Von Wolf Stegemann
4. Novemebr 2021. – Seit Einrichtung dieser Stelle im Jahre 1986 achtete Vera Konieczka auf die Gleichstellung zwischen Mann und Frau im Rathaus. Seit 2006 unterstützt das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) die Arbeit. Das Gesetz sieht ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen aktiver Förderung von Benachteiligten, Prävention und Schutz vor Diskriminierungen (siehe Frauenförderplan). – Zum Nachdenken: Unlängst meldete sich der Schauspieler Michael Brandner (62), ein recht männlich-strotzender Typ, zu Wort und beklagte, dass sich im deutschen Film und Fernsehen „der unentschlossene, wankelmütige Mann“ durchgesetzt habe. „Ich weiß nicht, ob es an den Redakteurinnen liegt, die das forcieren: Der Mann als schwächeres Glied ist ein vogue“, sagte der Schauspieler. Momentan (2014) gebe es kaum Serien, die starke Männertypen bevorzugten. – Vielleicht ein Thema für die Frauenkulturtage? Um Diskriminierungserfahrungen und ihr Ausmaß sichtbar zu machen und Betroffene künftig besser unterstützen zu können, hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im September 2015 die bislang größte Umfrage zu Diskriminierungserfahrungen in Deutschland gestartet. Sie dauert bis Ende November an. Diskriminisierungsorte sind Kindergärten, Schulen, Behörden, Arbeitsplätze sowie Versicherungs- und Bankgeschäfte. Die Dorstener Gleichstellungsbeauftrage nimmt Diskriminierungs- bzw. Benachteiligungsfälle entgegen.
In den ersten Jahren erfuhr sie vielfältig „männliche Sichtweisen“
Nach 35 Jahren wurde Dorstens erste Gleichstellungsbeauftragte Vera Konieczka Ende August 2021 in den Ruhestand verabschiedet „Du bist eine Institution – sowohl menschlich als auch fachlich. Wir werden Dich vermissen“, sagte Bürgermeister Tobias Stockhoff bei seiner Rede, die er bei der Verabschiedung von Vera Konieczka hielt und ihr die Ehrennadel der Stadt Dorsten in Silber verlieh. Außerdem überreichte er ihr ein Schreibset, denn die 65-Jährige hat verraten, dass sie sich künftig mehr ihrer Leidenschaft, der Satire, widmen möchte.
Die Frauenkulturtage – vom damaligen Kulturamt ins Leben gerufen – hatte sie von der zweiten Auflage an mitgestaltet und komplett übernommen. Die Frauenkulturtage wurden eine über die Grenzen der Stadt hinaus bekannte Marke aus einer bunten Mischung aus Kleinkunst, Musik, Lesungen, Ausstellungen und Diskussionen. Frauenförderung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen in Führungspositionen, die Begleitung von Einstellungsverfahren unter dem Blickwinkel von Gleichstellung, das Sichtbarmachen von Frauen in der Sprache – all das waren die Themen, denen sich die Gleichstellungsbeauftragte innerhalb der Stadtverwaltung widmen musste. Ihr Job war in den ersten Jahren nicht bei allen gut angesehen, auch nicht bei ihren Kollegen und Kolleginnen im Rathaus und in den Lokalparteien. Gewalt gegen Frauen – Vera Konieczka engagierte sie sich dafür, dass das Dorstener Frauenhaus in die Landesförderung aufgenommen wurde. Allerdings musste sie sich zu Beginn ihrer 35-jährigen Dienstzeit immer wieder in der von Männern dominierten Ratshausverwaltung durchsetzen. Und anfangs nicht nur gegen „männlich einbetonierte Sichtweisen“ gegenüber Frauen allgemein, sondern auch gegen ihre Person als Frau und Gleichstellungsbeauftragte im eigenen Haus, in dem sie in den 35 Jahren 16-mal das Büro wechseln musste.
Kim Wiesweg trat Anfang November die Nachfolge von Vera Konieczka an
Bürgermeister Tobias Stockhoff begrüßte Anfang November 2021 Kim Wiesweg als neue Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadtverwaltung Dorsten und stellte sie im erweiterten Verwaltungsvorstand vor, dem die Gleichstellungsstelle ebenso wie der Personalrat angehören. Kim Wiesweg wurde 1997 in Coesfeld geboren, war Schulsozialarbeiterin der Gemeinde Reken, zog 2018 nach Dorsten, wo sie seit 2021 für kurze Zeit im Stadtrat die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ vertrat, deren Bundestagskandidatin 2021 sie im Wahlkreis Bottrop-Recklinghausen III war. Im August 2021 wurde Kim Wiesweg als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dorsten mit Amtsantritt im November eingestellt.
Die neue Gleichstellungsbeauftragte studierte an der Westfälischen Hochschule Bocholt das Fach Wirtschaft, wechselte 2016 zur Steinbeis Hochschule NRW, die sie 2019 mit „Bachelor of Social Management“ abschloss. Von 2016 bis 2019 arbeitete Kim Wiesweg neben ihrem Studium als studentische Hilfskraft bei der Caritas in Bocholt. Nach dem Studium war sie ein Jahr lang als Sozialarbeiterin im Bereich der ambulanten Familienhilfe im Unternehmen „Freiraumwohnung GmbH“ in Schermbeck tätig. Seitdem ist sie als Schulsozialarbeiterin der Gemeinde Reken sowie als Verfahrenspflegerin für das Amtsgericht Gladbeck tätig. Im März 2021 wurde Kim Wiesweg Sprecherin der Ortsverbandes Dorsten der Partei Bündnis 90/Die Grünen und einen Monat später rückte sie in den Stadtrat nach.
Die SPD-Ratsfraktion kritisierte die Besetzung der Gleichstellungsstelle mit der grünen Ratsfrau Wiesweg aus lokalpolitischen und vielleicht auch aus wahlkampftaktischen Gründen. Fraktionsvorsitzender Friedhelm Fragemann: „Der schwarz-grüne Kuschelkurs der letzten Monate entpuppt sich als personalpolitisch motivierter Schachzug!“ Die Stadtverwaltung wies dies zurück. Aufgrund normierter Verfahren bei der Einstellung aller Beschäftigten der Verwaltung könne es sich gar nicht um einen politischen Schachzug handeln. Rund 30 Bewerbungen waren auf die extern ausgeschriebene Stelle eingegangen, acht Bewerberinnen habe man zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, an denen der Bürgermeister sowie Vertreter des Personalrats, der Personalabteilung und die Gleichstellungsbeauftragte teilgenommen hatten. Für seine öffentliche und haltlose Kritik an der Besetzung der Gleichstellungsstelle im Rathaus bekam Fragemann Gegenwind: Die Grünen forderten eine öffentliche Entschuldigung. Fragemann verkenne, so die Grünen, dass es sich bei der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten nicht um ein politisches Amt handele und die Stadtverwaltung nach dem Prinzip der Bestenauslese handeln musste: „Mit diesen haltlosen Unterstellungen wirft Fragemann nicht nur der Stadtverwaltung rechtswidriges Verhalten vor, er diskreditiert auch völlig die fachliche Eignung von Kim Wiesweg.“ Fragemann und die SPD haben sich nicht entschuldigt.
Bei ihrem Amtsantritt am 2. November 2021 sagte Kim Wiesweg: „Ich freue mich auf die neue Herausforderung in meiner Heimatstadt und hoffe, dass ich zu den Themen Gleichstellung und Chancengleichheit neue Impulse geben kann!“