Kommentierende Darlegung von Helmut Frenzel
21. September 2021. – Der Forward Zahlerswap, ein Zinsspekulationsgeschäft aus dem Jahr 2009 mit einem Volumen von 25 Millionen Euro und einer Laufzeit von 2033 bis 2053, steht im Jahresabschluss 2020 der Stadt mit einem Verlust von 12,9 Millionen Euro zu Buche. Nachdem Anfang dieses Jahres Zweifel an der Zulässigkeit dieses Geschäfts aufkamen, erstattete die Ratsfraktion „Die Fraktion/Die Linke“ gegen Verantwortliche der Stadt Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Essen wegen des Verdachts des vorsätzlichen Verstoßes gegen eine verbindliche Regelung des Innenministeriums. Dies hätte eine Initiative zur abschließenden Klärung der rechtlichen Zulässigkeit des Geschäfts werden können. Aber danach sieht es nicht aus. Ganz im Gegenteil.
Hat die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt zutreffend erfasst?
Anfang August fragten wir bei der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Essen nach dem Stand des Verfahrens und erhielten zur Antwort, dass die Aufnahme von Ermittlungen abgelehnt wurde. Begründung: Die angezeigten Vorgänge lägen bereits mehr als fünf Jahre zurück und damit sei die Verjährung eingetreten. Weiter heißt es, derselbe Sachverhalt sei bereits im Jahr 2016 Gegenstand der Prüfung eines Anfangsverdachtes gewesen. Dieser Nachsatz stellt alles auf den Kopf. Er lässt daran zweifeln, ob die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt, den sie aufklären sollte, überhaupt richtig erfasst hat. Denn der aktuell zur Untersuchung anstehende Sachverhalt ist nicht derselbe wie der in 2016. Er unterscheidet sich in einem für die Beurteilung der Zulässigkeit zentralen Punkt.
2016: Prüfung der Untreue ohne Akteneinsicht
Dazu ein Rückblick. Im April 2016 erstattete der Verfasser dieses Artikels seinerseits Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab, weil ihre Prüfung keine Anhaltspunkte für eine Untreuehandlung oder eine andere Straftat ergeben habe. Im Beschwerdeverfahren übernahm die Generalstaatsanwaltschaft Hamm die Sache. Es wurde viel Papier geschwärzt, aber es blieb bei der Ablehnung. Die Prüfung des Untreuevorwurfs durch die Staatsanwaltschaft beschränkte sich ausschließlich auf die in der Anzeige vorgetragenen Angaben – trotz des Hinweises, dass diese ohne Ausnahme aus den veröffentlichten Dokumenten der Verwaltung stammten. Eine konkrete Befassung mit dem Spekulationsgeschäft selbst war nicht zu erkennen. Dazu passen jüngste Äußerungen des Bürgermeisters, die darauf hindeuten, dass es 2016 nicht einmal ein Telefonat mit der Stadtkämmerei, geschweige denn eine Akteneinsichtnahme durch die Staatsanwaltschaft gab. Ein Blick in die Akte hätte sofort erkennen lassen, dass ein „konnekter“ Darlehensvertrag nicht existierte.
Vorschriften verlangen die Bindung an einen Darlehensvertrag
Immerhin wurde in einem der Schriftsätze der Generalstaatsanwaltschaft klargestellt, dass
„[…] der Abschluss eines Swap-Geschäftes nur dann gegen die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben verstößt, wenn er im Einzelfall als sogenanntes Spekulationsgeschäft und nicht als zulässiges Zinsoptimierungsgeschäft einzustufen ist. […] Ein derartiges Zinsoptimierungsgeschäft setzt einen tatsächlichen Bezug des Swap-Geschäfts zu einem Darlehensvertrag voraus […].“
Das entspricht den Regeln im Krediterlass des Innenministeriums von 2006, der den Rahmen für die Zulässigkeit von Spekulationsgeschäften der Gemeinden absteckte. Das Vorhandensein eines Darlehensvertrags mit Bezug zu dem Swapgeschäft wurde 2016 von der Staatsanwaltschaft aber eben nicht überprüft und die Strafanzeige zurückgewiesen.
Veränderte Faktenlage nicht berücksichtigt?
