Von Helmut Frenzel
21. Mai 2021. – Am Mittwoch der vergangenen Woche fand die Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HFA) statt. Er tagte coronabedingt in Vertretung des Rates der Stadt. Alleiniges Thema war der umstrittene Forward Zahlerswap, den die Verwaltung 2009 abgeschlossen hat und der per Ende 2020 mit einem Drohverlust von rund 13 Millionen Euro in der Bilanz der Stadt steht. Der Vorsitzende der AfD-Ratsfraktion Heribert Leineweber hatte die Vertragsakte eingesehen und keine Anhaltspunkte dafür gefunden, seine Einschätzung des Swapgeschäfts zu ändern, nämlich dass dieses unzulässig ist, weil es nicht an ein Kreditgeschäft gebunden ist. Er hatte daraufhin die Sondersitzung verlangt und beantragt, die Unzulässigkeit des Derivatgeschäfts durch Beschluss des Ausschusses festzustellen. Das sahen die Ratsfraktionsvorsitzenden von CDU und SPD erwartungsgemäß anders. Sie verteidigten das Swapgeschäft als zulässig, ohne jedoch neue Argumente für ihre Haltung zu liefern, und kündigten an, den Antrag der AfD abzulehnen.
Aussprache bringt keine neuen Argumente
Allerdings war jedem klar, dass man es dabei nicht würde belassen können. Eine Klärung musste her. Zu diesem Zweck hatte Friedhelm Fragemann für die SPD-Ratsfraktion einen Antrag vorbereitet: Die Gemeindeprüfungsanstalt NRW (GPA) solle prüfen, ob beim Abschluss des Forward Zahlerswaps die rechtlichen Vorgaben hinreichend beachtet wurden. Die CDU signalisierte Zustimmung und auch die AfD zeigte sich bereit, dem Antrag zuzustimmen. Bis es soweit war, ging es noch einmal hoch her. Es wurden die schon bekannten Argumente ausgetauscht, die aber keine Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte brachten. Bemerkenswert war die Einlassung des Stadtkämmerers Hubert Große-Ruiken. Er war seinerzeit als Leiter des Amts für kommunale Finanzen an den Vorbereitungen des umstrittenen Swapgeschäfts und seinem Abschluss beteiligt. Er sprach davon, dass die Stadt sich in der fraglichen Zeit wegen der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen in einer äußerst schwierigen finanziellen Lage befunden habe. Es sei darum gegangen, mit dem neuen Zinsswap die Zahlung von einer Million Euro aus einem Vorgängergeschäft zu verhindern und so Schaden von der Stadt abzuwenden. Dass der Zinssatz sich dann so ungünstig entwickelte, habe damals niemand vorhersehen können. Er machte geltend, dass es für die Konnexität von Kreditgeschäft und Zinsswap genüge, wenn insgesamt ausreichend Kreditvolumen vorhanden ist. In Dorsten sei das der Fall. Die Swaps der Stadt seien immer Krediten zugeordnet worden. Er sei fest davon überzeugt, dass die Zinsen in Kürze steigen und der Drohverlust sich verringern werde. Er schloss mit der Frage an den Ausschuss: „Was haben wir eigentlich falsch gemacht?“
Einstimmiges Votum für Klärung durch Gemeindeprüfungsanstalt (GPA)
Am Ende der Aussprache wurde der Antrag der AfD mit den Stimmen aller Ratsparteien mit Ausnahme der AfD abgelehnt. Der Antrag der SPD-Fraktion wurde sodann einstimmig angenommen. Was die Besucher der Sitzung und offenbar auch einige Ausschussmitglieder wegen der schlechten Akustik in der Tagungshalle nicht mitbekommen hatten: Zu Beginn der Sitzung hatte der Vorsitzende von „DIE FRAKTION feat: DIE LINKE“ Manuel Seth das Wort genommen und mitgeteilt, dass seine Fraktion im Vorfeld der Sondersitzung Anzeige gegen Verantwortliche der Stadt wegen des Verdachts der Untreue erstattet hat.
Damit liegt der Ball nun im Spielfeld der GPA und der Staatsanwaltschaft. Dass die GPA zur Aufklärung eingeschaltet wurde, entbehrt nicht der Pikanterie. Ihre Aufgabe besteht darin, die Kommunen im Hinblick auf eine Verbesserung ihrer Wirtschaftlichkeit zu beraten. Sie ist eine Einrichtung des Landes und untersteht der Dienstaufsicht des für Kommunales zuständigen Landesministers. Auf eine Anfrage der Landtagsfraktion DIE LINKE antwortete der Minister im November 2011 so:
„Das Geschäft mit Zinsderivaten hat sich in vielen Kommunen als Zinssicherungsinstrument seit Jahren etabliert und bewährt und führt oftmals zur Entlastung der stark angespannten kommunalen Haushalte…
Zwischen 2004 und 2006 hat die GPA NRW in Kommunen, in denen sie erhebliche Defizite hinsichtlich eines zeitgemäßen Zins- und Schuldenmanagements festgestellt hat, Möglichkeiten zur Optimierung aufgezeigt, u. a. auch durch die Nutzung von Derivatgeschäften – verbunden mit dem Hinweis einer Prüfung der Vorteilhaftigkeit bzw. einer vorzunehmenden Risikoanalyse…
Die Durchsicht einzelner Verträge (z.B. bei Zins-Swap-Geschäften) ist nur in Ausnahmefällen erfolgt.“
GPA erwähnte im Prüfungsbericht 2017 den Forward Zahlerswap nicht
Ob es zielführend ist, nach dieser Vorgeschichte ausgerechnet die GPA mit der neutralen Begutachtung des Forward Zahlerswap zu befassen, bleibt dahingestellt. In dem Bericht der GPA über die „Überörtliche Prüfung der Finanzen der Stadt Dorsten 2017“, der den Zeitraum von 2009 bis 2015 abdeckt, werden der Forward Zahlerswap und die entstandenen Verluste der Stadt nicht erwähnt. Außer Frage steht, dass bei der GPA umfangreiche Sachkenntnis zu Derivaten vorhanden ist. Zu verweisen ist hier auf die 23 Seiten umfassende Handreichung der GPA „Bilanzierung von Derivaten“ vom 1. März 2018.
Die Anzeige von „DIE FRAKTION feat: DIE LINKE“ ist ebenfalls kein Selbstläufer. Der Verfasser dieses Artikels hat 2016 eine Anzeige wegen des Verdachts der Untreue erstattet. Als Grundlage dienten die damals zugänglichen Daten und Fakten, die bekanntermaßen unvollständig waren. Unter Bezugnahme auf diese unvollständigen Angaben wurde die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, das erst ein komplettes Bild hätte ergeben sollen, abgelehnt. Wenn „DIE FRAKTION feat: DIE LINKE“ ihre Anzeige nicht detailliert begründet haben sollte, besteht die nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Anzeige kurzerhand abgewiesen wird.