Von Wolf Stegemann
Am 3. Januar 1521 verhängte der Papst den Kirchenbann über Martin Luther. Eigentlich hatte die altgläubige Seite damit gerechnet, dass dem Bann unverzüglich die Reichsacht folgte, Reichsfürsten und Stände setzten jedoch ein Verhör Luthers vor dem Reichstag durch, zu dem ihn der Kaiser Karl V. den Mönch unter Zusicherung freien Geleits mit Schreiben vom 6. März nach Worms lud. Vor genau 500 Jahren, am 17. und 18. April 1521, fand das Verhör im Bischofshof statt. Luther weigerte sich zu widerrufen. Tags drauf kündigte der Kaiser die Reichsacht an, die am 8. Mai erlassen wurde (Wormser Edikt). Damit waren seine Schriften verboten. Niemand durfte ihn beherbergen und jedermann sollte ihn an Rom ausliefern. Doch der sächsische Kurfürst versteckte Luther auf der Wartburg, wo dieser das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. – Aus Anlass des Verhörs Luthers in Worms läuten am Sonntag (18. April) die Glocken der Martin-Luther-Kirche in Holsterhausen.
Im katholische Dorsten hatten es die Lutheraner schwer
Um 1581 tauchte der erste lutherische Prediger in Dorsten auf, ein Mönch aus Büderich, der das Evangelium verbreitete. Drei Jahre später wirkte an der Lateinschule in Wesel ein Rektor namens Adolf Clarenbach, der sich zum lutherschen Glauben bekannte. Nikolaus von Datteln predigte 1552 in Gahlen protestantisch. Auch nachfolgende Versuche, die Bürger friedlich oder mit Waffengewalt protestantisch zu machen, schlugen fehl (siehe Reformation/Gegenreformation). Bis 1803 durften in der Stadt keine Protestanten dauerhaften Wohnsitz nehmen, auch keine Juden und Zigeuner, allerdings waren nach der Agatha-Chronik 1717 vier Lutheraner ausgewiesen worden. Als das Vest und die Stadt Dorsten preußisch wurden, erhielten auch die Protestanten Gleichberechtigung vor dem Gesetz. Im täglichen Leben mussten die wenigen Protestanten in der Stadt allerdings in den kommenden Jahrzehnten noch viele Anfeindungen der katholischen Umwelt ertragen. In den beiden Städten des Vests, Recklinghausen und Dorsten, trieben preußische Regierungsbeamte die Bildung von evangelischen Gemeinden voran.
Protestanten mussten ins rheinische Gahlen zum Gottesdienst
Vorher mussten die Protestanten zum Gottesdienst und zu kirchlichen Familienfeiern in das benachbarte rheinische Gahlen (Bild) gehen, wo es schon lange eine evangelische Kirche gab. Zwischen 1803 und 1854 wurden dort 42 Kinder aus 21 Dorstener Familien getauft, 31 Jugendliche aus 15 Familien konfirmiert und neun Dorstener Paare getraut. Dorstens Bürgermeister jener Jahre, Luck, war evangelisch, seine Kinder waren in Gahlen getauft. Protestanten fanden sich bis 1853 im „Evangelischen Verein“ zusammen. Mit 80 Unterschriften holte Richter Michels die Genehmigung ein, in Dorsten protestantischen Gottesdienst feiern zu dürfen, was der Landrat im Sinne des evangelischen Landesherrn, dem König von Preußen, unterstützte.
