Häuser, die einst Dorstener Juden bis 1942 gehörten, bevor sie vertrieben oder in Lagern ermordet wurden. Die Wiesenstraße war das geistige Zentrum des Dorstener Judentums – Ein Überblick (1)

Anzeige in der Dorstener Volkszeitung

A. Sch. – Zur Einführung: Ende des Monats, am 27. Januar, jährt sich die Befreiung des deutschen NS-Konzentrations- und Todeslagers Auschwitz in Polen, in dem Menschen, vor allem jüdischer Herkunft, fabrikmäßig ermordet wurden, darunter auch Juden aus Dorsten. Dieser Tag wurde in Deutschland zum Gedenktag. Juden, die nicht rechtzeitig Deutschland oder die besetzten Kriegsgebiete verlassen konnten, kamen in den Todeslagern ums Leben. Ihre Häuser und Grundstücke unterlagen der staatlichen „Arisierung“, besser gesagt der Beraubungspraxis der Behörden. Sie mussten nicht nur ihre Immobilien abgeben, der Erlös verblieb meist beim Finanzamt. Ihnen wurde von den örtlichen Behörden auch die persönliche Habe wie Wohnungseinrichtungen, Bilder, Schmuck, Kleidung, Teppiche und dergleichen abgenommen und zum Wohle der Stadt veräußert und öffentlich versteigert. Die Eigentümer waren bereits in den Todeslagern. So auch in Dorsten geschehen. Dazu 1951 Stadt- und Amtsdirektor Dr. Walter Banke: „Das Amt Hervest-Dorsten hat sich anweisungsgemäß und äußerst korrekt verhalten!“

Dorstens NS-Vergangenheit in den 1980er-Jahren aufgearbeitet

In diesen Tagen haben die öffentlich-rechtlichen dritten Programme (ARD) den 1978 in vier Teilen erschienenen US-Fernseh-Spielfilm „Holocaust“ als Wiederholung ausgestrahlt, der all das, was mit den Juden in Deutschland geschah – von der Diskriminierung über die Ausraubung und Vertreibung bis hin zur Ermordung –, ergreifend und aufrüttelnd erzählt. Die Ausstrahlung des Films vor 40 Jahren, wogegen sich deutsche Politiker parteiübergreifend gesträubt hatten,  war maßgeblich der Auslöser, dass in vielen Städten Deutschlands das Schweigen über die örtlich stattgefundenen Geschehnisse gebrochen, Neugier in der Nachkriegsgeneration geweckt wurde und Anfang der 1980er-Jahre die Forschungsarbeiten über die nationalsozialistische Vergangenheit vor der eigenen Haustür begannen. Auch in Dorsten. Dirk Hartwich und der Journalist Wolf Stegemann begannen mit ihrer Arbeit, die Geschichte des Nationalsozialismus in ihren gesamten Facetten vor Ort aufzuarbeiten. Auch gegen Widerstände. Die Ergebnisse wurden in vier Bänden „Dorsten unterm Hakenkreuz“, herausgegeben von Wolf Stegemann und Dirk Hartwich, zwischen 1983 und 1986 veröffentlicht. Das Bild zeigt den Auschwitzüberlebenden Ernst Metzger (Wiesenstraße) bei einem Besuch in seiner Heimatstadt zwischen W. Stegemann (l.) und D. Hartwich. – Danach erschienen noch weitere Bücher wie „Juden in Dorsten und in der Herrlichkeit Lembeck“ (Hg. Wolf Stegemann/Sr. Johanna Eichmann, 1989). Die Basis dieser Arbeit bildete dann die von Hartwich und Stegemann gegründete Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“, der sich auch andere anschlossen wie Christel Winkel, Sr. Johanna Eichmann, Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel und Anke Klapsing. Als „Krönung“ ihrer Forschungs- und Publikationsarbeit gründete die Forschungsgruppe 1987 das „Jüdische Museum Westfalen“, das 1992 eröffnet wurde.

