Von Helmut Frenzel
11. März 2021. – Alle Jahre wieder erstattet die Verwaltung dem Haupt- und Finanzausschuss (HFA) des Rates einen Bericht zum „Kreditportfoliomanagement“ im abgelaufenen Jahr. So auch jetzt wieder. In der Sitzung des Ausschusses in der kommenden Woche steht der „Bericht für 2020“ auf der Tagesordnung. In der Vorlage für den Ausschuss ist allerlei Interessantes zu lesen zur Entwicklung der langfristigen Kredite und der Kassenkredite, auch zu Zinssätzen und den Zinsaufwendungen der Stadt. Schließlich wird über ein Finanzderivat berichtet, das den Namen „Forward Zahlerswap“ trägt und in der Ära Lambert Lütkenhorst (Bürgermeister) und Wolfgang Quallo (Stadtkämmerer) 2009 abgeschlossen wurde. Mit diesem Geschäft sollte ein zukünftiges Risiko durch steigende Zinsen abgesichert werden. Und so funktioniert es: Als Bezugszins wurde ein Zinssatz von 3,15 Prozent und als Bezugszeitraum 2033 bis 2053 vereinbart. Liegt der künftig zu zahlende Zinssatz für einen Kredit höher als der Bezugszins von 3,15 Prozent, so erhält die Stadt die Differenz. Liegt der Zinssatz dagegen niedriger als 3,15 Prozent, so muss die Stadt die Differenz zahlen. Würden die Zinssätze steigen, dann würde die Stadt einen finanziellen Vorteil einfahren. Aber es ist anders gekommen. Die Zinsen sind seit Beginn des Geschäfts gesunken und inzwischen auf einem Niedrigststand angekommen. Auch die für den Bezugszeitraum 2033 bis 2055 erwarteten Zinssätze liegen weit unter dem vereinbarten Bezugszinssatz. Damit droht der Ausgleich der negativen Differenz durch entsprechende Zahlungen der Stadt. Diese müssen schon heute in der Ergebnisrechnung und in der Bilanz der Stadt abgebildet werden. Damit ist man bei der Berichtsvorlage für die bevorstehende HFA-Sitzung angekommen. Dort heißt es:
„Der Marktwert für den Zahlerswap zum 31. 12. 2020 ist negativ und beträgt -12.912.023,87 €. Gegenüber den zum 31. 12. 2019 gebildeten Rückstellungen ist dies eine Verschlechterung in Höhe von 4.130.274,01 €. In dieser Höhe ist der Marktwert zu berichtigen.“
Im Klartext: 2020 hat die Stadt mit diesem Geschäft einen neuerlichen Verlust von 4,1 Millionen Euro erlitten, der das Jahresergebnis entsprechend belastet und als drohender Verlust in der Bilanz zurückgestellt werden muss. Die seit 2009 aufgelaufenen Verluste erhöhen sich auf insgesamt 12,9 Millionen Euro. Zwar geht es um Buchverluste, die das jeweilige Jahresergebnis mindern, aber vorerst nicht zahlungswirksam sind, sondern erst in Zukunft zu Auszahlungen führen. Aber mit der zwingenden Einbuchung in die Ergebnisrechnung unterliegen die Verluste der Haushaltssanierung beziehungsweise der Haushaltsführung und treffen die Dorstener Bürger, die die Lasten durch hohe Steuern und Abgaben und Vorenthaltung von städtischen Leistungen tragen müssen.
