Von Wolf Stegemann
17. Mai 2019 – Wer in Dorsten und Umgebung Rock-Konzerte mit Gesang besucht, der könnte einem 43-jährigen Sänger begegnen, dessen Stimme einen sofort in den Bann zieht. Der, von dem die Rede ist, ist weder Deutscher noch Europäer. Er ist ein Seychelloir, heißt Andre William, und lebt seit anderthalb Jahren in Dorsten. Die Stadt liebt er von Anfang an (fast) über alles. Gefragt, was im Einzelnen: „Das Licht, die Jahreszeiten, die Straßen, die Ruhe, die Bäume, den Kanal, die Lippe und auch die Dorstener.“ Und eine dieser Dorstenerinnen liebt er über alles. Das ist seine Frau Janina Filippin, eine der Töchter des legendären Eismachers und Künstlern Antonio Filippin am Marktplatz, der 1993 auf die Seychellen ausgewandert ist und von der Insel Mahé nicht mehr weg möchte. Sein Seychelloir-Schwiegersohn hingegen liebt mit Dorsten den extremen Gegensatz. „Hier“, so sagt er, „ist alles wou!“ Daher entschied er sich, nach einem Urlaub 2016 mit seiner Frau in ihrer Heimatstadt, ein Jahr später ganz nach Dorsten zu übersiedeln. Für Janina war es ein Heimkommen, für ihn ein Weggehen. Das Ankommen war gar nicht so einfach, denn das Dorstener Ausländeramt verweigerte ihm, dem Ehemann einer Dorstenerin, zunächst den Aufenthalt in Dorsten, da er keine Deutschkenntnisse per Bescheinigung „des dortigen Goethe-Instituts“ nachweisen konnte. Die Ablehnung wurde allerdings rückgängig gemacht, als dem Ausländeramt mitgeteilt wurde, dass es im ganzen Staat der Seychellen überhaupt kein Goethe-Institut und somit die Möglichkeit gibt, Deutsch zu lernen. Dafür hätte er zum Unterricht 1580 Kilometer nach Kenia fliegen müssen. Mittlerweile kann Andre William leidlich Deutsch.
Mit Herz und Seele immer der Musik verbunden – auch beim Militär
Was er gut kann, ist Singen. Reggae, Jazz, Oper, Gregorianik. Das macht der Wahl-Dorstener mit Herzblut und professionellem Können auf Konzerten. Unlängst trat er im Vinyl-Café auf, dieser Tage singt er auf dem Georgsplatz (19. Mai) und im September wieder in Vinyl-Café zu hören (Foto A. Filippin). Unter dem Künstlernamen „Yam“ (Lecker) hat er bereits auf den Seychellen Alben vorgelegt. In Dorsten arbeitet er an einer neuen CD und anderen Projekten.
„Music is in my blood as in my culture,” sagt er, der schon als Kind mit seiner Großmutter gesungen hat. Sie konnte zwar singen aber weder schreiben noch lesen. Geboren wurde Andre William 1976 in der Hauptstadt der Seychellen, Victoria, eine Stadt so groß wie Raesfeld. Sein Zwillingsbruder starb bei der Geburt. Andre wuchs bei seiner Oma und seinem Onkel in einfachen Verhältnissen auf, besuchte eine Schule für Kochen, was zu einer weiteren Leidenschaft wurde. Dann trat er als Berufssoldat in die Armee ein, wo er am Fallschirm die kleine Welt der Seychellen, von der Grundfläche der 1500 benannten Inseln so groß wie Bremen, überblicken konnte. Als Soldat wurde er für ein Jahr in den „Sozial National Chor“ der Seychellen zum Singen abgestellt. Mit dem Chor und Opern- und Operettenliedern trat er dann auch in China auf. „Ich war immer nur Sänger, habe kein Instrument gespielt und konnte mich so auf meine Stimme konzentrieren.“
Nach der Militärzeit im Jahr 2002 blieb er bei der Musik und legte sein erstes in Singapur produziertes Album „San Stil“ (Ohne Stil) in einer Auflage von 2000 Stück vor. „Es war ein Mix ohne festgelegten Stil.“ Da es auf den Seychellen viele Kulturen gibt – wie kreolisch, französisch, englisch –, wurde ihm die CD förmlich aus der Hand gerissen.
Auf den Seychellen ein Superstar im Fernsehen und in den Zeitungen
Mit 28 Jahren war Andre Williams alias Yam bereits als professioneller Sänger auf den Seychellen ein Superstar. Er trat im Fernsehen auf und sogar das südafrikanische Fernsehen übertrug seine Konzerte. Zeitungen schrieben über ihn. In seinem Haus betrieb er ein Tonstudio. Spektakulär und populär war sein Konzert-Projekt mit Liedern von Joselyn Pereau, dessen ältere Lieder William alias Yam neu arrangierte. „Viele Seycheller hatte es mir nachgemacht!“ Auf seiner zweiten CD – Projekt „Santimantal – mon fanzeti“ (meine Fantasie) sind gregorianische Gesänge auf kreolisch zu hören, war für seine Fans wohl zu anspruchsvoll war, denn die CD verkaufte sich nicht so gut. Seine Erfahrung: „Für mich ist diese CD die bisher beste, für andere war sie zu kompliziert, sie mögen wohl einfachere Musik.“ Gute Erfahrung machte Andre William beim Singen mit Freunden in Hotels, in denen die wohlhabenderen Touristen abstiegen, die Konzerte aber auch von Einheimischen besucht wurden. „Bei einem solchen Konzert lernte ich auch meine Frau Jannina kennen, die gerade einen Sonnenbrand hatte!“ Janina fuhr dann viermal jährlich auf die Seychellen, um ihn zu besuchen und natürlich auch ihren Vater. Das war alles sehr anstrengend, so dass er ihrer Aufforderung „Start with me to Dorsten“ nachkam. Geheiratet haben sie vorher noch auf den Seychellen.
In Dorsten sah und fühlte er erstmals Schnee, doch das Beste ist das Bier
Freunde in Dorsten? „Ja, einige, vor allem im Musikbereich mein Freund Werner Althoff, der mich am Klavier und auf der Gitarre begleitet.“ Weitere Projekte sind geplant bzw. bereits angelaufen: Ein Projekt in Gladbeck mit Reggae und mit dem Münsterländer Studio in Münster. Schmunzelnd vergleicht er sein Musik-Auftreten mit eine Tasse Kaffee: „Ich bin der Kaffee, mein Freund Werner Althoff die Milch und die Musik ist Zucker!“
Und immer wieder kommt im Gespräch mit ihm seine Schwärmerei für Dorsten zum Ausdruck. Vielleicht liegt es daran, dass auf den Seychellen nicht alles zu bekommen ist und manches nur schwer, wenn er Dorsten mit einer Schachtel vergleicht, in der alles, was der Mensch braucht, zusammengepackt zu finden ist. Doch das Beste an Dorsten, wo er das erste Mal Schnee sah und fühlte, ist etwas ganz anders: „Das Beste ist das Bier!“
Siehe auch: Wie gehts Antonio Filippin? Seine Tochter Alexandra besuchte ihn 23 Jahre nach seiner Auswanderung…
Siehe auch: Was macht eigentlich Antonio Filippin?
Gibt es Konzerttermine? Würde diesen außergewöhnlichen Künstler gern live erleben und hören.