Von Helmut Frenzel
24. April 2020. – Mit der schrittweisen Lockerung der staatlichen Einschränkungen, die Wirtschaft und Gesellschaft zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auferlegt wurden, wird die Frage in den Vordergrund rücken, welche Auswirkungen die Maßnahmen auf die Finanzlage von Städten und Gemeinden haben. Das Herunterfahren von Teilen der Wirtschaft bedeutet den Ausfall von Wirtschaftsleistung und damit von Steuereinnahmen. Wenn die Wirtschaftsleistung sinkt, fallen Umsätze aus und es sinken Einkommen und Gewinne. In der Folge sinken auch die Erträge aus Umsatzsteuer, Einkommen- und Gewerbesteuer. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen. Die Gewerbesteuer ist eine Gemeindesteuer, an Umsatz- und Einkommensteuer sind die Gemeinden mit einem Prozentsatz beteiligt. Zudem fallen andere Einnahmen weg wie zum Beispiel die Eintrittsgelder für das geschlossene Freizeitbad Atlantis, während die Kosten nicht nur dort weiterlaufen oder sogar steigen.
Noch weiß keiner, wie hoch die Belastungen sein werden
Was wird unter diesen Umständen aus dem Haushaltssanierungsprozess, dem sich auch die Stadt Dorsten unterziehen musste? 2020 ist das letzte Jahr des Stärkungspaktes Stadtfinanzen des Landes, der dem alleinigen Zweck diente, überschuldete Städte und Gemeinden wieder zu einer geordneten Haushaltslage zurückzuführen. Ab 2021 sollten sie wieder in der Lage sein, den Ausgleich ihres Haushalts ohne Finanzhilfe des Landes hinzubekommen. Dorsten schien das zu schaffen: Für 2020 und 2021 legte die Verwaltung einen Doppelhaushalts vor, der für beide Jahre kleine Überschüsse ausweist. Da ahnte man noch nichts von Corona. Gemessen an den satten Überschüssen der Vorjahre sollte die Haushaltsplanung ausreichend Spielraum enthalten, um Einnahmenrückgänge und gegebenenfalls Ausgabensteigerungen in einem begrenzten Ausmaß zu verkraften, ohne gleich in die Verlustzone zu geraten. Aber niemand weiß, wie hoch die Belastungen am Ende ausfallen.
Hilfsprogramme zur Abmilderung der Krise sind kreditfinanziert
Die Corona-Krise wird zur Zäsur für die Haushaltsentwicklung aller öffentlichen Hände, auch für die Stadt Dorsten. Die Zeiten, in denen die Stadt zugeschüttet wurde mit Steuereinnahmen und Fördergeldern, gehen zu Ende. Eine Rückkehr zu dem schier unverwüstlichen Wachstum der vergangenen Jahre erwartet niemand. Mehr noch: Bund und Länder, die die klammen Gemeinden in den vergangenen Jahren mit viel Geld unterstützt haben, gehen aus der Corona-Krise geschwächt hervor. Von Bundesfinanzminister Olaf Scholz stammt die Äußerung, die Bundesrepublik habe in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und könne sich die großzügigen Hilfeprogramme anders als die südeuropäischen Staaten leisten. Das war aber keineswegs so zu verstehen, als könnten Bund und Länder das Geld vom Sparkonto nehmen. Es bedeutete lediglich, dass man neue Schulden aufnehmen kann, ohne befürchten zu müssen, dass die Zinssätze steigen. Fakt ist: Alle staatlichen Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise sind kreditfinanziert. Die Verschuldung wird steigen. Das gilt auch für das Land Nordrhein-Westfalen. Die Spendierlaune gegenüber den Städten wird nicht dieselbe sein wie vor der Krise.
Das könnte sich bald an einem Projekt zeigen, das vor der Krise kurz vor dem Abschluss zu stehen schien. Bund und Länder waren weitgehend übereingekommen, die hoch verschuldeten Gemeinden von ihren Kassenkrediten zu entlasten. Es geht um 40 Milliarden Euro, von denen eine Hälfte der Bund und die andere Hälfte die betroffenen Länder übernehmen wollten. Dorsten hatte Ende 2018 noch immer 172 Millionen Euro an Kassenkrediten in den Büchern. Eine Übernahme durch Bund und Land würde Dorsten nicht nur von den Tilgungsverpflichtungen befreien, die den finanziellen Handlungsspielraum enorm einengen, sondern zugleich einen Zuwachs an Eigenkapital in gleicher Höhe und die Wiederherstellung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung bewirken. Ob es dazu jetzt noch kommt, scheint zumindest zweifelhaft.
Städtischer Haushaltplan 2020 ist bereits Makulatur
Ebenso schwer wiegt, dass der Haushaltsplan 2020 mehr oder weniger Makulatur ist. Welche Auswirkungen sich für die Planung bis 2024 ergeben steht derzeit in den Sternen. Schon die bisherige mittelfristige Planung räumt mit den Fantasien auf, es könnte nach Abschluss der Haushaltssanierung Erleichterungen für die Bürger geben. Steuern, Abgaben und Gebühren bleiben hoch. Bei der Grundsteuer B rechnet die Verwaltung mit Einnahmen auf dem bisherigen Niveau. An eine Entlastung der Bürger durch eine Wiederabsenkung des aktuellen Hebesatzes von 780 Prozent ist nicht gedacht. Die Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen, darunter fällt unter anderem die Instandhaltung der Infrastruktur, sinken. Der Anteil der Personalaufwendungen am Gesamthaushalt steigt weiter. Ein Konzept, wie sich die Stadt auf den anhaltenden Rückgang der Einwohnerzahl einstellen will, ist nicht erkennbar. Durch die Corona-Krise verschlechtern sich die finanziellen Rahmenbedingungen nun massiv. Schon gibt es Stimmen, die einen Rettungsschirm für Städte und Gemeinden fordern.
Frühere Spekulationsgeschäfte belasten den Haushalt zusätzlich
In dieser Lage wird die Stadt von alten Fehlern eingeholt, von denen man glaubte, sie seien längst bewältigt. In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des Rates von Mitte März teilte die Verwaltung mit, dass für ein Spekulationsgeschäft aus dem Jahr 2010, welches noch der frühere Stadtkämmerer Wolfgang Quallo zu verantworten hat, ein neuer Verlust in Höhe von 2,8 Millionen Euro entsteht, der das Jahresergebnis 2019 belastet. Und auch die Schweizer Franken-Kredite, die die Stadt noch immer in den Büchern hat, könnten wieder von sich reden machen. Seit dem Jahresbeginn fällt der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Schweizer Franken und verteuert den Rückzahlungsbetrag der Kredite. Sie beliefen sich Ende 2019 auf 44 Millionen Schweizer Franken. Wenn es bei dem Kursrückgang des Euro bleibt, könnte 2020 ein neuer Verlust in Höhe eines Millionenbetrages entstehen. Das alles zusammen verheißt für die Stadt Dorsten nichts Gutes und auch nicht für die Bürger. Nach zehn Jahren Haushaltssanierung, die den Bürgern viel abgefordert hat, ist das eine bittere Erkenntnis.