24. Mai 2022. –Immer wieder liest man in der Lokalzeitung oder hört es von Nachbarn und Bekannten, wie unvorsichtig und wüst so manche Schulkinder mit dem Fahrrad unterwegs seien. Darüber klagen Autofahrer wie auch Fußgänger. Inzwischen wechseln immer mehr Jugendliche auf Pedelecs, was das wüste Fahren noch verstärkt, worüber auch die Polizei-Meldungen Auskunft geben. Unlängst sagte ein Nachbar zu dem Autor, beide in den Siebzigern, dass es „doch in unserer Zeit so etwas nicht gegeben hatte“. Da möchte er Recht haben, was seine persönlichen Erkenntnisse betrifft. Doch Klagen über wüstes Radfahren von Schulkindern hat es schon Anfang der 1950er-Jahre gegeben. Davon berichtet ein Artikel im Lokalteil „Dorsten – Nachrichten – Haltern“ der „Ruhr-Nachrichten“ vom 18. Juli 1952 unter der Überschrift „Schulkinder, die wüstesten Radfahrer“. Der Artikel fängt mit der Aufforderung zu einem Eingeständnis an:
„Man kann es sich ruhig eingestehen, die meisten Radfahrer trampeln praktisch die Verkehrsdisziplin mit Füßen. Ohne Rücksicht auf Verluste jagen sie durch die Straßen, über Promenadenwege und versuchen, noch eben vor den Autos vorbeizukommen.“
Diese Klage aus dem Jahr 1952 könnte auch heute geschrieben sein. Und weiter heißt es in dem Artikel:
„Die wüstesten Radfahrer aber sind die Schulkinder. Um sie deshalb vor den Gefahren des Verkehrs zu behüten, beschlossen die Schulräte des Landkreises (Recklinghausen) in einer Sitzung mit den Vertretern des Kreisstraßenverkehrsamtes und der Polizei, Radfahrprüfungen für die Schuljugend versuchsweise durchzuführen….“
So kam es dann auch. Im Landkreis Recklinghausen wurden die Prüfungen erstmalig nach den Sommerferien 1952 durchgeführt. Alle „schulpflichtigen Kinder“ ab zehn Jahren, die der Schulversicherung angeschlossen waren, konnten an den Radfahrprüfungen teilnehmen. Die Kinder erhielten eine verkehrstechnische Erziehung von Polizeifachleuten. In einem einheitlichen Verkehrsfragebogen mussten die Kinder bei der theoretischen Prüfung keine kniffligen Fragen beantworten, sondern nur ihre allgemeinen Kenntnisse zur Sicherheit des täglichen Verkehrs beweisen.
Mit Minus-Punkten die Verkehrsprüfung der Schüler bewertet
Wer gute Leistungen vollbracht hatte, bekam ein „Leistungsblatt über die Verkehrsprüfung für die radfahrende Schuljugend“, wohl eine Art Führerschein, auf dem neben seiner Punkte-Benotung auch der Sinnspruch stand: „Rast nicht wie auf wilden Pferden durch das Stadtgewimmel! Lieber mal zu spät auf Erden, als zu früh im Himmel!“
Vor der Prüfung in den Schulen bekam jeder Junge und jedes Mädchen 100 Punkte. Für jedes verkehrswidrige Verhalten in der praktischen Prüfung, die in Dorsten im dichtesten Verkehr in den Straßen der Innenstand, heute Fußgängerzonen, abgehalten wurde, bekam der Prüfling 4 Minus-Punkte. Bei der Prüfung des Fahrrads wurde jede verkehrswidrige Ausrüstung mit 5 Minus-Punkten belegt. In der theoretischen Prüfung kostete ein Fehler 3 Minus-Punkte. Diese Minus-Punkte wurden dann von der Stamm-Punktzahl 100 abgezogen.
Mit „Auszeichnung“ wurden die Schüler/innen bedacht, die mit 95 und mehr Punkten durch die Prüfung kamen. Das Prädikat „gut“ erforderte mindestens 85 Punkte, „befriedigend“ musste mindestens 75 Punkte aufweisen und unter 75 Punkte wurde mit „ausreichend“ belegt. Die Schüler, die mit „Auszeichnung“ bestanden hatten, konnten sich neben dem Leistungsblatt noch über einen Wimpel freuen, der ihnen in einer besonderen Feier überreicht wurde.
Die Straßenverkehrsordnung schreibt dem Radfahrer vor, wie und wo
Heute regeln Gesetze, wie sich radfahrende Kinder und Jugendliche zu verhalten haben beziehungsweise deren Begleitpersonen. Bis zum vollendeten 8. Lebensjahr (8. Geburtstag) müssen ratfahrende Kinder den Gehweg benutzen. Bis zum vollendeten 10. Lebensjahr (10. Geburtstag) dürfen sie den Gehweg benutzen, § 2 Abs. 5 StVO. Dabei müssen sie auf Fußgänger Rücksicht nehmen. – Die einen nehmen Rücksicht, andere nicht. Und manche Fußgänger haben dann immer was zum Schimpfen.