Das Porträt: Sechs Jahre lang wohnte Rudolf Assauer – Profi-Fußballer, FC Schalke 04-Manager, Ruhrpott-Macho und „Schlitzohr“ – in Dorsten-Wulfen

Von Wolf Stegemann

1944 in Sulzbach-Altenwald/Saar bis 2019 in Herten. – Schlagzeilen machte der Fußball-Profi immer schon in den Tageszeitungen, Sportmagazinen und Zeitschriften, vor allem seit er 1981 von Bremen zum Gelsenkirchener FC Schalke 04 wechselte. Schlagzeilen machte er auch in Dorsten, denn Rudi Assauer wohnte von 1981 bis 1987 in Dorsten-Wulfen in einem Haus an der Straße Markeneck. Viele Dorstener erinnern sich auch an seine Tochter, mit der sie zur Schule gingen. Ein früherer Nachbar: „Er war zwar oft nicht anwesend, aber wenn, dann konnten wir uns mit ihm gut unterhalten. Oft kamen aktive und prominente Schalke-Spieler, zu deren Treffen dann auch die Nachbarschaft manchmal mit einbezogen wurde. Ich erinnere mich gut an ihn! Es war schade, dass er 1987 nach Herten verzog!“ Assauer war in seiner Wulfener Zeit mit Ingrid Assauer verheiratet. Schlagzeilen machte er aber nicht nur als aktiver Sportler und Sportmanager, sondern auch noch nach seinem Tod im Jahr 2019, in denen es um familiäre Auseinandersetzungen um sein Testament ging und aktuell noch geht.

Assauer kam als 37-Jähriger von Bremen nach WulfenAssauer zählte zu den

schillernden Figuren der Fußball-Bundesliga und wird stets als „Kind des Ruhrgebiets“ bezeichnet. Das war er auch. Denn sein Aufenthalt an seinem Geburtsort dauerte nur zwei Wochen, da seine Mutter wegen der massiven Fliegerangriff im Ruhrgebiet  dort hinzog. Nach Herten zurückgekehrt, ging Rudi Assauer dann zur Schule, begann mit 14 Jahren die Lehre als Stahlbauschlosser und arbeitete danach ein halbes Jahr auf der Zeche „Ewald“ in Herten. 1962 trat er in die Spielvereinigung Herten ein, bestritt in der Regionalliga-Saison 1963/64 über 23 Partien und schoss drei Tore. Während seiner Zeit bei der Bundeswehr fiel einem Offizier sein Fußballtalent auf. Daher war er mit der Deutschen Bundeswehrnationalmannschaft bei der Endrunde der Internationalen Militärmeisterschaft in der Türkei erfolgreich dabei. Dadurch wurde Assauers Name erstmals bekannt. Dortmund nahm den jungen Spieler 1964 unter Vertrag. Gleich im ersten Jahr gewann er mit dem BVB den DFB-Pokal, ein Jahr darauf sogar mit einem unerwarteten 2:1-Sieg in Glasgow gegen den FC Liverpool, den Europapokal der Pokalsieger. Neben seiner sportlichen Karriere erhielt er die Möglichkeit, eine Ausbildung zum Bankkaufmann zu absolvieren. Von 1970 bis 1976 bestritt er für Werder Bremen insgesamt 188 Bundesligapartien, bei denen er vier Mal traf. Mit 32 Jahren beendet er seine aktive Laufbahn abrupt: Bremens Vereinspräsident machte ihn – quasi über Nacht – zum jüngsten Bundesliga-Manager aller Zeiten Foto: 1982). Am 15. Mai 1981 wechselt er überraschend vom schon feststehenden Aufsteiger Werder Bremen zum Fast-Absteiger FC Schalke 04. „Diese Nachricht ist in Bremen eingeschlagen, wie ein Bombe“, so Assauer damals, „aber ich wusste, dass man in Schalke was Großes schaffen kann, und war ja nur wenige Kilometer entfernt groß geworden. Als kleiner Junge bin ich schon mit dem Fahrrad zur Glückaufkampfbahn gefahren, um dort die Schalke-Spiele zu verfolgen.“ Mit diesem Posten nahm er auch Wohnsitz in Wulfen.

