Von Wolf Stegemann mit kommentierenden Passagen
20. August 2021. – Das Gendern, von Befürwortern als „geschlechtergerechte Sprache“ bezeichnet, hat in die gesprochene und geschriebene Sprache schon längst Einzug gehalten. Sowohl bei den Nachrichtensprechern (jetzt müsste hier zusätzlich stehen … und Nachrichtensprecherinnen) von ARD und ZDF als auch in vielen bundes-, landes- und lokalpolitischen Verlautbarungen. Sie machen beispielsweise nach Aussprache des Wortes „Zuhörer“ eine Pause und setzen es fort mit „…innen“. Damit wird das Gender-Sternchen angedeutet. Und das bis zu zehnmal in einem Text. Sie verstoßen damit eindeutig gegen die Empfehlungen der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS). Diese dem Zeitgeist geschuldeten Sprachverrenkungen sind leider auch im „Duden“ zu lesen, was Sprachforscher (jetzt müsste hier zusätzlich … und Sprachforscherinnen stehen) ziemlich übereinstimmend verurteilen und ihm jetzt die Banderolenbezeichnung „maßgeblich in allen Zweifelsfragen“ absprechen. Sollte beispielsweise in einem Zug jemand umfallen und einer ruft „Ist ein Arzt anwesend?”, dann würde das laut Duden so gemeint sein, dass damit ein männlicher Arzt gemeint ist. Wo Mieter, Lehrer, Arzt und Apotheker bislang geschlechtsneutral genutzt werden konnten, müsse man laut Duden von nun an beide Formen verwenden. Viele tun dies bereits. Übrigens argumentiert die Sprachforschung gegen das Gendern („ideologische Spaltprozesse) allgemein. Vor allem, ist das Lesen „gegenderter“ Behördentexte anstrengend. Denn sie sind oft in unbeholfenen sprachlichen und bürokratischen Verrenkungen geschrieben – im hilflosen Bemühen um eine gendergerechte Ausdrucksweise.
Im Deutschen ist politisch korrektes „Gendern“ schwieriger als in einer romanischen Sprache, da viele Formen besonders im Plural durch Umlaute gebildet werden, zum Beispiel: Köche – Köchinnen, Ärzte – Ärztinnen, aber auch Kunden – Kundinnen usw. Wie will man da geschlechtergerecht mit dem * arbeiten? Köch*innen? Ärzt*innen, Kund*innen? Wo bleibt dann die maskuline Form? In einer Veröffentlichung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst war kürzlich zu lesen: „Ein*e private*r Mäzen*in kann seine*n Künstler*innen unterstützen, indem die*er seine Spende zweckgebunden an eine gemeinnützige oder staatliche Kultureinrichtung in Hessen überweist, die die Betrag dann an die*den Künstler*in weiterreicht.“ Und in einer Meldung der Hamburger Polizeigewerkschaft stand: „Die Durchsuchung führte zur Ergreifung von einem Bösewicht & zwei Bösewichtinnen…“
Dorstener Integrationsrat musste Geschäftsordnung umschreiben
Im August 2021 versuchte sich der neugegründete „Dorstener Integrationsrat“ an der Gender-Sprache, worüber die „Dorstener Zeitung“ (DZ) in ihrem Artikel berichtete mit dem Titel „Dorstener Integrationsrat erlebt Premiere: Gender-Deutsch auf Papier“. Doch der Versuch, die Geschäftsordnung des Integrationsrats auf Veranlassung der Verwaltung gendergerecht zu verfassen, scheiterte durch zwei formale Fehler. Außerdem habe die Verwaltung festgestellt, so Claudia Engel in der DZ, dass ein Hinweis in einer Vorbemerkung des ursprünglichen Formats nicht ausgereicht hatte, den Männern und Frauen im Integrationsrat in gleicher Weise gerecht zu werden. Ursprünglich hieß es in der Präambel: „Sofern die Funktionsbezeichnungen in männlicher Form geführt werden, ist aufgrund der sprachlichen Vereinfachung zugleich auch die weibliche Form gemeint.“ Das war falsch und musste daher von der Verwaltung „verbessert“ werden. Auf sieben Seiten heißt es jetzt gendergerecht: Vertreter und Vertreterinnen, der Vorsitzende/die Vorsitzende, Stellvertreter_innen, ein Betroffener/eine Betroffene oder der Redner/die Rednerin. Und in der korrigierten Geschäftsordnung heißt es jetzt: „Die GO war nicht durchgehend in einer gendergerechten Sprache abgefasst… Die Präambel war fehlerhaft formuliert.“ – Ist es denn ein Fehler, nicht zu gendern? Wenn es einer ist, dann müsste die Stadtverwaltung auch das Projekt „Sportler des Jahres“ ändern, denn es werden ja auch Sportlerinnen geehrt. Bislang nicht geschehen!