Seit 1890 Johanneskirche am Recklinghäuser Tor
Am 1. Januar 1854 kam es zum ersten Gottesdienst im Sitzungssaal des Gerichts, den ein Prediger aus Duisburg gestaltete. Im selben Jahr wurde der erste Pfarrer eingestellt. Viele Pastoren vom Niederrhein und der Landrat an der Spitze des Zuges geleiteten ihn von seiner Wohnung zum Gottesdienst ins Gerichtsgebäude, das zu diesem Ereignis geschmückt war. Der Brandenburger „Gustav-Adolf-Verein“ schenkte der jungen Gemeinde eine kostbare Bibel und einen silbernen Abendmahlkelch. Es gab in Dorsten 169 Evangelische, „ein verschüchtertes Häuflein, das der (katholischen) Übermacht ständig wich“. Als Dorsten ein unabhängiges Kreisgericht mit einem evangelischen Richter bekam, hatten die Protestanten auch Mut zu eigenen Predigten. Der erste Gottesdienst wurde im Gerichtssaal abgehalten. Zuvor konnten sie in Dorsten für öffentliche Verkündigung ihres Evangeliums noch bestraft werden. Am 1. Januar 1854 kam ein „fahrender Prediger“ aus Oberhausen an. Pastor Scheffen fungierte als Pfarrverweser. Für eine eigene Kirche schenkte der preußische König als Schutzherr der evangelischen Kirche der kleinen Dorstener Gemeinde 3.000 Taler, mit denen sie das Hotel „Stadt Köln“ an der Ecke Recklinghäuser Straße/Suitbertusgasse (Foto,heute Bären-Apotheke) samt Hof und Scheune kaufte, in das Anwesen man eine Kirche einrichtete. Zudem wurden Wohnungen für den Pfarrer und den Justizrat Michels sowie eine Schule mit eigenem Lehrer untergebracht. Der Unterricht begann 1855 mit 17 Schülern, zu denen später sieben jüdische Kinder dazu kamen. Da durch den Bergbau immer mehr Protestanten nach Dorsten und in die Gemeinden Holsterhausen und Hervest zogen, reichte die evangelische Schule nicht mehr aus und die Stadt baute an der Bochumer Straße ein neues Gebäude für das Gymnasium Petrinum. Das Gelände des heutigen evangelischen Friedhofs an der Gladbecker Straße kaufte die Gemeinde 1913. Da gab es in Dorsten bereits 3.158 Evangelische.
Evangelische Schule hatte bereits 110 Schüler
Kirchenpolitisch war die junge Gemeinde Teil des Kirchenkreises Bochum. 1873 erhielt Dorsten eine eigene Pfarrstelle, 1890 wurde die Johanneskirche am Recklinghäuser Tor gebaut und im neuen Gemeindehaus die mittlerweile auf 110 Schüler angewachsene Schule untergebracht. 1857 kam Pastor Kriege nach Dorsten, der einen riesigen Bezirk zu betreuen hatte: Altstadt, Holsterhausen, Hervest, Lippramsdorf, Kirchhellen, Gladbeck, Buer und Horst. Danach kamen die Pfarrer Jakoby, Bovermann (1863), Nordmeyer (1869) und Hesselmann (1871). Im Jahre 1873 erhielt Dorsten eine volle Pfarrstelle (Stapenhorst 1873 bis 1886), Lohmeyer (bis 1895).. Sein Nachfolger Friedrich Crüsemann hatte das Amt bis 1931 inne. Dann folgten Pfarrer Ernst Glauert und Pfarrer Corny, 1977 Pfarrer Waschke und derzeit ist K.-E. Lutterbeck Pfarrer der evangelischen Altstadtgemeinde. Seit Juli 2020 gehört die 29-jährige Pfarrerin auf Probe Denise Bongers dazu. Mit der Abdankung des deutschen Kaisers und preußischen Königs 1919 hatte die evangelische Kirche ihren Schirmherrn verloren. Daher wurde 1922 eine neue Kirchenverfassung mit „Trennung von Thron und Altar“ verabschiedet. In den kommenden Jahrzehnten folgten weitere Gemeinde- und Vereinsgründungen, die sich von der Dorstener Gemeinde selbstständig machten. 1945 wurden Kirche und Gemeindehaus durch Bomben schwer beschädigt, Gottesdienste fanden in der Pestalozzischule statt. 1947 konnte der erste Gottesdienst in der behelfsmäßig wiedererrichteten Kirche gehalten werden. Weitere Renovierungen und Ausschmückungen erfolgten in den kommenden Jahrzehnten. 1973 überließ die katholische Gemeinde St. Agatha ihre alte Kirche in Altendorf-Ulfkotte der aufstrebenden evangelischen Filialgemeinde (Foto).
