Von Wolf Stegemann
In einigen Städten Westfalens kam es vom 12. bis 14. Jahrhundert zu einer durchgehenden Münzprägung. Die Städte waren vor allem Soest, Dortmund, Münster, Osnabrück, deren Pfennige von gleichem Wert waren und deshalb 1:1 umgerechnet werden konnten. Kleinere Münzstätten gab es in Dorsten und Recklinghausen, wo Pfennige aus Münster nachgeprägt wurden. Im Westen des Reiches war es vor allem der Rheinische Goldgulden, der am Ende des 14. Jahrhunderts zur Standardmünze wurde, auf den alle anderen goldenen und silbernen Sorten in Umtauschbeziehung gesetzt wurden. Auf Wunsch des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises fand im Frühjahr 1661, als das Reich nach dem Dreißigjährigen Krieg in Kleinstaaterei verfallen war, in Köln eine Konferenz statt, in der die maßgeblichen Stände dieses Kreises mit Vertretern von Kurköln zusammengekommen waren, um vor allem über das Überhandnehmen von schlechtem Kleingeld zu verhandeln. Erreicht wurde aber nichts, da alle Staaten ihre eigenen Interessen verfolgten. Es blieb bei einem großen Wirrwarr unterschiedlicher Münzen, Prägungen und Werten.
Dorstener Münzschatz 1888 entdeckt
Spiegelbild der gemischten Münzsorten-Verhältnisse des Hochmittelalters war der 1888 in Dorsten entdeckte Schatzfund von 14 Gold- und 140 Silbermünzen, der nach 1366 verborgen wurde. Der größte Teil des Fundes kam in das Dorstener Heimatmuseum, wo er allerdings in den 1960er-Jahren gestohlen wurde. Die Münzen stammten aus einem weiten Einzugsbereich. Die Goldstücke und größeren Silbermünzen kamen zu einem großen Teil aus dem Rheinland, während das Kleingeld einheimisch war.
Aus Gewinnsucht Münzen mit verminderten Silbergehalt hergestellt
Als Dorsten 1251 die Stadtrechte verliehen bekam, blieben die Hoheitsrechte, darunter das Münzrecht, beim Landesherrn, dem Erzbischof von Köln. Gegen Bezahlung einer Steuer durfte Dorsten Münzen prägen. Sie waren aus Silber und Billon, einem schlechten Münzmetall mit einem nur 40-prozentigen Silberanteil. Als die Dorstener aus Gewinnsucht Silbermünzen mit vermindertem Silbergehalt herstellten, bekam das Dorstener Geld im Umland einen schlechten Ruf. Da die Stadt Dorsten nicht aufhörte, Geld mit falschem Silberanteil zu prägen und zu veräußern, Strafandrohungen nicht wirkten, wurde der Stadt 1680 das Münzrecht und somit das Geschäft mit Geld endgültig vom Landesherrn entzogen.
Vermutlich nur noch fünf Exemplare vorhanden
Erzbischof Siegfried, Landesherr von 1275 bis 1297, richtete in Dorsten eine Münzstätte ein. Nur unter seiner Regierung lassen sich in dieser Zeit in Dorsten geprägte Münzen nachweisen. Allerdings ist eine Dorstener Münzstätte jener Zeit urkundlich niemals erwähnt worden. Auch lassen sich Münzmeister nicht nachweisen. Die mittelalterliche Münzstätte in Dorsten war, wie die Prägungen der Dorstener Münzen zeigen, keine ordentlich arbeitende Münzstätte. Die Münzbilder zeigen, dass Dorsten völlig im Einflussgebiet der Münzstätte Münster lag. Die „Dorstener Pfennige“ sind Abarten der münsterschen Prägungen und in den Urkunden auch niemals unter eigenem Namen genannt worden. Der „Dorstener Pfennig“, nach 1275 geprägt, wog zwischen 1,3 und 1,4 Gramm. Heute ist die Münze sehr selten. Es gibt vermutlich nur noch fünf Exemplare. Auf der Vorderseite ist ein thronender Geistlicher mit Mitra und Krummstab zu sehen. Wissenschaftler meinen, dass er der Münzherr Bischof Eberhard von Münster ist. Die Rückseite zeigt das Brustbild eines Heiligen. In der Umschrift ist der Dorstener Stadt-Name zu erkennen.
Mit wenig Silber geprägt und somit in die eigen Tasche gewirtschaftet
Dorstener Prägungen sind auch unter Kurfürst Maximilian Heinrich von Bayern aus dem 17. Jahrhundert bekannt. Zur damaligen Zeit gab es in Westfalen drei Münzstätten: Geseke, Dorsten und Recklinghausen. In Dorsten wurde unter kurfürstlichem Namen und Wappen auf Rechnung des Bürgermeisters und Stadtrates geprägt; zudem ist anzunehmen, dass in Dorsten auch eine erzbischöfliche Münzstätte gearbeitet hatte. Aus nicht bekannten Gründen war der Stadt Dorsten 1653 das Recht eingeräumt worden, einen bestimmten Betrag in Achthellerstücken zu prägen und auf diese Namen und Wappen des Kurfürsten zu setzen.