Etliche Juden waren in Dorsten Hausbesitzer, Metzger,  Kaufleute, Händler und Kaufhausbesitzer

Von Wolf Stegemann

Eigenen Grund zu erwerben und zu besitzen, war Ju­den früher unter den meisten Landesherren in Deutschland verboten, sieht man von wenigen zeitlich beschränkten Ausnahmen ab. Die Regierenden, ob nun Kaiser, Fürsten, Bischöfe oder die Räte in den freien Reichsstädten, ließen es sich gut bezahlen, wenn sie Juden die Ansiedlung, in Ausnahmefällen den Er­werb eines Hauses gestatteten. Meist stellten sie den Juden die Häuser gegen hohe Mieten nur zum Wohnen zur Verfügung. Der Be­sitz der Juden beschränkte sich auf Geld, mit dem sie beweglichen Pfand- und Wucherhandel betrieben. Je kleiner der Besitz vom Umfange her war und je größer von Wert, desto leichter konnten die Juden ihn bei Ver­treibung mitnehmen und retten. Als die beiden ersten Juden, Moyses David und Michel Samuel, im Jahre 1808, vor 210 Jahren, nach Dorsten kamen, durften Juden Grundbesitz erwerben. Während kurze Zeit später Moyses David als Grundeigentümer in den Katasterblättern und Steuerlisten auftaucht, brachte es Michel Samuel nicht zum Grundeigentümer. Bei der Uraufnahme der Grundstücke in den Jahren 1822 bis 1827 gab es innerhalb der Wälle bereits drei Juden mit grundsteuerpflichtigem Eigentum: Moyses David, Salomon Meier und Samson Nathan Eisendrath. 1831 er­warb Herz Wolff ein Grundstück, 1854 folgten Moses Heß, 1852 Salomon Grünebaum, 1857 Samuel Grüne­baum, nochmals Moses Heß und 1864 Simon Perlstein. Ezechiel Heß erscheint erstmals 1858 als Erbe des Sam­son Nathan Eisendrath. Als jüdisches Zentrum in der Stadt kann die Wiesenstraße angesehen werden, wo sich viele Juden niederließen, Häuser kauften, Handel trieben und ihre Synagoge einrichteten. Später ver­teilten sich die Ladengeschäfte auf die attraktivere Lip­pestraße, auch auf die Essener Straße. Den umfang­reichsten Grundbesitz von Juden in Dorsten gab es in der Zeit um 1880. In diesem Jahr waren über zwölf Grundstücke in jüdischem Besitz. Es war zugleich die Blütezeit der jüdischen Gemeinde seit ihrem Beste­hen.

Industrialisierung lockte viele jüdische Händler aus Dorsten ins Ruhrgebiet

Doch bald verkauften etliche Juden ihre Häuser und Gärten und zogen aus Dorsten fort. Die schnell fort­schreitende Industrialisierung des nahen Ruhrgebiets schuf neue Zentren, die für viele Händler und Hand­werker verlockender waren als die durch den allgemei­nen Ausbau der Eisenbahn und durch den Straßenbau im Niedergang begriffene enge Lippehandelsstadt Dorsten. Zurück blieb ein ländlich orientiertes Judentum, das kleinen Manufakturhandel betrieb, mit der Kiepe auf der Schulter ebenso wie in festen Geschäf­ten. Damit unterschieden sich die Juden in keiner Weise von ihrer christlichen Umgebung. Zum Orts­wechsel kam eine allgemeine Auswanderungswelle nach Amerika hinzu, die auch etliche Dorstener, dar­unter Juden, erfasste wie beispielsweise die Familie Eisendrath.

Im Nationalsozialismus: Vertrieben, ausgeraubt und ermordet

Das sogenannte Riese-Haus in der Alleestraße 10 steht heute noch

1933 gab es in der Innenstadt Dorsten nur noch sechs Grundstücke in jüdischem Besitz. Die Eigentümer waren Perlsteins, Neuberg, Joseph und die Synagogengemeinde. Der späteren Deportation und Vernichtung der Juden in den Ghettos und Todeslagern ging von jetzt an die bürgerliche, wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung der Juden voraus. Wer bis 1938 seinen Grundbesitz oder sein Geschäft noch nicht an „arische“ Nachfolger abgegeben hatte, wurde dazu ge­zwungen („Zwangsarisierung“). Häuser haben Ge­schichte. Würden die schmucken Bürgerhäuser mit reichem Zierrat an den Fassaden, die geduckten Fachwerkhäuser und die in den Verkaufsurkunden oft als „minderwertig“ eingestuften Häuser mit ihren Höfen, Ställen und Scheunen noch stehen, die Stadt wäre reich an authentischen Merkmalen jüdischer Ge­schichte. Doch die Bomben des letzten Krieges, die Dorsten in Schutt und Asche legten, vernichteten diese Zeugen der Geschichte. Ein Haus überstand die Bombardierung und die „Sanierung“ der Stadt durch den Wiederaufbau. Das Gebäude Alleestraße 10 ist das einzige übriggebliebene Haus in der heutigen Altstadt, das von einem Dorstener Juden gebaut wurde Es hat eine schillernde Geschichte. Zuerst in jüdi­schem Besitz, gehörte es später der katholischen Kirche, die es im Dritten Reich an die NSDAP vermie­ten musste. Heute gehört es wieder der katholischen Kirche.

