das böse Land Schuld an der Misere, überall muss unter Zwang gespart werden. Letztens erst hat ein Rats- und CDU-Mitglied bei Facebook eine Schreiberin mit Ihren Klagen über die Zustände an das Land verwiesen, weil dieses uns ja dazu zwingt.
Dass das Land der Stadt Geld im Stärkungspakt gegeben und dafür natürlich eine Sicherheit (Sparprogramm) gefordert hat, weil man ja nicht weiter in ein Fass ohne Boden zahlen will, wird entweder gezielt immer wieder verschwiegen oder man hat es dort noch nichts verstanden.
Niemand hat die Stadt gezwungen, jahrelang Kredite aufzunehmen und nicht vorher schon auf moderate Weise Steuern zu erhöhen. Wenn die Argumente bezgl. des Landes nicht ziehen, muss dann beim Bürgermeister wieder der Bürger herhalten. Wie in einem Zeitungsinterview, in dem es hieß, dass das Sparen und die Einsicht dazu weit weg wäre von den Bürgern. Wie Lange soll dieses Elend noch anhalten?