Ein nicht durchgängig ernst gemeinter glossierter Beitrag von Wolf Stegemann
29. Juni 2021. – Wer vor Tagen die Dorstener Lokalzeitung aufgeschlagen hatte, mochte von einem Antrag der SPD überrascht gewesen sein. Anstatt den Tisa-Brunnen in irgendeiner Form am Markt wieder aufzustellen, sollte ein neuer Brunnen am Platz der Deutschen Einheit entstehen – mit märchenhaften Figuren aus den Büchern der in Dorsten geborenen und in den USA lebenden Autorin Cornelia Funke. Hühner, Hexen, Käfer, Drachen. Der Brunnen sollte dann auch nach der Kinderbuchautorin benannt werden. Unwillkürlich mag der Leser auf das Datum der Zeitung geschaut haben – war es eine 1. April-Ausgabe oder war sie zum Karneval erschienen? Keineswegs.
Mittlerweile hat die von Bürgermeister Tobias Stockhoff forcierte öffentliche Diskussion, ob der Tisa-Brunnen wieder aufgebaut werden soll, ein Niveau erreicht, dass die Künstlerin und frühere Ehrenbürgerin Tisa von der Schulenburg herabsetzt und auch der Sache überhaupt nicht dient. Da werden über Facebook Informationen veröffentlicht, die falsch sind. Und es verwundert, dass diese Falschmeldungen von Leuten aufgegriffen werden, die es besser wissen bzw. besser wissen müssten.
Zurück zum Antrag der SPD, den Tisa-Brunnen mit einem Cornelia-Funke-Brunnen zu ersetzen. Hat die SPD denn schon vergessen, dass sie an der Abschaffung kunstvoll gestalteter Brunnen in der Stadt politisch beteiligt war, zuletzt am Tisa-Brunnen? Und jetzt will sie einen neuen Brunnen errichten lassen?
Nebenbei bemerkt: Brunnen oder Straßen nach verdienten Persönlichkeiten zu benennen, geschieht (meist) nach deren Ableben. Das ist guter Stil. Und welches Verdienst hat Cornelia Funke? Sie ist eine erfolg- und ideenreiche Autorin. Ihre Bücher sind Bestseller. Das ist aber kein Kennzeichen für herausragende Literatur und für einen bemerkenswerten Schreibstil. Lediglich ein Merkmal für guten Verkauf und Umsatz, wie das Wort Bestseller auch sagt. Cornelia Funke verdient gut an ihren Büchern. Kann man das aber als Verdienst für eine Stadt ansehen, um ihr einen Brunnen zu widmen? Cornelia Funke selbst hält zwar einen Brunnen, der ihren Namen trägt für „interessant“, plädiert aber, wie die Dorstener Zeitung (29. Juni) berichtete, für den Nachbau des bereits verschwundenen Tisa-Brunnens.
Für den Nachbau an alter Stelle auf dem Markt votierten die meisten Leser der Dorstener Zeitung, die sich zu dem Thema gemeldet hatten. Darüber braucht man nicht mehr zu argumentieren und zu diskutieren. Über das vom Bürgermeister Stockhoff verantwortete langwierige Verfahren allerdings schon.
Tisa-Brunnen wieder aufbauen, im Geiste Tisas neu bauen oder ganz weg?
Da stellt sich einem die Frage, warum dieses Verfahren eingeleitet wurde und durchgeführt wird, man zu etlichen Zwischenergebnissen und zu einer teils niveaulosen Debatte kam. Am Mittwoch (30. Juni, 17 Uhr) soll in der Ratssitzung im Gemeinschaftshaus Wulfen eine der drei vorgeschlagenen Optionen beschlossen werden: 1) Nachbau des abgerissenen Tisa-Brunnens am gleichen Ort. 2) An gleicher Stelle ein anderer Brunnen, der lediglich „das Wirken von Tisa zum Ausdruck“ bringen soll. 3) Kein Brunnen, lediglich eine Gedenktafel, dass hier der Tisa-Brunnen stand. Man darf gespannt sein, wie die Ratspolitiker entscheiden. Die Befürchtung, dass der Brunnen nicht wieder aufgebaut wird, wie er war, ist begründet.