Häuser und Grundstücke über die gesamte Innenstadt verteilt

Die in den folgenden Grundstücksbeschreibungen her­vorgehobenen und in Klammern gesetzten Bezeich­nungen sind Vorkriegsnummerierungen, die in Dorsten ab 1902 eingeführt wurden. Vor 1902 waren im alten Dorstener Gebäudebuch (in Lembeck und Wulfen bis etwa 1950) die Häuser mit durchlaufenden Hausnum­mern ohne Straßenbezeichnungen geordnet. Wo sich heutige Nummerierungen aufgrund der Umlegung und Neuparzellierung beim Wiederaufbau von der alten Nummerierung unterscheiden, ist dies in Klammern ver­merkt.

Katasterkarte von 1822 mit Einzeichnung von Häusern und Wohnungen Dorstener Juden bis zur Deportation

Alleestraße 10: Um 1857 erwarb Samuel Grünebaum das Grundstück Dorsten Nr. 448/1 von Oswald Adam Glaser. Es war ein Garten zur Katharinenstraße gelegen. Grünebaum bebaute ein Jahr später das Grundstück mit einem Haus, das er 1869 an Eduard Riese verkaufte, dessen Töchter (Strickschule Riese) es später der Pfarrgemeinde St. Agatha vermachten, in deren Besitz es heute noch ist. Mit diesem Haus hat es eine besondere Bewandtnis. Es ist das einzige noch existente Haus im heutigen Altstadtbereich, das ein Jude baute. Gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Zeit setzte die NSDAP die Kirche unter Druck, ihr das Haus für die NS-Frauenschaft und für die Hitlerjugend zu überlas­sen, was dann auch geschah. So wurde aus dem frühe­ren Haus des Juden Samuel Grünebaum, das inzwi­schen der katholischen Kirche gehörte, ein nationalso­zialistisches Heim.
Blindestraße (Nonnenstiege 10, heute Elisabeth-Hunekuhl-Straße 2: Im gleichen Jahr kaufte Samson Nathan Eisendrath das Haus Dorsten Nr. 325 in der Blindestraße (später Nr. 19/Nonnenstiege 10, heute Elisabeth-Hunekuhl-Straße 2). Nach der Vergrößerung des Grundstücks und nach dem Anbau eines Hinterhauses im Jahre 1842 erfolgte der Ausbau zu einer Gerberei. 1856 übernah­men die Brüder David Samson Eisendrath und Moises Samson Eisendrath Haus und Grundstück. Später wurde David Samson Eisendrath alleiniger Eigentü­mer, der das Anwesen 1870 an den Christen Georg Mensink verkaufte. Ein Teil des Grundstücks fand 1887 wieder einen jüdischen Besitzer: Samuel Rosen­heim. Dieser verkaufte es an einen christlichen Besit­zer, der das Haus 1909 an den jüdischen Kaufmann Al­bert Hertz aus Coesfeld veräußerte, bis es schließlich 1914 in den Besitz der christlichen Familie Kottendorf überging.
Blindestraße 34 (heute Ursulastraße 34): Moses Heß kaufte um 1857 das Haus Nr. 23 (heute Ursulastraße 34). In den Güterauszügen und den zugehörigen Protokollen von 1865 wurde zwar als Wohnort des Eigentümers Moses Heß noch Dor­sten 23 angegeben, dann jedoch in Essen geändert. 1875 wurde der Schiffbauer Albert Abel Eigentü­mer, bis es nach mehreren Besitzern Dr. Herberhold erwarb.