Hervest: Im Jahr 1900 gab es in der Gemeinde 102 Protestanten
Zusammen mit Holsterhausen drängten die Evangelischen in der Bergbaugemeinde Hervest-Dorsten auf die Loslösung von der evangelischen Gemeinde in Dorsten. Um 1900 gab es in Hervest 102 Evangelische und 1914 schon 955. Gottesdienste fanden im Zeichensaal der Augustaschule statt. 1921 wurde Hervest als Pfarrgemeinde selbstständig. Zur Pfarrei gehörten die Bezirke Hervest, Wenge, Deuten, Wulfen und Lembeck. 1922 wurde Hilfsprediger Alfred Schötz zum ersten Pfarrer der Gemeinde gewählt, der schon zwei Jahre lang in der Gemeinde tätig war, und von Generalsuperintendent D. Zöllner in das Amt eingeführt wurde. 1923 errichtete die Gemeinde eine kleine schlichte Kirche mit einem „platten Turm“ und im Laufe der Jahre eine Gemeindeschwesternstation, einen Kindergarten und eine Handarbeitsschule. Die wenigen Evangelischen in Lembeck mussten noch nach Hervest zur Kirche gehen, weil sie vor Ort kein eigenes Gotteshaus hatten. Als Pfarrer Mayweg im März 1945 bei einem Bombenangriff aus einem Bombentrichter Verwundete bergen wollte, kam er ums Leben. Im Jahr 1946 wurde Horst Reuter Pfarrer und 1951 konnte Präses Wilm die neu erbaute Kirche weihen. In diesem Jahr gab es in Wulfen und Deuten nur 41 Evangelische, die zumeist in Mischehen lebten. Durch die Heimatvertriebenen aus dem Osten gab es einen großen Zustrom vom Protestanten, die oftmals in den Bauerschaften untergebracht wurden. Am 2. Adventssonntag gab es im Lembecker Heimatmuseum den ersten evangelischen Gottesdienst durch Superintendent Geck aus Recklinghausen. In Lembeck und den Bauerschaften gab es damals 180, in Wulfen und Deuten schätzungsweise 230 Evangelische. 1951 wurde durch die Generalkirchenvisitation die kirchlichen Zustände in Wulfen für unhaltbar erklärt und zugleich die Notwendigkeit eines eigenen Kirchenraumes festgestellt. Daher entstand Wulfen als eigene Gemeinde. 2006 vereinigten sich die beiden Gemeinden Hervest und Wulfen wieder zur „Evangelischen Kirchengemeinde Hervest-Wulfen“. Pastor Karl-Ludwig Höpker war seit 1963 Pfarrer in der evangelischen Gemeinde Hervest-Dorsten (Foto), zu der auch Alt-Wulfen gehörte. 1968 wurde die Gemeinde Wulfen – mit Lembeck und Deuten – selbstständig. Die Höpkers wohnten mit fünf Töchtern im Pfarrhaus neben der Gnadenkirche.
Pfarrerin Anke Leuning verließ nach sechs Jahren die Gemeinde
Nach über sechs Jahren Dienst als Pfarrerin verließ Anke Leuning im Februar 2021 die evangelische Pfarrgemeinde Hervest-Wulfen und übernahm einen neuen Wirkungskreis in Iserlohn, wo sie Gemeinden begleiten soll, die vor besonderen strukturellen Veränderungen stehen. Damit kennt sie sich aus. In Dorsten hat sie unter anderem den Verband der Evangelischen Kirchengemeinden als Vorsitzende geleitet und gemeinsam mit dem Geschäftsführer Volkhard Graf den Verband in eine neue, zukunftsfähige Struktur begleitet. In der Kirchengemeinde Hervest-Wulfen entstand durch ihre und Pfarrer Michael Laages Initiative das erste „multiprofessionelle Team“, dem seit 2017 auch Diakon Thomas Heß angehört. Ihren offiziellen Abschied von der Gemeinde musste Pfarrerin Leuning wegen Corona im kleinen Kreis absolvieren. Superintendent Steffen Riesenberg überbrachte die besten Wünsche des Kirchenkreises. An der kleinen, bewegenden Zeremonie durften nur zehn Personen teilnehmen. Die Neu-Besetzung der Pfarrstelle für Hervest-Wulfen wird länger auf sich warten lassen. Bis dahin müssen sich vor allem Pfarrer Michael Laage und Diakon Thomas Heß sowie die anderen evangelischen Seelsorger der Stadt die Arbeit aufteilen.
