20. Juli 2020. – In mehreren deutschen Regionen und Städten wird seit Jahren jeweils am 21. Juli der Drogentoten gedacht. Seit neun Jahren begeht das Café Kick diesen Gedenktag. Das vom Caritasverband seit 1994 unterhaltene Café im Caritas-Gebäude am Westgraben ist Treffpunkt für Drogenabhängige und Rekonvaleszenten im Methadon-Programm sowie Anlaufstelle für illegale Drogen konsumierende Bürger. Es dient den Besuchern als zentraler Rückzugs- und Ruheraum. Durch die tägliche Öffnung hat das Café eine tagesstrukturierende und stabilisierende Funktion. Nach anfangs schleppendem Besuch wird es heute gut angenommen. Das Café Kick-Team betreut täglich bis zu 40 Besucher. Bei Gründung des Cafés wurde die Zahl der Drogenabhängigen in Dorsten auf 200 bis 300 hochgerechnet. Zum Gedenken an die bisherigen über 90 Drogentoten von den 1970er-Jahren bis heute ist im Café ein Gedenkbaum aufgestellt mit Blättern, die mit Namen versehen sind und an die Drogentoten erinnern (Foto). Die Zahl der Drogentoten war schon in den 1980er-Jahren stark zurückgegangen. Zehn Jahre hat es überhaupt keinen Toten gegeben. Derzeit betreut der Caritas-Verband rund 180 Süchtige im Jahr.
Wegen der Corona-Pandemie darf 2020 ein solches Zusammensein nicht stattfinden. Stattdessen gibt es einen Gedenkgottesdienst in der Klosterkirche der Franziskaner mit Pater Heribert Arens, Angehörigen und Klienten. Denn in den letzten 12 Monaten verstarben in Dorsten aufgrund ihres langjährigen Drogenkonsums bzw. an Folgekrankheiten vier Personen. Im ökumenischen Gottesdienst werden Steine mit den Namen der Verstorbenen um den Altar auf einem Tuch arrangiert. Der Pater liest für die Verstorbenen die Messe. Der Drogentotengedenktag geht auf eine Initiative von Angehörigen eines Drogentoten zurück und wurde zum ersten Mal 1998 in Gladbeck begangen. Die Idee wurde deutschlandweit von vielen Organisationen im Bereich der Drogenhilfe aufgegriffen und die Bewegung weitete sich aus. 2010 fanden bereits in mehr als 60 deutschen Städten Gedenkveranstaltungen an diesem Tag statt und auch international gibt es mittlerweile entsprechende Aktionen. Anlässlich des Drogentotengedenktages wird in den Medien deutschlandweit über Schicksale Drogen konsumierender Menschen berichtet, um so über die lokalen Aktionen hinaus eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu erreichen.
Drogenszene in Dorsten: in De gotte Stowe, an Schulhöfen, am Kanal
Über zwanzig Jahre lang war „De godde Stowe“ („Die gute Stube“) am oberen Ende der Lippestraße ab Mitte der 1960ern bis in die 1980er-Jahre hinein Treffpunkt der Dorstener Szene der 15- bis 35-Jährigen oder für die, die sich dafür hielten. Denn es war nicht nur für die Protestgeneration berüchtigt und chic, dort zu verkehren: zwischen Joint rauchenden Haschbrüdern und kontrollierenden Ursulinenschwestern, die auf der Suche nach ihren versprengten Schülerinnen waren, zwischen Jugendamtskontrollen und halbstarken Angebern. Dieses Gemisch – versetzt mit Rockmusik und Musikbox-Klängen – vermittelten zumindest Zeitungs- und Polizeiberichte jener Jahre und machten „de godde Stowe“ im Nachhinein zur Legende. Guido Harding beschrieb die allsamstägliche Szenerie jener Jahre vor der Stube in der „Dorstener Zeitung“:
„Heerscharen von jungen Leuten standen und saßen da vor der Kneipe am oberen Ende der Lippestraße herum, das Altbierglas und die Pommesschale aus der benachbarten Imbiss-Bude in der Hand. In den Blumenkübeln die leeren Gläser, davor die auffrisierten Mofas. Damals war den Leuten egal, wer was beruflich machte, Hauptsache, man grenzte sich von den spießigen Dorstenern ab.“
In den 1970-/80er-Jahren baute sich in der Altstadt eine Drogenszene auf
Dealer waren an den Schulhöfen der beiden Gymnasien anzutreffen. Gedealt wurde in den 1990er-Jahren auch rund um das Lippetor und am Kanal (Gerichtsjargon „Kanalsteher-Bande“) und – wie oben dargestellt – in „De Godde Stowe“ am Lippetor. Danach hat sich die Szene von der Altstadt weg massiv nach Wulfen-Barkenberg verlagert. Die Polizei konnte Anfang Januar 1999 in Dorsten einen Drogendealer-Ring ausheben. Es wurden acht Personen festgenommen und Kokain im Wert von 200.000 DM beschlagnahmt.
