15. Dezember 2019. – Erinnern wir uns an unsere Kindheit, wo wir am Weihnachtsabend mit Ungeduld auf das Christkind gewartet haben, das uns die schönen Geschenke bescherte. Vor allem in evangelischen Regionen fand in den Familien die Bescherung nach dem Kirchgang am späten Nachmittag statt. Die Mutter blieb zuhause und bereitete die Bescherung und ein einfaches Abendessen vor. Aber was hat es mit der Bescherung auf sich? Und woher kommt dieses seltsame Wort „Bescherung“?
Früher, viel früher, gab es keine Weihnachtsbescherung. Da brachte der Nikolaus am 6. Dezember die Gaben. Nach der Reformation durch Martin Luther im 16. Jahrhundert, der die Heiligenverehrung in der katholischen Kirche nicht mochte, wurde in den evangelischen Regionen die Bescherung der Kinder auf den Heiligen Abend verlegt. Martin Luther in seinen Schriften: „Gleichwie man die kindlin gewenet, das sie fasten und beten und jr kleiderlin des nachtes ausbreiten, das jn das Christkindlin odder Sanct Nicolas bescheren sol.“ Neben dem Heiligen Nikolaus erwähnte Luther bereits das Christkind als Gabenbringer. Die Meinungen, woher das Christkind kommt, ob Martin Luther das Christkind erfunden hat, gehen in der Wissenschaft weit auseinander. Zumindest ist diese Meinung weit verbreitet. Während das Christkind eher in West- und Süddeutschland, dem südlichen Thüringen und in Sachsen als Gabenbringer angesehen wurde, so sagen die Volkskundler, dass in den meisten Teilen Mittel- und Norddeutschlands, aber auch in einigen ostdeutschen Landstrichen, der Weihnachtsmann für die Vergabe der Geschenke zuständig war. Dort hat der Weihnachtsmann das blondgelockte, engelhafte Christkind im weißen Kleidchen als Gabenüberbringer abgelöst. Doch im evangelischen Mittelfranken, in Nürnberg, eröffnet es so gekleidet heute noch jedes Jahr traditionell als „Christkindl“ den „Christkindlmarkt“. In diesem Jahr gab es allerdings böse Stimmen aus der rechten Szene, da das Christkindl aufgrund eines Elternteils nicht gerade dem überlieferten Aussehen entsprach.
In der Tradition des Heiligen tritt aber auch noch der Nikolaus – „tief vom Walde“ herkommend – mit dem Sack auf dem Rücken auf und verteilt Geschenke. Nach Dorsten kommt er mit dem Schiff auf dem Kanal. Dort holt ihn die Feuerwehr ab und bringt den heiligen Mann zum Marktplatz, wo er die Kinder beschert. Die kriegen natürlich auch an Weihnachten Geschenke, die dann unterm Weihnachtsbaum liegen. Der wurde übrigens erst 1802 im Vest Recklinghausen und somit auch in Dorsten eingeführt.
Die Wörter „Schar“ und „Bescherung“ stehen in enger Beziehung
Erst später wurden an Weihnachten auch Erwachsene beschert. So entstand dann der Weihnachtsbrauch der Bescherung nach der Christmette in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember. Da aber jüngere Kinder nicht so lange aufbleiben sollten und konnten, wurde er dann in Deutschland auf den frühen Abend vorgezogen. So ist es heute noch. Wer sich an das Weihnachtslied Martin Luthers „Vom Himmel kam der Engel Schar“ erinnert, dem werden die Worte „bescheren“ oder „Bescherung“ zu denken geben. Was bedeuten sie? „Schar“ und „bescheren“ stehen in einer viel engeren Beziehung zueinander als ein erster oberflächlicher Blick vermuten lässt. Und dann gibt es neben diesen beiden Wörtern noch andere, über deren Bedeutung man in diesem Zusammenhang eigentlich nicht herumkommt.