Im Dorstener Lokal „Ente“ warf Assauer die Presse regelrecht raus

In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre besuchte die Schalke 04-Fußballmannschaft des Öfteren das damalige Restaurant „Ente“ in der Dorstener Klosterstraße. Ein solches Treffen war wieder einmal angesagt. Ein Termin für die Lokalzeitung Ruhr-Nachrichten (heute DZ). „Also  ging ich (Wolf Stegemann) mit dem Fotografen hin, um mit dieser prominenten Mannschaft zu sprechen und dann daraus einen Artikel zu machen. Kaum hatten wir das Lokal betreten und uns vorgestellt, wurden wir sehr bestimmt und nicht gerade höflich regelrecht  rausgeworfen. ,Wir brauchen keine Presse’ rief uns einer nach, der wohl das Sagen hatte. Meine Recherche ergab, dass dieser eine Rudi Assauer war, zu der Zeit noch Dorstener Einwohner!“

Wollte Assauer „eine in die Schnauze hauen“

Rudi Assauer stand auch mehrmals in Jugendheimen den Jugendlichen Rede und Antwort, wie 1985 zusammen mit Olaf Thon, der in Schermbeck wohnte, in einem Holsterhausener Jugendheim. Ein junges Mädchen fragte ihn, wie viel er denn im Monat verdiene. Über die hohe Summe überrascht, fragte das Mädchen, was er denn tue, um soviel Geld zu bekommen. Assauer antwortete, dass er ja auch viel arbeite und sagte mit einer nicht unerheblichen Arroganz, dass Menschen, die was leisten auch so viel verdienten. Daraufhin meinte das etwa 12-jährige Mädchen vorwurfsvoll, dass er, Assauer, ungerecht sei, wenn er so etwas sage, denn ihr Vater sei Bergmann und arbeite sehr anstrengend und viel und verdiene nur einen kleinen Teil von dem, was Assauer verdiene. Daraufhin meldete sich ein älterer Jugendlicher oder junger Erwachsener, der hinten saß und offensichtlich etwas beschwipst war, mit einer Offenbarung, dass er vor Wochen ihm, Assauer, in Stuttgart eine „in die Schnauze hauen“ wollte. Warum, sagte er nicht. Doch er konnte seinen Plan nicht ausführen, da Sicherheitsleute ihn an einem Maschendrahtzaun, den er gerade überklettern wollte, abgefangen hätten. Diese amüsante Geschichte stand anderntags in den Ruhr-Nachrichten (heute DZ). Die Bild-Zeitung übernahm den Artikel, verfälschte ihn allerdings. Da stand dann, dass ein Jugendlicher in Dorsten-Holsterhausen dem „Assauer eine in die Schnauze gegeben“ hat.

Nach seinem Ende bei Schalke zog Rudi Assauer 1987 nach Bremen

Fünf sportlich wechselhafte Jahre endeten 1986 mit seiner Entlassung. Eine Entlassung, die er als ungerechtfertigt empfand. Er hatte sich mit dem damaligen Präsidenten überworfen. Mit dem Ende seiner aktiven Tätigkeit verließ er auch Wulfen und zog 1987 nach Bremen. In den folgenden Jahren verfolgte er das Bundesligageschehen nur noch von den Zuschauertribünen und im Fernsehen. In Bremen war er als Immobilien-Manager tätig. Über den damaligen Zweitligisten VfB Oldenburg kehrte Assauer 1993 zum FC Schalke 04 zurück und errang zuletzt Kultstatus. In seine Amtszeit fielen der UEFA-Pokalsieg 1997, die DFB-Pokalerfolge 2001 und 2002 sowie der Bau der Veltins-Arena.

Frank Rosins Begegnung mit dem „Schlitzohr“ Rudi Assauer in Wulfen

Nachdem Assauer wieder nach Schalke zurückgekehrt war und in Gelsenkirchen-Buer wohnte, besuchte er mehrmals auch Wulfen, wo er ja sechs Jahre lang gewohnt hatte. Da traf er auch Frank Rosin, der beziehungsweise dessen Mutter in Wulfen eine Gaststätte betrieb. Über seine Begegnung mit dem Schalke-Manager im Jahr 1994 schrieb Rosin in seinem Buch „Ehrlich wie ’ne Currywurst – Mein Weg von der Pommesbude ins Sterne-Restaurant“, das im April 2022 erschien: „Freut mich, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben, was darf es denn sein? fragte ich ihn höflich, während Assauer eine Zigarre anzündete und den ganzen Raum einnebelte.“ Aber Assauer wollte nicht essen, sondern suchte für den VIP-Bereich seines FC Schalke 04 einen neuen Caterer. Rosin bekam den Auftrag für den Rest der aktuellen und die komplette nächste Saison. Doch am Ende bezahlte Assauer ihn nicht, da der Verein gerade finanzielle Probleme hatte. Frank Rosin beendete seine Tätigkeit für Schalke und Assauer verabschiedete ihn mit den Worten: „Ich mach das wieder gut, verlass Dich darauf!“ Fast zwei Jahre später bekam der Wulfener Rosin als Wiedergutmachung Karten für das besondere Spiel Schalke gegen Mailand mit Rückspiel geschenkt. Rosin erinnert sich in seinem Buch: „Mit Rudi Assauer machte ich einige Jahre danach ebenfalls meinen Frieden. Der Mann war eben ein echtes Schlitzohr, der für seinen FC Schalke alles gegeben hätte. Und wann immer ich während eines Spiels in den Himmel schaue und eine graue Wolke sehe, bin ich mir sicher, dass Rudi dort oben bestimmt gerade eine Zigarre raucht!“