Der Einstieg in die Drogen beginnt durchschnittlich zwischen 13 und 15 Jahren, was nicht nur mangelnde Sozialisation bzw. Integration in die Gesellschaft mit sich bringt, sondern auch eine reduzierte Schul- und möglicherweise keine Berufsausbildung. Zudem ist das Abgleiten in die Armut und in die Beschaffungskriminalität vorgegeben. 1992 hat sich ein „Arbeitskreis Drogenhilfe“ gegründet. Neben einer akribisch geführten Bestellliste und einem Bündel Geldscheine fand die Polizei außerdem ein Brecheisen, ein Klappmesser und einen Teleskop-Schlagstock. Auf „Drogenhandel mit Waffen“ drohen laut Gesetz besonders harte Strafen. Laut Kriminalitätsstatistik der Polizei sank die Zahl der Rauschgiftdelikte leicht. 2191 Delikte waren 2018 im Bereich der Kreispolizeibehörde Recklinghausen inklusive Dorsten der Rauschgiftkriminalität zuzuordnen. „Es wurden beinahe 92 Prozent der Fälle aufgeklärt. Allein 1038 Delikte warenhier im Zusammenhang mit dem Besitz/Erwerb von Cannabis und Zubereitungen erfasst. Von diesen Taten wurden rund 93 Prozent aufgeklärt“, heißt es im POlizeibericht. – Die Abbildung zeigt den Spritzen-Automat am Westgraben (Foto: W. Stegemann).
Drogen-Dealer gibt es in Dorsten seit vielen Jahrzehnten
Gekifft wurde in gewissen „Kultkneipen“, gedealt aber auch zeitweilig auf den Schulhöfen der beiden Gymnasien. Das Schöffengericht beim Amtsgericht Dorsten ist mit kleinen und größeren Rauschgiftdelikten wegen der nahen Grenze zu den Niederlanden stets mit Drogenprozessen befasst. Dass es aber einen von der „Dorstener Zeitung“ apostrophierten „Drogenboss“ in Dorsten gab, der sich im November 2011 wegen insgesamt 56 Fälle des Handelns mit insgesamt 150 Kilogramm Marihuana und 2,5 Kilogramm Heroin vor dem Landgericht Essen zu verantworten hatte, dürfte wegen der Menge des „Stoffs“ und der Umstände in Dorsten bislang einmalig sein. „Drogen und Dorsten: Diese Wort-Kombination beschäftigte jahrelang regelmäßig das Landgericht Essen“, schrieb Werner von Braunschweig am 10. Februar 2012 in der „Dorstener Zeitung“. Das Landgericht verurteilte den Dorstener Groß-Dealer Danny D. (28) „mit Bauchschmerzen“ unter Abzug von Kronzeugenrabatt zu einer vergleichsweise milden Strafe von vier Jahren und zwei Monaten Haft.
Dorstener Hoteliersohn und Eventmanager erhielten hohe Haftstrafen
Die Polizei nahm im Mai 2012 den 30-jährigen Dorsten-Lembecker Eventmanager H. H. und den 36-jährigen Hoteliersohn und Koch K. B. aus Dorsten-Holsterhausen sowie den 27-jährigen holländischen Drogenkurier S. B. fest. Neben Bargeld wurden auch die Fahrzeuge der mutmaßlichen Drogentäter sichergestellt. In einem PKW und im Keller der Dealer fand die Polizei drei Kilogramm Marihuana aus einer aktuellen Lieferung des Holländers an die beiden Dorstener. Bei K. B., der im elterlichen Hotel eine Einliegerwohnung hatte, fand die Polizei 2,8 Kilo Kokain sowie ein Gewehr mit Munition, was hm die Anklage wegen „bewaffneten Drogenhandels“ einbrachte. Gegen ihn liefen ab 1993 mehrere Strafverfahren. 2009 verurteilte ihn das Amtsgericht Dorsten zu zwei Jahren Haft mit Bewährung wegen Drogenhandel in 252 Fällen.