Zunächst die „Schar“. Hört man aus diesem Wort nicht einen militärischen Unterton heraus? Fest und geschlossen, ein Friedenkorps aus überweltlichen Sphären, treten die Engelscharen oder himmlischen Heerscharen auf; deren helle Schar“ – so in einem mittelalterlichen Text – ist die Kampftruppe des Höllenfürsten gemeint. Sehr irdisch hingegen gebärdeten sich die „Freischaren“ vor der Revolution von 1848 auf deutschem Boden. Und in manchen österreichischen Gebieten hießen und Unterbezirke nach einer alten Milizordnung „Schaaren“. Und das alte heute verschollene Adverb „scharecht“ bedeutete „in Scharen geordnet“. Aus dem 16. Jahrhundert stammt das Beispiel: „Die höwstöffel wiewohl die keinen hauptmann habend, so ziehend sy doch alle scharecht daher.“
Kabale und Liebe: „Da haben wir die Bescherung“
Was hat das alles mit „bescheren“ zu tun? Um es ganz kurz zu sagen: In Schar, bescheren (einst bescharen), aber auch in Schere, Scherbe oder Scharte, in scharf, schärfen und schürfen, schließlich im mundartlichen Wort „Schär“ für den Maulwurf und im Nordischen Begriff „Schäre“ (Klippe, Insel) steckt die Grundbedeutung des Schneidens oder des Abgeschnittenseins. Mit der Schere werden Stücke eines Ganzen abgeschnitten, die Pflugschar „schert“ einen Teil des Ackerbodens weg, eine Scherbe ist ein abgetrenntes Teilstück usw. Nun kann, was abgeschnitten ist, einzelnen Menschen oder Gruppen zugeteilt werden. Englisches share heißt Anteil und ist zum Begriff der Aktie geworden. Legte man diesen Zuteilungsvorgang den Sinn von etwas Schicksalhaftem bei, weil man unter dem Eindruck stand, höhere Mächte teilten jedem Liebes und Leid zu, so war der erweiterte, zugleich vertiefende Begriffsinhalt da, der mit „bescheren“ das Glaubensfeld der Prädestination streift. Am Rande noch: neben dem religiösen Gebrauch des Wortes Bescherung gibt es die ironische Verwendungsart, etwa da, wo der arme Vater Miller in Schillers „Kabale und Liebe“ verzweifelt ausruft: „Da haben wir die Bescherung!“
Es wäre verlockend, aus dem großen Vorrat an Vergleichs- und Bezugsstellen die eine oder andere herauszugreifen. Zum Beispiel, was alles von der (versalzenen) Suppe über die (böse) Zunge zum (strengen) Blick scharf, das heißt schneidend sein kann! Oder welch neuer Stil sich durch rückbezüglichen Gebrauch des Verbums ergibt: Scher dich weg, was schert mich Weib und Kind oder was scheren mich die täglichen Internet-Meinungsauftritte des Bürgermeisters! Nah und unmittelbar wirkt der Sinn von bescharen, bescheren (zuteilen) etwa in der „Offnung von Salzburg“ aus dem Jahre 1469: „Die nachspuren söllen das vich (zum Weidegang) bescharen, und mögen sy des nicht ains werden, so mag es ein vogt tuen.“ Umgekehrt hat sich der Begriff Schar sehr weit von seinen Ursprüngen entfernt. In grauer Vorzeit, so sagt Trübners großes Wörterbuch, wurde der Heerbann „durch Runenstäbe aufgeboten, es bedurfte des Schnittes in den Stab, um die Krieger zuhauf zu bekommen. Da die germanische Heeresverfassung auf landwirtschaftlicher Grundlage beruhte, mochte für jeden Bezirk Sammelplatz und Zeitpunkt in einen eigenen Runenstab geschnitten werden: dann konnte Schar von ,Runenschnitt’ zu Heeresabteilung werden.“
Fazit dieses mitunter recht verwirrenden Tradition der Bescherung
Bescherung ist ein Brauch christlicher Länder zu Weihnachten. Der Zeitpunkt dieser Zeremonie hat sich über Jahrhunderte verändert, die Vorfreude vor allem der Kinder nicht. Und nun eine frohe Weihnachtszeit! Mögen wir uns über die Geschenke freuen, die uns am 24. Dezember von Engeln, vom Christkind, Weihnachtsmann oder vom Vater und von der Mutter, von den Geschwistern und den Kindern und Freunden und beschert werden.
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