Nun also wurde bekannt, dass es ein dem Forward Zahlerswap zugrunde liegendes Darlehen nicht gibt. Die Verwaltung selbst hat dies in einer Ratsvorlage mitgeteilt. Damit ist ein entscheidendes Argument für die Zurückweisung der Strafanzeige von 2016 weggebrochen. Die Sachlage für die Beurteilung des Spekulationsgeschäfts hat sich folglich grundlegend verändert. Ein rational denkender Bürger würde daraus den Schluss ziehen, dass der Forward Zahlerswap der Stadt unzulässig war, weil er ohne Bindung an ein Darlehen als selbstständiges freischwebendes Spekulationsgeschäft einzustufen ist. Anderenfalls würde er eine Begründung erwarten, warum trotz Fehlens eines „konnekten“ Darlehens das Geschäft als zulässig behandelt wird. Damit ist man zurück bei der aktuellen Anzeige der Dorstener Ratsfraktion der Linken. Hat die Staatsanwaltschaft die veränderte Faktenlage bei ihrer Entscheidung berücksichtigt? Hat sie die veränderte Faktenlage überhaupt erkannt? Oder hat sie einfach die Ablehnungsentscheidung aus dem Verfahren von 2016 übernommen? Ohne, wie 2016, auch nur ein Telefonat mit der Dorstener Verwaltung zu führen oder einen Blick in die Akte zu werfen? In einer Email vom 18. August haben wir die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Essen auf den neuen Sachverhalt aufmerksam gemacht – und seither nichts mehr gehört. Trotz Nachfrage.
Niemand hat Interesse an einer Aufklärung
Wir sind der Meinung, dass es die Pflicht der Staatsanwaltschaft ist, die Zulässigkeit des Forward Zahlerswap unter Heranziehung der Vertragsakte zu prüfen. Hätte sie 2016 genauer hingeschaut, wäre noch vor dem Eintreten der Verjährung klar geworden, dass das Geschäft rechtlich unzulässig war. Und selbst wenn die Verjährung greift: um die Sache zu einem Abschluss zu bringen, müsste jetzt unabhängig von der Frage der Strafbarkeit eine neutrale Aufklärung her. Doch daran hat offensichtlich niemand ein Interesse. Nicht der Dorstener Bürgermeister, nicht die Verwaltung, die selbst betroffen ist, nicht die Ratsparteien, die tatenlos zugeschaut haben, auch nicht die Aufsichtsbehörden, damit sind die untere Kommunalaufsicht beim Kreis und die obere Kommunalaufsicht bei der Bezirksregierung gemeint, die jederzeit von diesem und anderen fragwürdigen Geschäften der Gemeinden gewusst und weggeschaut haben, und auch nicht die Gemeindeprüfungsanstalt, die den Gemeinden Anfang der 2000er Jahre den Abschluss solcher Geschäfte nahelegte. Zudem haben offenbar auch andere Kommunen verlustträchtige Spekulationsgeschäfte abgeschlossen. Über alles Mögliche gibt es Statistiken, nur darüber nicht. An dieser heißen Kartoffel will sich niemand die Finger verbrennen. Das könnte auch die von der Staatsanwaltschaft geübte Zurückhaltung erklären.
Im Hinblick auf die Verjährung geht es übrigens nicht nur um den Tatbestand der Untreue. Die Verantwortlichen, die in den veröffentlichten Dokumenten – zweifellos mit Absicht – den Eindruck erweckten, dass es einen Darlehensvertrag zu dem Zinsswap gebe, und so die Bürger täuschten, haben den Beamteneid geschworen, der sie zur Wahrheit verpflichtet. Ist der Verstoß gegen die Wahrheitspflicht auch verjährt? Der letzte Vorhang über dem Drama scheint noch nicht gefallen.
Siehe zum Thema bereits veröffentlichte Beiträge:
Umstrittenes Spekulationsgeschäft der Stadt: Nun sollen die Gemeindeprüfungsanstalt und die Staatsanwaltschaft die Zulässigkeit klären
Ich muss mich danken, da es äußerst schwierig ist, großartige Daten wie Ihr Blog zu verfolgen, dank der Teilen dieses Artikels. Ich warte auf deine nächsten Artikel,