Von Wolf Stegemann
(17. Februar 2022) – Frank-Walter Steinmeier, seit 2017 Bundespräsident und vor wenigen Tagen für die nächsten fünf Jahre wiedergewählt, besuchte mehrmals Dorsten bzw. Holsterhausen, allerdings nicht als Bundespräsident, sondern als Schüler, Student und zuletzt als Staatssekretär und Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei. Er besuchte seine Verwandten in Dorsten, unter denen in Holsterhausen Liselotte Topp, geborene Steinmeier, seine Großkusine ist. Als deren Vater August Steinmeier 1998 starb, kam dessen Cousin Walter Steinmeier mit seinem Sohn Frank-Walter zur Bestattung auf dem Waldfriedhof. Die Geschichte der Familie Heinrich Steinmeier in Dorsten ist ein Spiegelbild sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse jener Zeit ab 1911 – auch in Holsterhausen, das damals noch eine eigenständige Gemeinde war, bis diese 1943 als Stadtteil Dorsten angegliedert wurde.
Drei Generationen Steinmeier an der Breslauer Straße in Holsterhausen
Heinrich Steinmeier, geboren 1870 in Brakelsiek (Lipperland) und später Großvater des Bundespräsidenten, arbeitete in jungen Jahren in Nord- und Süddeutschland, heiratete 1899 Luci Büngerer und zog mit ihr und seinem 1908 in Warburg geborenen Sohn August 1911 nach Holsterhausen. Im ersten Weltkrieg war er Soldat und baute in der Kronprinzenstraße (seit 1956 Breslauer Straße) ein Haus, das sich heute noch im Familienbesitz befindet. Zugleich gründete Heinrich Steinmeier ein Lebensmittel- und Fuhrgeschäft. Danach war er bis 1930 auf der Zeche Baldur beschäftigt. Der folgende Ruhestand war für ihn wohl die Zeit des „Siedlerstolzes“, so berichtete damals die Zeitung. Der leidenschaftliche Raucher hatte im Ruhestand 90 Ruten Gartenland am Haus mit dem Spaten umgegraben, die heute bebaut sind (nach der preußischen Flächenrute sind das 2061 Quadratmeter). Heinrich Steinmeier war Mitbegründer des Gartenbauvereins und wurde deren Ehrenmitglied. Seine Frau Luci half im gemeinschaftlichen Unternehmen mit, bis es 1930 an Teggelkamp verpachtet wurde. Seitdem war ihre Lieblingsbeschäftigung das Stricken. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, darunter August, der in der evangelischen Martin-Luther-Gemeinde Holsterhausen Presbyter war, der ältere Sohn starb 1934. Heinrich Steinmeiers Bruder in Brakelsiek, wo auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geboren wurde, musste in Zeiten der großen wirtschaftlichen Not seine Familie als Saisonarbeiter oft verlassen. Heinrich Steinmeier starb 1951 in Holsterhausen.
Familiensitz in der Kronprinzenstraße, heute Breslauer Straße
Sein 1908 in Warburg geborener Sohn August, der mit seinen Eltern als Dreijähriger nach Holsterhausen kam, übernahm nach dem Tod seiner Vater den Familienbesitz an der Kronprinzenstraße. Er besuchte die Wilhelmschule und erlernte anschließend das Baumöbelschreinerhandwerk bei der Firma Koch auf der Hardt und arbeitete in seinem Metier in verschiedenen Firmen. 1936 heiratete er Luise aus Frankfurt am Main, die 1928 nach Holsterhausen gekommen war (Foto). Sie lernten sich bei einem Verwandtenbesuch kennen. Die Familie wohnte in der Kronprinzenstraße, die seit 1953 Breslauer Straße heißt. August Steinmeier trieb viel Sport. Dadurch war eine Kniescheibe auf Dauer lädiert, so dass er 1939 nicht gleich zum Krieg eingezogen wurde. Doch dann kam er doch noch an die Ostfront, wo er sich die Zehen erfroren hatte und für ihn der Krieg in einem Lazarett in Polen zu Ende war. 1947 fing er in der Holsterhausener Baufirma Schaub an und war dort bis zur Rente 26 Jahre lang als Baumöbelschreiner tätig.
Stadtrat, Geschworener, Schütze, Presbyter, Sänger und Turner
Nebenher setzte sich August Steinmeier für das Allgemeinwohl ein. Er war in vielen Ehrenämtern tätig. Sein Chef stellte ihn dafür frei, wenn es sein musste: „Ja, August, du kannst…“ sagte er dann. Von 1949 bis 1960 saß er für die CDU im Stadtrat und in etlichen Ausschüssen. Er setzte sich 1953 für die Umbenennung der damaligen Königstraße in Martin-Luther-Straße ein, was katholische Anwohner verhindern wollten. Drei Jahre lang war August Steinmeier Geschworener beim Landgericht Essen, von 1949 bis 1951 Presbyter in der evangelischen Martin-Luther-Kirche in Holsterhausen, er war Mitglied im Gesangsverein und im evangelischen Kirchenchor sowie im Jünglingsverein. August Steinmeier trat schon 1926 dem Schützenverein Holsterhausen-Dorf bei, war hier auch Kassenprüfer. Zudem liebte er das Turnen am Barren, war Mitglied im Sportverein BVH und mit dem damaligen Stadtdirektor Salamon freundschaftlich verbunden. Seine Tochter Liselotte, verwitwete Topp, erinnert sich: „Mein Vater war ein Kämpfer. Überspitzt gesagt kämpfte er für jede Straßenlaterne. Er kümmerte sich als Stadtrat aber auch darum, dass in Holsterhausen damals die Straßen geteert wurden.“. – August Steinmeier war in den letzten Lebensjahren fast erblindet. Als er 1998 starb, kamen zu seiner Beerdigung auf dem Waldfriedhof Holsterhausen sein noch lebender Cousin Walter Steinmeier mit dessen Sohn Frank-Walter Steinmeier, dem heutigen Bundespräsidenten (Foto: Rechts Frank-Walter Steinmeier im Jahr 1998 mit seinem damaligen Chef, dem späteren Bundeskanzler Schröder).
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