Von Helmut Frenzel
24. Februar 2022. – Die „Dorstener Zeitung“ (DZ) veröffentlichte am 21. Februar 2022 einen Artikel unter der Überschrift „Auch der Landrat hält das Derivatgeschäft mit der WestLB für legitim“. Er kann nicht unwidersprochen bleiben, weil er falsche Behauptungen enthält. Es geht einmal mehr um den verlustträchtigen Forward Zahlerswap, den die Verwaltung 2009 abschloss und der inzwischen mit einem Verlust von 13 Millionen Euro in den Büchern der Stadt steht. Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Landrats als Träger der Unteren Kommunalaufsicht schreibt die DZ, nunmehr sei zum vierten Mal von unabhängiger Seite bescheinigt worden, dass das umstrittene Finanzgeschäft „ juristisch nicht zu beanstanden“ sei und mehrere Staatsanwälte keine Anhaltspunkte dafür gefunden hätten, dass das Geschäft ein Fall von Untreue sei. Diese Behauptung ist unwahr.
Die Staatsanwaltschaft wurde zweimal mit dem Fall befasst. Eine Anzeige wegen Untreue, die der Verfasser dieses Artikels 2016 erstattete, wurde abgewiesen. Die Begründung: Das Geschäft sei nicht zu beanstanden, da es ein damit verbundenes Darlehensgeschäft gebe. Ein solches Darlehen wird in einem Ministererlass von 2006 gefordert. Dabei geht es nicht um irgendeine bürokratische Spinnerei. Ein langfristiges Darlehen, das in Volumen und Laufzeit mit dem Zinsswap übereinstimmt und verzahnt ist, begrenzt das Verlustrisiko. Der Verzicht auf ein „konnexes“ Darlehen öffnet dagegen die Tür für unbegrenzte Verluste. Wie die Verluste dann aussehen können, erlebt gerade die Stadt Dorsten mit dem exorbitanten Verlust bei dem Forward Zahlerswap von 13 Millionen Euro. Ohne ein konnexes Darlehen ist ein Zins-Swap kein Zinssicherungsgeschäft sondern ein Zinsspekulationsgeschäft und Spekulationsgeschäfte sind einer Gemeinde nicht erlaubt. Dass es ein konnexes Darlehen gebe und der Zahlerswap die rechtlichen Vorgaben beachte, entsprach 2016 der Darstellung der Verwaltung. Die Staatsanwaltschaft hat offenbar nicht geprüft, ob es ein konnexes Darlehen wirklich gibt, und daher die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens auf der Grundlage falscher Fakten abgelehnt.
Anfang 2021 wurde bekannt, dass es dieses konnexe Darlehen tatsächlich nicht gibt. Der Bürgermeister selbst hat das in einer Ratsvorlage öffentlich gemacht. Der Streit um den Forward Zahlerswap entbrannte damit neu. Nun ging es explizit um die Frage: war das Geschäft zulässig oder nicht. Daraufhin erstattete die Ratsfraktion „feat.Die Linke“ ihrerseits Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Nach allem, was man weiß, prüfte diese überhaupt nichts. Auf Anfrage von Dorsten-transparent teilte die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Essen in einem Satz mit, die Aufnahme von Ermittlungen sei wegen Verjährung der angezeigten Vorgänge abgelehnt worden. Die Antwort der Pressestelle enthält darüber hinaus einen Hinweis, der irritierend ist: derselbe Sachverhalt sei bereits 2016 Gegenstand der Prüfung eines Anfangsverdachts gewesen. Das heißt, die Staatsanwaltschaft hat noch nicht einmal erkannt, dass sich der angezeigte Sachverhalt gegenüber 2016 in einem entscheidenden Punkt grundlegend gedreht hatte: es gibt jetzt auf einmal kein konnexes Darlehen. Auf einen entsprechenden Hinweis von Dorsten-transparent hat die Staatsanwaltschaft Essen bis heute nicht reagiert.
Staatsanwaltschaft prüfte nicht die Existenz eines konnexen Darlehens
In Anbetracht dieser Fakten entbehrt die Behauptung, mehrere Staatsanwälte hätten keine Anhaltspunkte für einen Fall von Untreue gefunden, jeder Grundlage. Die Frage nach dem Vorhandensein eines konnexen Darlehens ist von keiner Staatsanwaltschaft geprüft und beurteilt worden. Aus dem Ablauf der beiden Verfahren ist zu schließen, dass auch kein Interesse bestand, solche zu finden.
Damit nicht genug schreibt die DZ, die Stadt habe ja mit dem Derivatgeschäft kein Geld verloren, bisher gebe es lediglich einen „bilanziellen Verlust“, ein „Minus auf dem Papier“. Dieses Argument ist ein Griff in die Mottenkiste der kameralistischen Buchführung. Da wurden Verluste gebucht, wenn sie realisiert wurden, das heißt: wenn sie bezahlt wurden. Da konnte man Verluste bei Finanzgeschäften bequem in die Zukunft verschieben und Außenstehende haben noch nicht einmal etwas davon mitbekommen. Dieser paradiesische Zustand wurde 2008 beendet. 2009 wurde das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) eingeführt, das seit Menschengedenken in Unternehmen etabliert ist. Da gelten andere Regeln. Ein Kursverlust bei Wertpapieren, ein Verlust bei einem Zinsswap oder ein Währungsverlust bei einem Schweizer-Franken-Kredit muss im Jahr des Entstehens gebucht werden. Und das heißt: In Höhe solcher Verluste entsteht ein Verlustbeitrag in der Jahresergebnisrechnung und in der Folge eine Vernichtung von Eigenkapital – unabhängig davon, ob die Stadt die Verluste bezahlt hat oder nicht. Das verlorene Eigenkapital muss wiederaufgebaut werden und dafür werden die Bürger zur Kasse gebeten: durch Erhöhung von Steuern und Abgaben bis an die Schmerzgrenze und durch Herunterfahren der kommunalen Leistungen. Und so ist es in Dorsten geschehen. Dorsten hat durch Zinsspekulationsgeschäfte und die spekulative Aufnahme von Krediten in Schweizer Franken unter Einbeziehung der bei WinDor entstandenen Schäden seit 2008 Verluste von 50 bis 55 Millionen Euro erlitten. Das waren zuerst immer Buchverluste. Aber davon ist ein großer Teil inzwischen von der Stadt gezahlt worden und die noch nicht realisierten Buchverluste harren ihrer Bezahlung.
Auf Anfrage von Dorsten-transparent hat es die Verwaltung abgelehnt, Rechenschaft über die Verluste abzulegen und eine Gesamtübersicht zu veröffentlichen. So viel zum Demokratieverständnis der Stadtspitze, – allen voran des Bürgermeisters, – zu dem wie selbstverständlich die Pflicht zur Transparenz gehört. Die DZ sollte immerhin den Sprung in die neue Zeit schaffen und nicht länger das Märchen von den „Verlusten auf dem Papier“ verbreiten, die angeblich nicht so schlimm sind. Die Dorstener haben längst dafür gezahlt und werden weiter dafür zahlen.
- Auf die Stellungnahme des Landrats kommen wir zurück, wenn das Rechtsgutachten veröffentlicht ist, auf das der Landrat Bezug nimmt.