Von Wolf Stegemann
Bis zum 30. Dezember 1980 wurden die Textvorlagen der Redaktion für den Druck der Dorstener Tageszeitung „Ruhr-Nachrichten“ (heute „Dorstener Zeitung“) täglich noch Buchstabe für Buchstabe gesetzt und dann in Blei gegossen. Technischer Fortschritt konnte auch an der Herstellung der Zeitung nicht vorbeigehen. Deshalb war der Übergang zum Fotosatz und zu einer moderneren Art des Druckens (Flachdruck statt Hochdruck) seit längerem nur noch eine Frage des Zeitpunktes.
Die Silvesterausgabe 1980 der Ruhr-Nachrichten war die letzte Ausgabe, die im Bleidruck im Recklinghäuser Verlagshaus Bitter hergestellt wurde. Danach stellte den Fotosatz der Dorstener Ausgabe der „Ruhr-Nachrichten“ der technische Betrieb der Ruhr-Nachrichten in Dortmund her. Am Donnerstag, den 15. Januar 1981, wurde die letzte Bleiseite der Dorstener Zeitung vom Redaktionsleiter Rolf Plümpe dem Dorstener Stadtmuseum im Beisein von Bürgermeister Hans Lampen, des Stadtdirektors Dr. Zahn und des Beigeordneten und Kulturdezernenten Werner Mörs überreicht. Rolf Plümpe: „Alle zeigten sich hocherfreut über dieses Geschenk, das künftigen Generationen demonstrieren soll, wie ,annodazumal’ Zeitung gemacht wurde.
Vom Blei- zum Fotosatz – auch ein Stück Dorstener Zeitungsgeschichte
Hinter dem Abschied vom Bleisatz steckt auch für Dorsten ein langes Kapitel Zeitungsgeschichte. Als im September 1976 die 725-Jahr-Feier der Stadt Dorsten stattfand, blickten die „Ruhr-Nachrichten“ (DZ) gleichzeitig auf ihr 125-jähriges Bestehen in der Lippestadt zurück. Der Begründer der RN Dorsten war der aus Dortmund stammende Buchdrucker Johannes Mescher, der die Zeitung im Jahr 1851 unter dem Titel „Dorstener Wochenblatt“ herausgab. Ab 1. April 1910 lautete der Titel „Dorstener Volkszeitung“. 1949 hatte die Zeitung den Titel „Ruhr-Nachrichten“ und 1997 bis heute heißt sie „Dorstener Zeitung“. In all den Jahren bis 1980 gab es immer nur den Bleisatz. Daher blickte bei der Umstellung auf den Fotosatz so mancher „Jünger der schwarzen Kunst“ wehmütig zurück.
Der Abschied vom Bleisatz in Dorsten hieß aber nicht, dass diese Machart ganz vergessen werden sollte, auch wenn sie zum „alten Eisen“ gehörte. Die letzte Bleiseite der Dorstener RN und der dazugehörende Rundguss kamen ins städtische Heimatmuseum, das damals gerade gestaltet wurde. Bei bestimmten Anlässen wurde das Ausstellungsstück gezeigt, ansonsten lagerte es im oberen Rundbogen des Museums. Von dort verschwand es, wie alle anderen Museumstücke auch, als die Stadt unter Bürgermeister Lambert Lütkenhorst unter Mitwirkung von Dr. Josef Ulfkotte (Heimatverein) das Museum 2004 ersatzlos aufgelöst hatte („echt Dorsten“) und die Exponate verteilt wurden. Wo die letzte Bleiseite der Dorstener Lokalzeitung verblieb – immerhin ein Stück der Dorstener Zeitungsgeschichte –, konnte bislang hier nicht ermittelt werden.