Eigens Sonderkommission „Kroko“ eingerichtet
Ermittlungen der Polizei ergaben, dass die beiden Dorstener in den letzten beiden Jahren einen schwunghaften Handel mit 38 Kilo Kokain betrieben hatten. Der Holländer war als Fußball-Fan mehrmals nach Gelsenkirchen gekommen und hatte im Hotel der Eltern von Kai B. am Rand der Dorstener Altstadt übernachtet, wo ihn Kai B. gefragt hatte, ob er Marihuana aus Holland mitbringen könne. Daraufhin legte der Holländer in einem Waldstück neben seinem Wohnhaus eine Outdoor-Plantage an. Anfangs bekam er von den Dorstenern 2.800 Euro für ein Kilogramm, zuletzt wegen Steigerung der Qualität 4.700 Euro. Dem Trio auf die Spur kam die Polizei durch einen V-Mann in der Szene. Nach einer längeren Zeit der Überwachung nahm die eigens eingerichtete Sonderkommission der Polizei „Kroko“ die drei fest. H. H. war kein Unbekannter. Er galt als einer der Macher der Dorstener Open-Air-Veranstaltung „WDR für eine Stadt“ und war für das Dorstener Stadtmarketing aktiv. Auch als Partymacher war sein Ruf in Dorsten und Schermbeck legendär. – Die VI. Strafkammer beim Landgericht Essen verurteilte Anfang Oktober 2012 den Holländer zu drei Jahren Gefängnis, die geständigen Holsterhausener Kai B. zu fünf Jahren und sechs Monaten und den Lembecker Eventmanager H. H. zu vier Jahren und sechs Monaten. Der Porsche Carrera des Eventmanagers im Wert von 39.000 Euro sowie ein Sparbuch mit Einträgen in Höhe von 8.600 Euro wurden eingezogen.
Indoor-Cannabis-Plantage auch in Dorsten
Die 9. Strafkammer beim Landgericht Bochum verurteilte im November 2012 drei Männer, die Cannabis-Plantagen in Datteln, Castrop und in Dorsten betrieben hatten. Jeweils zwei Jahre und neun Monate Gefängnis erhielten zwei Männer (34, 33) aus Dorsten-Rhade und Castrop-Rauxel, der Dritte bekam zwei Jahre Haft auf Bewährung, verbunden mit einer Geldauflage in Höhe von 3.000 Euro. Alle drei Angeklagten hatten im Prozess Geständnisse abgelegt und geschildert, wie sie auf die Idee zur Aufzucht der Indoor-Drogenplantagen gekommen waren. Die Spur führte zu einem Duo namens „Ruud“ und „Kid“ in die Niederlande. Die Cannabis-Plantagen wurden in einer Wohnung und einem extra angemieteten Haus noch vor der ersten Ernte entdeckt. Der Vermieter des Mietshauses in Datteln war im August 2011 auf dauerhafte Lüftungsgeräusche an seinem Haus aufmerksam geworden. Nachdem er bei einem Blick durch ein Souterrain-Fenster eine verdächtige Ansammlung grüner Pflanzen entdeckt hatte, informierte er die Polizei. Kurz danach folgte der Zugriff und die Plantagen mit insgesamt fast 300 Cannabis-Pflanzen mit bis zu 70 Zentimeter Höhe wurden ausgehoben. Nach Berechnungen von Experten hätte die Jahresernte aus beiden Plantagen bis zu 30 Kilo Marihuana von bester Qualität erbracht.
Rhader Rentner Mitglied eines internationalen Rauschgiftrings
Ein 66-jähriger Rhader musste sich im Dezember 2013 vor dem Essener Landgericht verantworten, weil er trickreich 850 Kilo Kokain- und Amphetamin-Fracht in Hohlräumen von Industriemaschinen versteckt hatte. Diese Drogenexporte gingen dann rund um die Welt: Niederlande. Venezuela, Singapur, Australien und zurück. Seit 2006 gehörte der Rhader einem internationalen Rauschgiftring an, der die präparierten Verstecke des Rhaders für den Ex- und Import von weiteren 629 Kilogramm Kokain nutzte. Am Flughafen in Caracas (Venezuela) fielen die Drogenverstecke auf. Laut Anklageschrift tauchte der Rhader unter – und machte weiter. Im August 2014 wurde ein 49-jähriger Dorstener angeklagt, zwischen 2011 und 2012 an den Geschäften eines internationalen Drogenrings beteiligt gewesen zu sein. Der LKW-Fahrer soll als Zwischenhändler mehrere Male je ein Kilogramm Marihuana erworben und mit Gewinn weiterverkauft haben. Später wurde das Drogenangebot des Dorsteners, der bis in die Schweiz gereist war, um Kokain erweitert. – Insgesamt über 90 Spezialkräfte von mehreren Polizeidienststellen und vom Zoll durchsuchten in einer konzertierten Aktion im September 2014 Wohnungen von Drogen-Verdächtigen in Gelsenkirchen, Marl, Herten und Dorsten. In der Wohnung eines 35-jährigen Hauptverdächtigen in Dorsten fanden Ermittler 37.000 Euro Bargeld. Er wurde festgenommen und kam ihn U-Haft. Ihm wird vorgeworfen, seit längerem Handel mit Amphetaminen und Cannabis in großen Mengen betrieben zu haben. Sichergestellt wurden neben dem Bargeld 20 Kilogramm Amphetamine, eine Schusswaffe, eine Presse zur Herstellung von Ecstasy-Tabletten sowie zwei Fahrzeuge.