Perlstein, Essener Straße 24

Essener Straße 22: Der Metzgermeister David Perlstein erwarb 1911 das Geschäftshaus Essener Straße 22 von dem Juwelier Aloys von Oy. Nach dem Tod von David Perlstein wurde die Erbengemeinschaft Eigentümerin (wie Es­sener Straße 24, siehe dort). Dieses Haus wurde 1938 »arisiert«, ebenso zwei Grundstücke auf der Hardt.
Essener Straße 24: Im Jahre 1902 verkaufte David Perlstein das Haus am Südgraben und erwarb dafür das Grundstück Dorsten Nr. 211 in der Essener Straße (später Nr. 24, heute Nr. 20), das mit einem Wohnhaus und einem Schlacht­haus bebaut war, zudem auf einer dazugehörigen Par­zelle mit einer Scheune. 1903 wurde eine Wurstküche neu gebaut. David Perlstein starb 1933. Die Erbenge­meinschaft, bestehend aus der Witwe und sechs ande­ren Familienmitgliedern, musste das Grundstück 1939 verkaufen.
Friedrichstraße 86 (später Beethovenstraße 8): Die Fabrikbesitzer Hugo Bacharach und Alfred Gottschalk erwarben das Haus 1919 und verkauften es 1920. Dafür erstanden sie das Gebäude Schiller­straße 13, das sie vier Monate später zum gleichen Preis veräußerten.
Gordulagasse 13/15: Von 1852 bis 1876 war Salomon Grünebaum Eigen­tümer der beiden Grundstücke Dorsten Nr. 172 und 173.
Gordulagasse 16: Herz Wolff erwarb das Gebäude Dorsten Nr. 184 im Jahre 1831. Er veräußerte den Besitz 1841. Dafür kaufte er das Haus Dorsten Nr. 152 (Suitbertusstraße 8). 1876 wurde Samuel Rosenheim Eigentü­mer, der das Grundstück 1879 weiterverkaufte, um das Grundstück Dorsten Nr. 325/2 (Nonnenstiege 10) zu erwerben.
Klosterstraße 3: Von Wilhelm Duesberg kaufte der Metzgermeister Ernst Perlstein im Jahre 1921 das Grundstück Kloster­straße 3, wo er eine Metzgerei einrichtete. Das Anwe­sen wurde im Dezember 1935 „arisiert“.
Lindenfelder Straße 10: Hugo Mendel aus Coesfeld und Paul Jonas aus Bor­ken kauften 1921 das Haus, das sie kurze Zeit später wieder veräußerten.
Lippestraße 22a: 1919 erwarb Else Neuberg, die zuvor in der Reckling­häuser Straße 9 wohnte, Haus und Hofraum in der Lip­pestraße 22a. Sie eröffnete und betrieb dort das “Kauf­haus zum Bär«. Durch Kaufvertrag vom 4. Mai 1937 wurde das Geschäft „arisiert“.
Lippestraße 32: Salomon Meyer wird bei der Uraufnahme von 1827 als Eigentümer des Hauses Dorsten Nr. 299 in der Lippe­straße (später Nr. 32, heute Nr. 30) ausgewiesen. Im Tauschverfahren erwarb er 1842 Haus und Grundstück Dorsten 249 (später Lippestraße 39). Fünf Jahre später erfolgte die Umschreibung auf Ezechiel Heß, den Schwiegersohn von Salomon Meyer, der 1859 auch ei­nen Garten in der Straße „Im Kühl“ erwarb. 1889 er­folgte die Auflassung des Hauses und Verkauf an die Firma Johann Nolde und Söhne zu Buer, die ab 1896 in diesem Anwesen, das durch den Ankauf eines weite­ren Grundstückes ansehnlich erweitert wurde, ein Kaufhaus einrichtete. Verkäufer war der Sohn und Erbe von Ezechiel Heß, Isaias Heß, Rechtsanwalt in Gelsenkirchen. Ezechiel Heß hatte zusätzlich in Her­vest Grundbesitz. 1862 erwarb er einen Garten in der Flur „Harsewinkel“, der 1867 auf Samuel Rosenheim umgeschrieben wurde, der das Grundstück 1895 wie­der verkaufte. Später wurde auf diesem Gartengrund­stück der Parkplatz des Wasser- und Schifffahrtsamtes (später Liegenschaftsamt, heute Flüchtlingsunterkunft im Bereich Maria Lindenhof) angelegt. 1928 verkauften die Erben Nolde ihre Häu­ser in der Lippestraße an die Firma Gebrüder Kauf­mann in Aplerbeck zu einem recht hohen Kaufpreis von 155.000 RM. Alleininhaber dieser Firma war der Jude Siegmund Cohen, der nach dem Kauf von Aplerbeck nach Dorsten zog. Der Firmenname „Gebrüder Kaufmann“ wurde beibehal­ten. Der Besitz umfasste die Grundstücke Lippestraße 39, Im Kühl 10, 12, 16, 18 und 20. Aufgrund der Welt­wirtschaftskrise kam die Firma 1930 in finanzielle Schwierigkeiten, so dass im Frühjahr 1930 ein Konkursverfahren über das Vermögen des Juden Siegmund Co­hen eröffnet werden musste. Im März 1938 wurde der Besitz „arisiert“.
Lippestraße 52: Um 1875 erwarben die Eheleute Jacob und Sara Perlstein das Haus Dorsten Nr. 309; 1893 erfolgte die Umschreibung auf den Metzger Salomon Moses Perlstein, der das Anwesen 1904 an den Metzger­meister Johann Hollmeyer verkaufte.
Lippestraße 57: Das Haus Dorsten Nr. 259 (später Lippestraße 57) blieb bis zur Deportation der Juden im Jahre 1942 im Besitz der Familie Perlstein. Zusammen mit dem jüdi­schen Gemeindehaus in der Wiesenstraße wurde es von den nationalsozialistischen Behörden als soge­nanntes „Judenhaus“ deklariert, in dem kurz vor der Deportation in die Todeslager mehrere jüdische Fami­lien leben mussten. Von der Witwe Peter Duesberg er­warb der Metzger Simon Perlstein um 1877 die Grund­stücke Dorsten Nr. 141 (Südgrabens 50) und Dorsten Nr. 259, wo er Schlachthaus und Stallung unter­brachte. Nach dem Tode von Simon Perlstein im Jahre 1886 erfolgte die Umschreibung auf den Metzger Salomon Moses Perlstein, der 1933 starb. Durch Vertrag vom 27. September 1923 wurde im Rahmen einer vor­weggenommenen Erbfolge Franziska Perlstein Eigen­tümerin. In der damaligen inflationären Zeit wurde der Wert der Grundstücke auf 12 Milliarden Reichs­mark geschätzt. 1934 trat Hildegard Perlstein das Erbe ihrer Eltern Moses und Pauline Perlstein an. Sie blieb Eigentümerin des Hauses bis zur Umschreibung auf das Deutsche Reich.
Lippestraße 59: Die Familie Ambrunn (siehe Anzeige) wohnte zur Miete in Haus Lippestraße 59. Besitzer war Hühnerschulte, späterHeinck, heute Dorsten-Treff. Die Ambrunns wurden deportiert und ermordet.