Holsterhausen: Martin-Luther-Gemeinde mit eigener Kirche seit 1921
Da 1904 in Holsterhausen erst vier Evangelische lebten, stellte sich die Frage nach einer eigenen Gemeinde und Kirche nicht, doch die Zahl stieg durch den Zuzug von Bergleuten aus dem protestantischen Osten sowohl in Holsterhausen als auch in Hervest sprunghaft an. 1914 lebten in jeder der beiden Bergbaugemeinden über 900 evangelische Christen, so dass die politische Gemeinde Holsterhausen für die Evangelischen 1924 den kommunalen Waldfriedhof errichtete. Da die beiden Bergbaugemeinden seit 1908 ihre Wünsche nach eigenen Pfarrstellen immer dringlicher äußerten, wurden 1921 die beiden Kirchengemeinden selbstständig. In Ermangelung eines eigenen Pfarrers wählte das Holsterhausener Presbyterium zunächst den Dorstener Stadtpfarrer Crüsemann zum Vorsitzenden und 1922 zur Gemeindegründungsfeier als ersten Pfarrer Hilfsprediger Johannes Hullmann aus Lengerich. Der 1919 in Holsterhausen gegründeten Kirchbauverein, der mittlerweile über 25.000 Mark sowie eine Spende von 100.000 Ziegelsteinen gesammelt hatte, kaufte die Hälfte eines in der Festung Wesel stehenden Exerzierschuppen für 450.000 Mark (Inflationsgeld), der abgetragen nach Holsterhausen transportiert und mit Baumaterial aus der Zeche sowie den gestifteten Ziegelsteinen östlich der Quer- und nördlich der Mühlenstraße als Kirche wieder aufgebaut werden konnte. Die 1923 eingeweihte Kirche bot mit Empore Platz für 600 Gläubige, zudem wurden ein Raum für Jugendliche, eine Sakristei, eine Kaffeeküche und eine Küsterwohnung eingerichtet. Das Vereinsleben blühte auf: Kirchenchor, Arbeiterverein, Jünglingsverein, Frauenhilfe und Jugendbund Martha mit einem eigenen Streichorchester.
„Vor Kommunisten Bücklinge machen“ – Auseinandersetzung 1932/33
Vor der Wahl zur Gemeindevertretung der evangelischen Martin-Luther-Kirchengemeinde Holsterhausen 1932 und 1933, entstand zwischen den unversöhnlich gegeneinander stehenden Vorschlagslisten schon vorzeitig ein politisches Wahlkampfgetöse, gespickt mit Vorwürfen, Verleumdungen und Drohungen. Der rechte Flügel in der Gemeindevertretung, der den NASDAP nahen „Deutschen Christen“ angehörte, drohte mit politischen Konsequenzen. Somit spiegelten sich die Verhältnisse der politischen Gemeinde 1 zu 1 auch in der Kirchengemeinde wider. Maßgeblich an diesem lauten politischen Getöse in der Gemeinde war Pfarrer Arthur Paeschke, der bereits 1932 NSDAP-Mitglied und in dieser Partei offizieller Redner im Gau Westfalen-Nord war. Auf ihn berief sich der politisch rechte Flügel unter dem Holsterhausener NSDAP-Ortsgruppenleiter Ernst Dietz in der Gemeindevertretung und an ihm rieben sich die Liberalen von der Liste „Paul“. Dietz schrieb am 26. Oktober an Friedrich Schaub vom amtierenden Gemeinderat einen Brief. Darin bezeichnet es Dietz als einen Irrtum, wenn Schaub meine, dass nur zwei Vorschlagslisten bestünden. In der rechten Dietz-Liste hatten sich nämlich zwei Parteien zusammengeschlossen, so dass es eigentlich drei Listen seien. Dann ging es um Pfarrer Paeschke, über den sein NSDAP-Genosse Dietz schrieb, dass er nicht um seine „Versetzung nach Sachsen gebeten, sondern sie verlangt“ habe. Dietz forderte Schaub auf, die Sache „Paeschke“ nicht mehr öffentlich zu machen. Schaub reklamierte in seinem Antwortschreiben anderntags: „Wie Ihnen bekannt ist, halten wir es nicht für richtig, dass politische Parteien sich an Kirchenwahlen beteiligen.“ Die Fronten blieben verhärtet. An die Herren der Vorschlagsliste „Paul“ schrieb der politische agierende Ernst Dietz nicht so zurückhaltend, wie er an Schaub geschrieben hatte: „Ihr trauriges Komödienspiel hat nun doch das Licht der Welt erblickt und kennzeichnet recht deutlich, was Sie unter Friedensliebe und Christentum verstehen. […] Deutsche Männer, die aus einer Volksbewegung kommen, lehnen Sie also ab, weil diese eine auf reinen Sitten und wahrem Gottesglauben stehende Kirche wollen. Außerdem den Herren der Schulgemeinde, Bolschewiken, sowie kirchenfeindlichen Parteien öffnen Sie Tor und Tür. […] Ist Ihnen eigentlich die Stoßkraft der Gottlosenbewegung bekannt?“, fragt der Ortsgruppenleiter einer Partei, die selbst gottlos war. „Ist Ihnen bekannt, dass einige Herren, die Ihren Vorstand zieren, vor Kommunisten Bücklinge machen? […] Nicht versteckt und mit Schmeicheleien wollen wir die Kirche vertreten, frei und offen ohne Köder, so wie es sich für einen Deutschen Christen geziemt.“ Der Brief war unterzeichnet von den Herren Dietz, Buschmann und Schreiber. – Wie die Auseinandersetzung geht aus den Unterlagen leider nicht hervor.