Die Dorstener „Fettmännchen“ waren äußerst unbeliebt
Die spärlichen Kenntnisse über die Dorstener Münzanstalt verdankt man der unrühmlichen Tatsache, dass die Dorstener Münzmeister zwischen 1653 und 1659 schlechtes Geld prägten, weil sie einen großen Teil des Silbers in die eigene Tasche steckten und Münzen prägten, die zu dünn, zu klein und zu wenig Silbergehalt hatten. Daher waren die Dorstener Kleinmünzen, die „Fettmännchen“ genannt wurden, in der Region als Münzen äußerst unbeliebt. Zudem führte der außerordentlich geringe Silber- und somit Mindergehalt Dorstener Münzen dauernd zu Klagen, Protesten und Verboten. Die Münzen aus Dorsten sahen nur noch aus wie Karikaturen ordnungsgemäßer Münzen. Der Landesherr ließ die Dorstener gewähren. Zu vermuten ist, dass die Dorstener kräftig in die Tasche fassten und sich das Recht des Münzprägens vom Landesherrn erkauft hatten. Denn der Landesherr benötigte dringend Geld und ließ es gegen bessere Einsichten auch von schlechten Münzstätten – wie Dorsten eine war – prägen.
Klagen über das schlechte Geld wurden dann doch sehr laut
Dorsten verlangte immer wieder neue Bewilligungen zum Prägen von Münzen mit der Begründung, dass es an Zahlungsmitteln mangele. Als der Stadt die schlechte Qualität ihrer „Fettmännchen“ vorgehalten wurde, wies der Bürgermeister dies zurück mit dem Bemerken, der Stadt seien Klagen nicht zu Ohren gekommen, im Gegenteil, die Brabanter würden große Mengen des Geldes abnehmen. Damit haben Bürgermeister und Rat – vermutlich ohne es zu wollen – in naiver Weise eingestanden, dass die Dorstener Münzen nicht für den Ortsverkehr bestimmt waren, sondern für den Export. Drei landesherrliche Bewilligungen des Münzprägens für 2000 Taler sind bekannt, dazu kommt die erlaubte Aufarbeitung eines vorbereiteten Silbervorrats von weit mehr als 60 Mark. Als die Klagen über das schlechte Dorstener Geld dann doch zu laut wurden, missachtete die Stadt den Befehl, die Münzarbeit einzustellen. Die landesherrliche Verbotsorder war sogar der Anlass für eine weitere Bewilligung. Heinrich Roth hieß der Dorstener Münzmeister, der das schlechte Geld herstellte. Die gesamten Vorgänge um die Münzstätte Dorsten wurden ziemlich geheimnisvoll behandelt. Die Düsseldorfer Regierung stellte fest, dass Roth, der in einem gedruckten Regierungsblatt Küthe genannt wird, im eigenen Hauskeller präge und ein reicher Jude sein Verleger (Geldgeber) sei. Ob und was daran wahr sein mochte und wie die Stadt Dorsten dazu stand, ist nicht bekannt. Juden hat es zu dieser Zeit in Dorsten nachweislich nicht gegeben.
Weiterhin massenweise Münzen mit falschem Silberanteil geprägt
Aus dieser gemeinschädlichen städtischen Prägung ist offensichtlich eine kurfürstliche Münzstätte in Dorsten hervorgegangen. Während die Stadt anscheinend nur „Acht Heller“ schlug und anfangs ihr Wappen ziemlich unauffällig als eine Art Münzzeichen darauf setzte, so dass man die Stücke damals als landesherrlich ansehen musste, wurden auch Beschwerden über die sogenannten „Blafferte“ bekannt, die massenweise in Dorsten geprägt wurden. Auch diese Münzen waren nicht in Ordnung. Ihnen fehlte der vorgeschriebene Silberanteil und sie waren um acht Gramm zu leicht. Auch wurde gerügt, dass der Münzmeister Peter von der Rener, nicht vereidigt war. Jetzt wurde es auch dem Landesherrn zu bunt. Kurfürst Max Heinrich selbst sorgte für Abhilfe. Der Statthalter des Vests, Marschall von Nesselrode, schrieb am 21. Mai 1680 an die Regierung in Düsseldorf, sein Kurfürst habe dem Dorstener Münzmeister weiteres Prägen verboten und demselben außerdem unter Androhung von 200 Goldgulden Strafe befohlen, die Stempel, das vorbereitete Metall und die fertigen Münzen an ihn, den Statthalter, abzuliefern. Er, Nesselrode, habe die Stempel und wenige fertige Münzen erhalten, erstere nach Bonn abgeliefert und letztere in Verwahrung genommen. Metall sei nicht vorhanden gewesen. Dorsten durfte keine Münzen mehr prägen und war aus dem Geschäft.
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