Liiert und geprügelt mit der „Tatort“-Kommissarin Simone Thomalla

Von 2000 bis 2009 lebte Assauer mit der Schauspielerin (u. a. Tatort-Kommissarin) Simone Thomalla zusammen (Foto). Als die beiden 2008 auf Sylt waren, kamen die beiden auf offener Straße in Streit, Assauer stieß seine (Ex-)Geliebte über eine Mauer in ein Blumenbeet. Sie wehrte sich mit einem Tritt in den Unterleib. Die herbeigerufene Polizei stellte eine Strafanzeige. Rudi Assauer entschuldigte sich dann bei seiner Simone Thomalla. Im April 2011 heiratete er seine Freundin Britta Idrizi. Die beiden trennten sich jedoch nach weniger als einem Jahr Ehe. 2011 kam Assauer auf Einladung des Borkener Lion-Clubs in den Rittersaal von Schloss Raesfeld, wo er über sein Leben und seine Alzheimer-Erkrankung sprach. Moderator war Werner Hansch. Nach dem Tod Rudi Assauers legte sich seine Witwe 2020 mit dem Fußballreporter Hansch an („Ich weise ihn in seine Schranken“), weil er im Fernsehen über seine Erfahrungen mit Assauer und dessen Krankheit sprach. 2012 wurde Assauers Alzheimer-Erkrankung öffentlich bekannt, die sich bereits 2006 bemerkbar gemacht hatte. Wo Assauer auch auftrat, privat oder als Fußball-Manager, stets hatte er Zigarren bei sich. Daher war weniger der Fußball sein Markenzeichen, viel mehr die Zigarre. Auch außerhalb des Bundesliga-Fußballs verzeichnete Rudi Assauer Erfolge: 2004 erhielt er den Ehrentitel „Bürger des Ruhrgebiets“ und war „Botschafter des kultivierten Rauchgenusses“ der Zigarrenfirma „Davidoff“. 2006 erhielt er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Simone Thomalla den Fernsehpreis „Goldene Kamera“ in der Kategorie „Bester Werbespot mit Prominenten“ für den Spot „Überraschung“ der Veltins-Brauerei. Ebenfalls 2006 trat Rudolf Assauer von seiner Position als Manager zurück, nachdem der Aufsichtsrat des FC Schalke 04 ihn zuvor satzungsgemäß zur Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt „Abberufung“ eingeladen hatte. Ab März 2007 betrat Rudi Assauer im neuen Premiere-Fernsehformat „Sach et Rudi!

Das Buch als Tresor für seine vergessenen Erinnerungen

„Der letzte Ruhrpott-Macho versinkt im Vergessen“, titelte „Panorama“ am 31. Januar 2012. Assauer wird geahnt haben, dass er seinem Albtraum des Vergessens nicht entfliehen konnte. Er kannte die Schrecken von Alzheimer. Seine Mutter litt darunter, sein zehn Jahre älterer Bruder auch. Für diese Krankheit, das belegen Studien, gibt es eine genetische Vorbelastung. Assauer schrieb gemeinsam mit dem Journalisten Patrick Strasser ein Buch, das im Dezember 2019 erschien. „Wie ausgewechselt – verblassende Erinnerungen an mein Leben“, lautet der Titel. Es ist eine Autobiografie, ein Streifzug durch ein bewegtes Leben und zugleich ein Tresor, in den Assauer all die Erinnerungen bewahren will, die ihm seine Demenzerkrankung nach und nach entrissen haben. Tochter Bettina Michel, die ihren schwer erkrankten Vater pflegte, schrieb 2014 ebenfalls ein Buch. Sie nannte es „Papa, ich bin für Dich da“. Die damalige TV-Journalistin Hella Sinnhuber, die heute in Gahlen wohnt, stellte in einer Sendung das Buch und die Autorin vor (Foto Katja Engelstadt: v. l. Bettina Michel, Hella Sinnhuber und Assauers frühere Assistentin Sabine Söldner).