Auseinandersetzung um den Holsterhausener NSDAP-Pfarrer Paeschke
Zu der durch die Schließung der Zeche verursachten wirtschaftlichen Notlage der Menschen und der Gemeinde kam Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre eine innergemeindliche ernsthafte Auseinandersetzung um Pfarrer Artur Paeschke (1927 bis 1933) hinzu, der offen Sympathien für Adolf Hitler zeigte und Propagandaredner der NSDAP im Gau Westfalen-Nord war (Handzettel von 1930). 1933 versetzte ihn die Kirchenverwaltung nach Sachsen. Danach unterstellte sich 1934 das Presbyterium der „Bekennenden Kirche“, die sich damit von der von den Nationalsozialisten gegründeten „Reichskirche“ trennte, was fortan zur offenen und verdeckten Beobachtung durch die Gestapo führte. Nach dem Krieg kam das Gemeindeleben wieder in Gang, es wurden u. a. Wohnungen, ein Kindergärten, ein Jugendheim, ein Gemeindehaus gebaut. 2006 gab die Gemeinde den 1980 eingeweihten Gemeindeplatz an der Heinrichstraße aus Kostengründen auf. Einige eigene Vermarktungsideen für die Fläche scheiterten mangels Nachfrage. Für ein soziales Wohnprojekt übertrug die Kirche das Grundstück 2011 einem Kirchhellener Architekten in Erbpacht. Anfang 2012 begannen die Bauarbeiten für das Wohnprojekt des Architekten. Die Reihenhäuser (acht Einheiten mit jeweils knapp 100 Quadratmetern Wohnfläche in zwei Viererblöcken) sind für junge Familien gedacht, die benachbarten Wohnungen (50 bis 62 Quadratmeter groß) in einem Haus mit Fahrstuhl für die Elterngeneration, barrierefrei und mit Balkon ausgestattet. Voraussetzung für den Einzug ist ein Wohnberechtigungsschein. Die Vermarktung soll in Abstimmung mit dem Wohnungsamt der Stadt erfolgen.
Eigene Stiftung finanziert Kirchen-Projekte in Holsterhausen
Die Kirchengemeinde gründete Anfang 2010 eine Stiftung. Das Stiftungskapital, zunächst 80.000 Euro, soll durch Zustiftungen vermehrt werden. Zweck der „Stiftung Martin-Luther-Kirche Holsterhausen” ist die materielle und ideelle Unterstützung der Arbeit in der Gemeinde. Insbesondere geht es um Arbeit mit Kindern, Konfirmanden und Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren, Diakonie, christlich-kulturelle Angebote wie Kirchenmusik, den missionarischen Gemeindeaufbau und Investitionen in die Gebäude. Mit den Erträgen aus dem Stiftungskapital werden auch die Arbeit von Kreisen und Gruppen in der Gemeinde unterstützt sowie das Miteinander der Gemeinschaft gesichert.
2020: Neue Presbyter in Holsterhausen
Anfang April 2020 endete die Amtszeit des Presbyteriums der Evangelischen Martin-Luther-Kirchengemeinde Holsterhausen. Es schieden aus: Rainer Boden, seit 1993 im Amt; Susanne Kogelboom, Lisa Kuehn, Hartmut Lesch, seit 1988 im Amt; Charlotte Oberste-Hetbleck, seit 2008 im Amt; Heidrun Römer, seit 1993 im Amt. Aus dem bisherigen Presbyterium bleiben Dagmar Lachs, Gabriele Prang, Dietmar Roth, Ute Scharf, Stefan Schmitz und Walter Spriwald dem Presbyterium für die kommende Amtszeit erhalten. Neu dazu gekommen sind Andreas Adamzik, Andreas Müller, Birgit Pilkmann, Udo Rudner und Wolfgang Brockmann.