Nach Meinung vieler, die sich mit dem Thema befasst haben und befassen, hätte es die gesamte monatelang geführte und von der Verwaltungsspitze immer wieder angestachelte Diskussion überhaupt nicht zu geben brauchen, hätte die Verwaltungsspitze, sprich Bürgermeister, den renovierungsbedürftigen Brunnen der Künstlerin und Ehrenbürgerin ohne Diskussion einfach wieder hergestellt, so wie er war. Denn das wäre dann ein normaler Vorgang des Bauamts gewesen, der auch der Ehrenbürgerin und angesehenen Künstlerin gerecht gewesen wäre. Durch die vom Bürgermeister angeregte öffentliche Diskussion auch mit der Möglichkeit, den Brunnen ganz weg zu lassen, wurde eine Grenze in der Betrachtung von Kunst in der Stadt und auch gegenüber dem Andenken an die Künstlerin überschritten. In einem Heft über den Aufbau der von Tisa geschaffenen Schutzmantelmadonna am Rossiniweg lässt sich der Bürgermeister 2020 in höchsten Tönen über Tisa von der Schulenburg und die „laufende Diskussion über dieses Brunnen aus“, der seit 60 Jahren mit Bildern und Texten in Beton-Reliefs die Geschichte der Stadt erzählt. Das „verdeutlicht uns die Wertschätzung der Bürgerschaft für Kunst und öffentlichen Raum …“ Kunstwerke in der Stadt, so Stockhoff, „geben der Nachbarschaft, dem Stadtteil oder der Stadt Identität.“ Da hat er recht, auch wenn in Dorsten bereits zwei kunstvoll gestaltete Brunnen wieder abgebaut wurden. Stockhoffs Worte in dem Schutzmantelmadonna-Heft interpretiert, sollte der Tisa-Brunnen wieder in der Form, wie er war, da aufgestellt werden, wo er 60 Jahre lang stand. Denn besser kann der Geist der Künstlerin, der immer wieder hervorgehoben wird, nicht verdeutlicht werden.
Vielleicht das Manneken-Pis nach Dorsten holen?
Wenn die Dorstener SPD immer noch einen weiteren Brunnen aufstellen will, dann sollte Friedhelm Fragemann und der neue Vorstand mal nach Brüssel schauen, wo der weltbekannte Manneken-Pis-Brunnen steht. Der musste bereits in den letzten Jahrhunderten erneuert und mehrmals renoviert werden. Aber ohne Diskussion ob er wegkommen, ob er wieder nachgebaut werden oder überhaupt ein anderer an seiner Stelle errichtet werden soll. Mittlerweile gibt es Nachbauten in Duisburg, Geraardsbergen, Bogense auf Fünen und sogar im Bahnhof der japanischen Stadt Hamamatsucho im Bezirk Tokio. Warum nicht auch Dorsten? Vorschlag an die SPD: Man könnte doch auch einen sprudelnden Manneken-Pis in Dorsten aufstellen und ihn nach einem verdienstvollen Lokalpolitiker benennen, vielleicht einem, der schon über drei Jahrzehnte im Rat tätig sitzt. Und vielleicht einen Cornelia-Funke-Brunnen am nach ihr bereits benannten Baumhaus am Rathaus. Dann hätten die Politiker in den nächsten Jahren wieder Brunnen zum Abreißen.
Guten Morgen. Der/die Olli hat recht. Zwar gehören wir nicht zur Jugend sondern zum Mittelstand, doch planen wir ebenfalls, nicht bis ans Lebensende in der Stadt Dorsten zu bleiben. Als Bürger/in fühlt man sich ja weder ernst noch wahrgenommen. Da gibt es freundlichere Orte. Der Brunnen ist da ja nur ein Stein des Anstoßes. Politik ohne Reflektion, so scheint es.
Lasst sie doch machen. Die Innenstadt ist sowieso verhunzt. Die ältere Generation kann sich wohl nicht trennen. Wir Jungen gehen doch gar nicht mehr in die langweilige Altstadt. Aber dass die SPD jetzt noch so ein Plätscherding aufstellen lassen will. Ehrlich, die haben den Schuss nicht gehört. Wer hat von den Jüngeren noch vor, seine Lebenszeit hier zu verplempern? Ich bestimmt nicht.