Film über Rudi Assauer lockte 25.000 Zuschauer ins Fußballstadion

Der Filmemacher Don Schubert erarbeitete mit Assauers Zutun einen Film mit dem Titel „Rudi Assauer – Macher, Mensch, Legende“. Am Rande bemerkt: Interessant, dass die Aufzählung zuerst den „Macher“ nennt, dann erst den „Menschen“. Die Premiere des Films am 4. Mai 2018 im Fußballstadion Veltins-Arena-Gelsenkirchen war ein voller Erfolg. Es kamen 25.000 Zuschauer und ist bislang die „größte Filmpremiere in Deutschland“ (dpa).  – Rudi Assauer starb am 6. Februar 2019 mit 74 Jahren in Herten und ist auf dem dortigen Friedhof bestattet. Die Bestattung fand am 12. Februar im engsten Familienkreis statt. Im April 2022 wurde für ihn eine Erinnerungsstätte auf dem Schalker Fan-Feld in Gelsenkirchen errichtet.

Öffentlichkeitswirksamer Rechtsstreit um das Vermögen Assauers

Nach seinem Tod gab und gibt es bis heute in vielen Zeitungen, Zeitschriften und anderen Medien Schlagzeilen über das Vermögen Assauers. Die Schlagzeilen lauten (kleine Auswahl): „Verdacht auf Untreue – Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall Rudi Assauer“ (Der Spiegel, 38/2020). – „Rudi Assauers Tochter Bettina droht jetzt Haft“ (WELT vom 6. Januar 2021). – „Rudi Assauer und das ,Schattenreich von Konten’ bei der Volksbank Ruhr“ (WELTplus, 19. August 2021). – „Anwalt: Assauers Tochter als Kopf einer Verbrechergruppe stigmatisiert“ (Hertener Allgemeine vom 24. August 2021). – „Gutachter hält Testament von Rudi Assauer für ungültig“ (DZ vom 22. April 2022).
Was steckt hinter diesen aktuellen Schlagzeilen? Rudolf Assauer nahm im Laufe seines Lebens Millionen DM bzw. Euro ein. Doch soll er nach seinem Ableben kein Geld mehr gehabt haben. Lediglich noch 15.000 Euro Bargeld und einen zehn Jahre alten Opel. Über sein Testament, in dem Rudi Assauer nur eine der beiden Töchter bedacht hatte, und über die Verdächtigungen innerhalb der Familie, wo das Vermögen geblieben ist, entstand ein regelrechter „Familien-Krieg“, wie die Auseinandersetzung in den Medien bezeichnet wurde. Der begann schon in den Todesanzeigen der beiden Schwestern. In der einen fehlte der Name der anderen Schwester und umgekehrt. Die Bild-Zeitung: „Familienkrieg um toten Assauer“ (Foto: Assauer mit seiner Tochter Bettina Michel).
Immer wieder trafen (und treffen) sich die mittlerweile verfeindeten Geschwister vor Gericht. Die Medien, Zeitungen wie Rundfunk und Fernsehen, griffen das alles schlagzeilenträchtig auf. Aktuell wurde im April 2022 ein Gutachten über Assauer und seine Demenz veröffentlicht. Darin steht, dass aus Sicht der Medizin Assauer bei Verfassung des Testaments, um das gerichtlich gestritten wird, aufgrund seiner geistigen Einschränkungen keine Rechtsgültigkeit habe. Das heizte die Stimmung in der zerstrittenen Familie wieder tüchtig an, so zu lesen in der Presse. Das Gericht muss noch entscheiden.


Quellen: Erinnerungen des Journalisten (RN bzw. DZ) Wolf Stegemann aus den 1980er-Jahren. BILD-Zeitung vom 9. Febr. 2019. – „Sport 24“ vom 10. Febr. 2019. – DER SPIEGEL 38/2020. –  DIE WELT vom 12. Aug. 2020. – WELTplus vom 19. Aug. 2021. –  ZEIT-Online von 2. Febr. 2022. – DZ vom 22. April 2022. – WAZ vom 26. Apr. 2022. – Pressestelle Stadt Dorsten vom Mai 2022. – Wulfen-Wiki (Aufruf Schalke 2022). -Fotos: FRiedmann Vogel (oben), Stuttgarter Nachrichten, dpa, FC Schalake 04-Pressestelle, Spiegel, WDR.
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