Sonderbericht Landeskriminalamts: Schulen sind kein Drogenparadies
Nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) Nordrhein-Westfalen war die Rauschgift-Kriminalität an Schulen von 2010 bis 2015 auf das Doppelte angestiegen. Ein Sonderbericht spricht von 897 statt 493 Delikten. Diese Fallzahlen spiegeln allerdings nur unzureichend die Realität wider. Das LKA räumt ein, dass es sich bei Drogendelikten um Kontrollkriminalität handelt. Das heißt, dass nur durch Lehrer oder Eltern angezeigte Fälle überhaupt in den Zahlen auftauchten. Eine Überwachung oder gar gezielte Kontrollen auf Schulhöfen fanden nicht statt. Wie viele Fälle tatsächlich zur Bearbeitung kommen, so das LKA, sei deshalb davon abhängig, wie stark von Seiten der Schulen gegen Drogen vorgegangen werde. Das LKA warnte davor, eine Erhöhung des Fallaufkommens mit einer Erhöhung des Drogenkonsums unter Schülern gleichzusetzen. Genau dies sei oft er allgemeine Tenor in Schlagzeilen von Zeitungsmeldungen. Zwischen 2011 und 2012 seien die Zahlen zur Anzeige gebrachter Fälle zuletzt merklich angestiegen, seither seien sie auf Landesebene relativ konstant. Bei den 3176 Rauschgiftdelikten, die im Raum Dortmund und Lünen 2015 angezeigt wurden, war in 30 Fällen der Tatort eine Schule (2017).
Cannabis als Arzneimittel auf Rezept ab 2017 erlaubt
Im Januar 2017 beschloss der Bundestag ein Gesetz, nach dem Schwerkranke in Deutschland künftig Cannabis auf Rezept verschrieben bekommen können. Der Anbau hierfür soll staatlich geregelt sein. Eingesetzt wird dann die Droge etwa bei multipler Sklerose, chronischen Schmerzen, schwerer Appetitlosigkeit oder Übelkeit infolge von Chemotherapie. Cannabis als Rauschmittel bleibt weiter verboten.
Trendwende: 2019 gab es mehr Drogentote in NRW
In Nordrhein-Westfalen ist im vergangenen Jahr die Zahl der Drogentoten deutlich gestiegen. 2019 kamen dem NRW-Gesundheitsministerium zufolge 292 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen ums Leben – das waren 52 mehr als im Vorjahr. Die Langzeitfolgen des Drogenkonsums seien bei 212 Fällen die Todesursache gewesen, so das Ministerium. Bis vor ein paar Jahren war die Zahl der Drogentoten deutlich zurückgegangen, seitdem steigt sie wieder. Schon 2018 waren es 18 Prozent mehr als 2017 gewesen. 2008 waren landesweit 380 Drogentote gezählt worden. Zwischen 2010 und 2015 hatte sich ihre Zahl um mehr als ein Drittel (36 Prozent) verringert. Dann kam es zu einer Trendwende.
Naja, so toll fühle ich mich im Café Kick nicht aufgehoben. Die Mitarbeiter machen sehr oft unnötig einen gestressten Eindruck und die PSB hält sich leider auch in Grenzen. Es entsteht der Eindruck, dass die Mitarbeiter dort lediglich eine “ruhige Kugel “schieben. Auch habe ich dort nie 40 Personen am Tag gesehen. Das hört sich alles sehr schön an, doch hilfreich ist Das Café leider kaum. Mir persönlich wurde dort wegen Bürokratie die Hilfe einfach verweigert.