Von Wolf Stegemann
7. Januar 2021. – Er wurde 1929 in Berlin geboren und starb 1989 in Dorsten. Kipp war Musiker, Musikalienhändler, Redakteur und zuletzt erster hauptamtlicher und professioneller Pressesprecher der Stadt Dorsten von 1978 bis 1989. – Als Sprecher der Stadtverwaltung pflegte er gegenüber der Presse mitunter einen Stil, der nicht amtlich-bürokratisch war und daher dem Lokaljournalismus sehr entgegenkam. Bei Kipp hatte das aber auch eine zweite Seite – wie sie jede Medaille hat, so ein geflügeltes Wort. Wenn über die Lokalpolitik oder die Verwaltung im Rathaus etwas geschrieben wurde, was ihm persönlich nicht behagte, dann reagierte er entsprechend auch persönlich. 1984 erschien beispielsweise in den Ruhr-Nachrichten (heute Dorstener Zeitung) eine Glosse, die sich gegen die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an drei Ratsherren von drei Parteien richtete, die im Rat 20 Jahre abgesessen hatten. Ungeachtet ihrer persönlichen Verdienste erhielten sie pro forma den damals in solchen Fällen auch despektierlich genannten „Sitzfleischorden“. Dieser Begriff kam natürlich auch in der RN-Glosse vor. Gegen den Autor wetterte dann vor allem die CDU, aber auch der parteilose Wolfgang-Eberhard Kipp, der als Pressesprecher der Stadt auch seiner privaten Meinung gegen den Redakteur freien Lauf ließ. „Sie, Herr St. werden den Orden nie erhalten“, schrieb er am Schluss seiner Stellungnahme. Da hatte er Recht, denn der Journalist saß ja nicht im Rat. An solche Auseinandersetzungen gewöhnte man sich gegenseitig, letztlich immer mit einem Schmunzeln. Das Foto zeigt Kipp im Jahr 1976.
Der Wanderpreis Zeitungsente „Linda“ war eine Erfindung Kipps
Kipps journalistische Tätigkeit als Pressesprecher der Stadt war immer auch von seiner eigenen geistigen Beweglichkeit geprägt, die er zu nutzen wusste. 1980 kreierte er einen Wanderpreis in Form einer bunten Holzente, die „Linda“ genannt wurde (Foto: Stadt Dorsten). Eine Jury aus Lokaljournalisten vergab die Ente jährlich an Mitglieder des Rates oder Mitarbeiter der Verwaltung, die die einen besonders geistreichen Spruch von sich gegeben hatten, der im Laufe des Jahres in einer der Zeitungen veröffentlicht worden war. Bei der Verleihung der Zeitungsente im damaligen Lokal „Die Ente“ in der Klosterstraße im Beisein des Bürgermeisters, von Verwaltungs- und Parteileuten sowie Journalisten war die Einführungsrede Kipps immer ein Hörgenuss. Anfang der 1990er-Jahre wurde die Zeitungsente aus Mangel an geistreichen Sprüchen nicht mehr verliehen. Preisträger waren: 1983 war Stadtdirektor Dr. Zahn (CDU) der erste Preisträger, ihm folgten 1984 CDU-Ratsherr Werner Arendt, 1985 VHS-Leiter Franz-Josef Stevens (CDU), 1986 Bürgermeister Heinz Ritter (SPD), 1987 CDU-Ratsherr Horst Hinzmann, 1988 Claudia Kokoschka, stellvertretende Kulturamtsleiterin, 1989 Änne Quallo (Stadtverwaltung) und als letzter 1990 CDU-Ratsherr Ludwig Cirkel. Seit nunmehr 30 Jahren steht die Ente im Büro der Pressestelle im Rathaus herum (Foto).