Ist das Swap-Geschäft an einen Kreditvertrag gebunden oder nicht
So weit, so schlecht. Doch die Berichtsvorlage enthält darüber hinaus eine Information, die aufhorchen lässt. Die Ausführungen zur Entwicklung des Forward Zahlerswap beginnen nämlich so:
„Die Stadt hat in 2009 einen kündbaren Forward Zahlerswap abgeschlossen. Hierbei handelt es sich nicht um einen Kredit.“
Es handelt sich nicht um einen Kredit? Das klang bisher ganz anders. In der Berichtsvorlage zur Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 17. Februar 2010 wird unter dem Tagesordnungspunkt „Schuldenportfoliomanagement“ der im Vorjahr abgeschlossene Forward Zahlerswap wie folgt beschrieben:
Startdatum 30. 12. 2033
Laufzeit: 20 Jahre
Nominalvolumen: 25 Mio. € anfänglich
Ratierliche Tilgung von 125.000 € vierteljährlich bis auf 15 Mio. €
WestLB zahlt 3-M-Euribor
Stadt zahlt fest 3,15 % Kündigungsrecht der WestLB einmalig zum 30.12.2043
Diese Angaben kann man nur so verstehen, dass der Zahlerswap an einen Kredit von 25 Millionen Euro gebunden ist. Die Vorlage ist vom damaligen Kämmerer Wolfgang Quallo unterzeichnet. Im Jahresabschluss 2009, um Jahre verspätet im Juni 2014 veröffentlicht und mitunterzeichnet vom derzeitigen Stadtkämmerer Hubert Große-Ruiken, ist das Geschäft nicht erwähnt, auch nicht im Kapitel „Chancen und Risiken“. In der Berichtsvorlage zur Sitzung des HFA am 20. April 2016 zum selben Thema heißt es:
„Die Stadt hat sich verpflichtet, im Jahre 2033 einen Kredit zu bereits in 2009 festgelegten Konditionen aufzunehmen.“
Damit wird noch einmal die Bindung des Swaps an einen Kredit bestätigt, wie von Wolfgang Quallo in der HFA-Sitzung 2010 dargestellt. Und jetzt also schreibt die Verwaltung, es handele sich bei dem Forward Zahlerswap nicht um einen Kredit. Der Widerspruch ist nicht zu übersehen. Was stimmt denn nun? Gibt es einen Kredit, an den das Swap-Geschäft gebunden ist, oder gibt es ihn nicht? Diese Frage ist von erheblicher, möglicherweise strafrechtlicher Bedeutung. Wenn es keinen Kredit gibt, handelt es sich bei dem Forward Zahlerswap um ein eigenständiges Spekulationsgeschäft. Der Unterschied zwischen einem Zins-Swap mit Bindung an einen Kredit und ohne eine solche Bindung ist der Unterschied zwischen einem erlaubten Zinsoptimierungsgeschäft und einem unerlaubten Zinsspekulationsgeschäft. Im letzteren Fall geht es um den Verdacht der Untreue.
Hat der damalige Stadtkämmerer Rat und Öffentlichkeit getäuscht?
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat sich zu dem Sachverhalt in einer Stellungnahme von 2016 so geäußert: „Ein […] Zinsoptimierungsgeschäft setzt einen tatsächlichen Bezug des Swap-Geschäfts zu einem Darlehensvertrag voraus […].“ Wenn eine solche Bindung nicht gegeben ist, bestehen demnach Zweifel im Hinblick auf eine Pflichtverletzung der beteiligten Amtsträger. Im Falle des Forward Zahlerswaps sah die Generalstaatsanwaltschaft den Bezug zu einem Darlehensvertrag als gegeben an und sah deswegen keine Grundlage für die Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen. Wenn nun aber die Stadtverwaltung selbst schreibt, dass es sich bei dem Zahlerswap nicht um einen Kredit handele, fehlt es an der geforderten Bedingung der Bindung an einen Kredit und damit steht eine Pflichtverletzung der beteiligte Amtspersonen im Raum, bis hin zum Verdacht der Untreue. Und wenn es zuträfe, dass von Beginn an die Verbindung zu einem Darlehensvertrag fehlte, wäre die Frage zu prüfen, ob der damalige Stadtkämmerer Wolfgang Quallo und sein Nachfolger Hubert Große-Ruiken den Rat und die Öffentlichkeit mit ihrer Darstellung getäuscht haben.
Es ist Aufgabe des Rates, den Sachverhalt aufzuklären. Ob er sich dieser Verantwortung stellt, wird man aufmerksam beobachten. Denn in der Mitverantwortung für das Geschäft stehen auch der jetzige Bürgermeister Tobias Stockhoff, damals Mitglied des Haupt- und Finanzausschusses, sowie Bernd Schwane (CDU) und Friedhelm Fragemann (SPD), die als damalige Fraktionsvorsitzende ebenfalls dem Haupt- und Finanzausschuss angehörten. Bei dieser Gelegenheit sei angemerkt, dass es bislang keine zusammenhängende Übersicht gibt über die seit 2008 realisierten Währungs- und Spekulationsverluste der Stadt und über die noch offenen Geschäfte und die darauf entfallenden Wertberichtigungen und Rückstellungen für Drohverluste.
…und, stellte er sich seiner Verantwortung?
Manche Leute können mit Verantwortung schlecht umgehen. Leider kommen sie damit oft durch…