Wulfen: Die Gemeinde wuchs durch Flüchtlinge aus den Ostgebieten
Im Jahre 1921 wurde die Evangelische Kirchengemeinde Hervest (mit Wulfen und Lembeck) durch Trennung von Dorsten gegründet. In Wulfen gab es vor 1946 nur 41 Protestanten, die durch den Flüchtlingszustrom aus den evangelischen Gebieten Ostdeutschland, vor allem Schlesiens, kamen und somit die evangelische Gemeinde über 250 und 1952 schon 370 Mitglieder hatte. Bis 1956 wurde der Gottesdienst in der Volksschule gefeiert. Der Erste Spatenstich für die Gnadenkirche in Altwulfen (Foto) erfolgte 1953, die Einweihung ein Jahr später. 1961 konnte das danebenliegende Paul-Schneider-Heim eröffnet werden. Paul Schneider war 1939 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet worden. Wulfen bekam mit Lembeck eine eigene Pfarrstelle und trennte sich von Hervest. 1979 wurde das damals in der Bundesrepublik einmalige „Dreigruppenpfarramts“ als Modellversuch gebildet und mit drei Pfarrern besetzt, von denen einer amtliche Befugnisse hatte, ein anderer war Psychologe und der dritte Pädagoge (bis 2002). 1972 konnte in Barkenberg das neue Gemeindezentrum am Napoleonsweg eingeweiht werden. 2007 fusionierten die Gemeinden Wulfen (4.600 Ev.) und Hervest (3.900 Ev.) zur neuen Großgemeinde Hervest-Wulfen. Sie hat drei Pfarrbezirke: Hervest, Altwulfen und Barkenberg mit je einem Pfarrer. Das Hauptgemeindebüro hat seinen Sitz in Wulfen. Im selben Jahr wurde das Paul-Schneider-Heim in Altwulfen aufgegeben und an einen Architekten verkauft. Die Gnadenkirche kann durch eine neue mobile Bestuhlung und einen kleinen Umbau für vielfältige Veranstaltungen dienen. In der Kirche findet die durch den Freundeskreis Kirchenmusik unterstützte „Neue Reihe für Kammermusik“ statt.
Modellversuch des Gruppenpfarramts Wulfen 1973 bis 2000
Die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen hatte 1968 beschlossen, neue „sachlich, zeitlich und örtlich begrenzte Modelle des kirchlichen Dienstes“ freizugeben. Vor diesem Hintergrund wurde 1973 der in Deutschland einmalige Versuch „Gruppenpfarramt Wulfen“ gestartet (Foto v. l.: Schneider, Maibaum, Korn). Neben dem Theologen wurden ein Psychologe und bald darauf auch ein Pädagoge angestellt, die im Team arbeiteten. Dr. Hans-Udo Schneider war von 1973 bis 1993 der erste Psychologe im Gruppenpfarramt. Im Rahmen seiner seelsorgerischen Arbeit führte er in Barkenberg eine psycho-soziale Beratungsstelle im früheren Gemeindebüro an der Talaue ein. In der Pädagogenstelle gab es seit 1974 drei Wechsel: Klaus Beck, Reinhold Gerhard und zuletzt Frank Maibaum (1979 bis 2002). Der dritte im Bunde war der studierte Theologe Bernhard Korn (1969 bis 1996). Er war zuständig für Verkündigung, Glaubensfragen und Ökumene. Nach 20 Jahren wechselte Hans-Udo Schneider ins Industrie- und Sozialpfarramt des Kirchenkreises. Die Psychologin Edith Damm übernahm seine Funktion. Zwei Visitationen der Landeskirche bestätigten, dass das Gruppenpfarramt erfolgreich lief, trotzdem wollte die Landessynode das Modell nicht auf andere Orte übertragen. Die vielen überzähligen Theologen mit garantiertem Stellenanspruch hätten mit den anderen Fakultäten um die wenigen Pfarrstellen konkurrieren müssen. 1996 wurde verfügt, dass die Pädagogen und Psychologen theologische Nachprüfungen machen müssen, um eine ordentliche Pfarrstelle zu besetzen. Mit dieser Regelung hat die Landeskirche das Gruppenpfarramt praktisch selbst ausgehebelt. Nach dem Tod von Edith Damm 2000 wurde kein Psychologe mehr eingestellt und das Experiment beendet.
Evangelische Freikirchliche Gemeinde
Die Erlöserkirche an der Straße „An der Molkerei“ gehört der Baptistengemeinde und somit zum Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden. Die Gottesdienste sind schlicht gehalten und finden in froher Atmosphäre statt. Großen Wert legt die Gemeinde auf die Arbeit mit Kindern. Theologisch stehen die Christen der Erlöserkirche auf dem Boden der Heiligen Schrift und taufen Menschen, die Jesus Christus nachfolgen wollen.