Umfangreiches Studium der Kammermusik – in Theorie und Praxis
Wer Wolfgang-Eberhard Kipp als Pressesprecher der Stadt kennen gelernt hatte, mag sich wundern, welchen beruflichen Weg er da bereits hinter sich hatte: Violoncellist, Musikalienhändler, Referent für kulturelle Bergmannsbetreuung, Zeitungsredakteur, Leiter des Informationszentrums der Neuen Stadt Wulfen, dann Pressesprecher der Stadt Dorsten. Kipp wurde 1929 in Berlin geboren. Seine Familie verzog bald nach Bonn, wo er von 1936 bis 1944 zur Schule ging, dann evakuiert wurde und machte 1947 am Pädagogium in Bad Godesberg das Abitur. Bis 1950 studierte Wolfgang-Eberhard Kipp an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg i. Breisgau, war Schüler der Meisterklasse von Prof. Atis Teichmanis, studierte Musikgeschichte und erhielt eine kammermusikalische Ausbildung. Danach studierte Kipp bis 1952 an der Nordwestdeutschen Musikakademie in Detmold mit den Hauptfächern Violoncello und Kammermusik und war Schüler der Meisterklasse von Prof. Hans Münch-Holland. In den darauffolgenden zwei Jahren war er Gasthörer der Musikhochschule Heidelberg und ständig mit Aushilfstätigkeiten im städtischen Orchester Heidelberg befasst. Der Süddeutsche Rundfunk brachte von ihm Kammermusikaufnahmen.
Ausbildung und Arbeit als Musikalienhändler in Bonn und Köln
1954/55 erweiterte er sein Studium mit dem Fach Vorklassische Literatur an der Norddeutschen Musikakademie Lübeck, kehrte danach nach Bonn zurück, gehörte bis 1957 dem Orchester der Stadt Bonn an und arbeitete auch im Rundfunkstudio. Danach ließ er sich als Musikalienhändler ausbilden und arbeitete dann als solcher bis 1959 in der Musikalienhandlung Braun-Peretti in Bonn. Wolfgang-Eberhard Kipp heiratete 1959 und war bis 1961 Mitarbeiter der Kölner antiquarischen Buch- und Notenhandlung Adolf Nagel. Im Jahr 1961 kam er nach Recklinghausen und war bis 1964 Referent der Revierarbeitsgemeinschaft für kulturelle Bergmannsbetreuung. Im Auftrag des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau baute er den Bezirk Recklinghausen-Herten-Datteln-Castrop-Rauxel auf, eine Organisation der bildenden Information für deutsche und ausländische Arbeitskräfte.
Den Musiker zog es mit 35 Jahren schließlich zum Journalismus
Dann zog es den studierten Kammermusiker zum Journalismus. Er startete diese Laufbahn 1964 mit einem einjährigen Volontariat im Zeitungshaus Bauer (Marl) und bekam danach den Auftrag, das vom Bauer-Verlag herausgegebene Lokalblatt „Dorstener Anzeiger“ (Foto) aufzubauen und war bis 1969 Redaktionsleiter dieser dann wieder eingestellten Lokalzeitung. Wolfgang-Eberhard Kipp wurde danach Leiter des Informationszentrums im ersten Bauabschnitt der Neuen Stadt Wulfen. Ziel seiner Arbeit bis 1978 war: Verbindung zwischen Neueinwohnern und der Entwicklungsgesellschaft herzustellen und zu erhalten, neu Hinzuziehende in verschiedensten Fragen zu beraten, Besucher und Besuchergruppen über das Projekt Wulfen durch Vorträge und Führungen zu unterrichten, für Neubürger infrastrukturelle Angebote zu entwickeln und für die Neue Stadt Wulfen die Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen. 1978 übernahm Kipp dann die Pressestelle der Stadt. In seiner Freizeit spielte der Dvorak-Fan gerne Blockflöte mit seinem Sohn, mit dem er hin und wieder auch öffentlich in der Barbarakirche auftrat. – Geistig und informativ beweglich hielt er sich mit dem täglichen Lesen eines Packens von Zeitungen, darunter die Züricher. Seine körperliche Beweglichkeit erhielt er sich mit der Arbeit im Garten. Wolfgang-Eberhard Kipp starb unerwartet 1989 im Alter von 60 Jahren.
________________________________________________________________