Von Wolf Stegemann
21. September 2018. – Er war als Hauptsturmführer (Rang hieß bis 1934 Sturmhauptführer) der ranghöchste SA-Führer im Einsatzgebiet Dorsten. Mit ihm und seinem Namen verbanden die Dorsten den Typ von SA-Mann, der gewalttätig und bösartig war. Selbst seine Tochter sagte über ihn Mitte der 1980er Jahre: „Wenn er blau war, hat er schon einem eine vor die Klappe gehauen!“ So ist er auch vielen Dorstenern, die ihn kannten, in Erinnerung.
1894 in Brügge bei Hamm als Sohn eines Müllers geboren, diente Weißenberg im Ersten Weltkrieg bei den Husaren, kam 1932 nach Dorsten, war arbeitslos und schloss sich der NSDAP an. Nach 1933 bekam er Arbeit als Gelderheber der Stadtwerke. In der SA wurde er befördert. Wenn SA-Schlägertrupps durch die Straßen der Stadt zogen, war Weißenberg dabei. Weißenberg schrieb an Ortsgruppenleiter Ernst Heine am 18. April 1933: „Bald haben wir sie klein!“ Gemeint waren die Bürger der Stadt, die nicht schnell genug ihren Arm zum Hitlergruß erhoben, wenn Weißenberg und seine SA-Horde durch die Stadt zogen. Schließlich verboten NSDAP-Ortsgruppenleiter Ernst Heine und Bürgermeister Dr. Gronover systematische Provokationen und Gewalt seitens der SA. Otto Weißenbergs Adjutant war der aus Holsterhausen stammende und an der Agathaschule tätige katholische Lehrer Kaspar Laukemper. Ihm wurde im Dezember 1937 wegen kirchenfeindlicher Äußerungen vom Bischof die kirchliche Lehrbefugnis entzogen. Weißenbergs Name taucht auch in den Berichten auf, als die Dorstener Juden 1942 zur Deportation nach Riga zum Gelsenkirchener Bahnhof gebracht wurden. Wenn bei Verdunkelung während des Krieges Licht durch Fenster schien, drang er in die Häuser ein und drohte den Bewohnern mit Faustschlägen.
Weißenberg als Kriegsgefangener in Schottland
Vermutlich wurde Weißenberg für die Dorstener Partei- und Stadtbehörde untragbar. Denn der SA-Führer musste gegen Ende des Krieges zur Wehrmacht. Er geriet bei Zweifall bei Aachen in englische Kriegsgefangenschaft, die er mit der Prisoner of War-No. B 224839 in einem Lager in Schottland verbrachte. Nach seiner Entlassung kam Weißenberg in das Internierungslager Munsterlager in der Lüneburger Heide, wo er etwa vier bis sechs Wochen verbrachte. Dann wurde er mit starken gesundheitlichen Schäden nach Dorsten entlassen. Bei seiner Tochter beklagte er sich, dass ihn die deutschen Bewacher des Lagers geschlagen und getreten hätten, weil er Hauptsturmführer der SA gewesen war. Otto Weißenberg blieb nicht in Dorsten. Er verdingte sich als Nachtwächter ins Sauerland, wo er 1961 starb.
Der einstige Katholik wurde vom evangelischen Pfarrer beerdigt
Da Otto Weißenberg in Dorsten als brutal galt, hatte seine Familie nach 1945 keinen leichten Stand. Nachbarn und Verwaltungsangestellte der Stadt ließen ihre unguten Erinnerungen an Weißenberg an seiner seit 1943 verheirateten Tochter aus. „Wir wurden auf der Straße angespuckt!“ Und beim Schlangestehen vor Geschäften oder bei Behörden musste sie sich immer wieder hinten anstellen. Für die ausgebombte Wohnung gab es vorerst keine Entschädigung. Die Tochter erinnert sich: „Im Wohnungsvergabeausschuss saß der Kommunist de Beyer. Er sagte einmal zu mir, dass man uns 1945 hätte vergasen sollen.“ Erst nach 1950 änderte sich der Umgangston in der Verwaltung. Während des Dritten Reiches war der Katholik Weißenberg aus der Kirche ausgetreten und nicht wieder eingetreten. Als er 1961 starb, hatte er den Wunsch nach einem christlichen Begräbnis, das ihm ein evangelischer Pastor nicht verweigerte und ihn mit dem Segen der Kirche beerdigte.
________________________________________________________________