Limonade in Österreich: Vom „Almdudler“ zum/zur „Almdudler*in“
Darüber machte sich offensichtlich auch ein österreichischer Limonadenhersteller Gedanken. Sein Produkt hieß bis jetzt „Almdudler“, seit Ende 2020 umbenannt in „Almdudler*in“. Die Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ (Verein für Sprachpflege) fragte in einem Artikel kommentierend: „Warum verdirbt Almdudler seine Limonade mit sprachlichem Unkraut? Warum nimmt der Limonadenhersteller keine Rücksicht auf Kunden, denen die deutsche Sprache wichtig ist?“
„Amtliches Regelwerk“ der Kultusminister legt die Rechtschreibung fest
In Zusammenarbeit mit europäischen Ländern, in denen (auch) deutsch gesprochen wird, legt in Deutschland die Kultusministerkonferenz der Länder (müsste sie jetzt nicht Kultusminister*innenkonferenz heißen?) die Rechtschreibung fest und gibt das „Amtliche Regelwerk“ heraus, das dann in Schulen eingeführt wird. Allerdings ist dieses Regelwerk verbindlich nur für Beamte, für die Justiz, für Studierende und Schüler, natürlich auch für Schülerinnen. Einzelne Bürger (und Bürgerinnen) sind nicht verpflichtet, sich daran zu halten. Angesichts der heftigen Diskussionen über Sprachreform 1996, wurde 2004 der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ gegründet, der das „Amtliche Regelwerk“ der KMK seitdem erarbeitet. Die 41 Mitglieder kommen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und aus Luxemburg. Der Rat hält sich in der Beurteilung des Sternchen-Genderns, dem Gender-Unterstrich oder Doppelpunkt zurück, da „Texte verständlich, lesbar und vorlesbar“ sein sollen. Zum Beispiel hat Frankreich das Gendern per Dekret verboten. Die deutsche Sprache ist schwierig genug. Sie muss nicht künstlich, entsprechend dem Zeitgeist, verkompliziert und für Ausländer, was auch den Integrationsrat in Dorsten betrifft, noch unlogischer gemacht werden.
Dorstener AFD wollte im Rat Gender-Schreibweise vermeiden – abgelehnt
Die „Dorstener Zeitung“: Die AfD-Ratsfraktion hatte wegen der Anpassung der Verwaltungssprache in der jüngsten Ratssitzung im Juli einen Vorstoß unternommen, um die Gender-Schreibweise zu vermeiden. Mit breiter Mehrheit und unterschiedlichen Argumenten hatten sich die anderen Ratsfraktionen dagegen ausgesprochen. Über eine Gender-Regelung in der Dorstener Verwaltung wird derzeit beraten.
Bundes-SPD zerfleischte sich am Gender-Sternchen
Auch in der Bundespolitik gibt es Gegner (jetzt müsste hier zusätzlich stehen … und Gegnerinnen der Gender-Sprache. Die Hamburger CDU fasste einen Beschluss, die „ideologisch motivierte Gender-Sprache“ in öffentlichen Einrichtungen zu verbieten. Tatsächlich beschloss ein Landesverband Ende Juni 2021 auf einem Parteitag die Ablehnung von „grammatisch-falscher Gender-Sprache in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen“. Grammatisch falsch meint hier wohl Formen wie den Gender-Stern und das Binnen-I. Explizit in ihr Programm für die Bundestagswahl 2021 hat bislang nur die AfD das Thema aufgenommen. Dem Text zufolge ist das Gendern „eine groteske Verunstaltung der deutschen Sprache“. Die SPD zerfleischte sich Anfang des Jahres im Streit um die Identitätspolitik im Allgemeinen und das Gender-Sternchen im Besonderen, das von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz emotional verteidigt wurde.
Agnes Hürland beharrte auf Anrede „Staatssekretär“
Inzwischen wurde von Politikern vorgeschlagen, im Rahmen der Grundgesetzänderung, um „rassistische Begriffe“ zu entfernen, gleichzeitig das Grundgesetz zu gendern. „Männliche Begriffe“ wie „Bundeskanzler“ oder Bundespräsident“ sollen verfassungsgerecht auch mit „Bundeskanzlerin“ und „Bundespräsidentin“ bereichert werden. In diesem Zusammenhang sei eine Dorstener Begebenheit erzählt: Agnes Hürland (CDU), in den 1980er-Jahren Parlamentarische Staatssekretärin in Bonn, ausgestattet mit dem förmlichen Titel „Der Parlamentarische Statssekretär im Bundesministerium für Verteidigung“, beharrte darauf, förmlich auch so angesprochen und angeschrieben zu werden: „Frau Parlamentarischer Staatssekretär…“
Lediglich 14 Prozent der Bürger sind für die Gender-Sprache
Nach einer Umfrage von „YouDov“ vom Februar 2021 waren nur 14 Prozent der Bürger für Gender-Deutsch. Die deutsche Sprache braucht keine Gleichschaltung des grammatischen mit dem biologischen Geschlecht meint Ellen Presser in der „Jüdischen Allgemeinen“. Sie leitet das Kulturzentrum der Israelitischen Kulturgemeinde München und Oberbayern. „Wenn man von Jüdinnen und Juden, kurz Jüd*innen, sprechen müssen, weil Juden als maskuliner Sammelbegriff unzulässig geworden ist, dann bekommen Leute wie ich, also Juden, auf neue Weise einen Stern verpasst…“
________________________________________________________________