Markt 14: Im August 1919 kaufte Ernst Joseph Grundstück, Ge­bäude und Hofraum am Markt 14 von dem Gastwirt Jo­hann Koop, um sein Modegeschäft von der Reckling­häuser Straße zum Markt zu verlegen. Den Kaufpreis bezahlte Joseph mit der Übernahme einer Hypothek, die auf dem Haus lag, und mit einem Viertel der Ge­samtsumme in bar. Schon Ende 1919 löste Ernst Joseph die Restgeldhypothek des Vorbesitzers ab und nahm dafür ein Darlehen bei der Kreissparkasse Reckling­hausen auf. 1923 wollte Joseph das Haus zu einem Ki­nosaal umbauen. Die Pläne waren ausgearbeitet und von den Baubehörden genehmigt. Zur Ausführung kam es allerdings nicht. Die Gründe sind nicht be­kannt. Nach dem Boykott der jüdischen Geschäfte vom 1. April 1933 wanderte die Familie nach Holland aus. Ernst Joseph blieb Eigentümer des Hauses. Über die Zwangsversteigerung kam die Kreissparkasse in den Besitz des Hauses, die das Anwesen dann weiterver­kaufte.
Ostgraben 2: Der erste Jude, der in Dorsten ein Grundstück erwarb, war Moyses David. Er war bereits bei der Uraufnahme im Besitz des Hauses Dorsten 62/1 am Ostgraben (spä­ter Nr. 2, heute Straße/Grünanlage), das er 1861 wieder verkaufte.
Ostgraben/Ecke Blindestraße (heute Ursulastraße): 1911 erwarb der Kaufmann Sally Simon aus Berge (Provinz Hannover) Haus und Grundstück am Ost­graben; 1915 wechselte der Besitz an einen Dorste­ner Kaufmann.
Recklinghäuser Straße 7: Im Grundsteuerkataster von 1865/67 ist Moises Eisen­drath als Eigentümer der Grundstücke Dorsten Nr. 92 in der Recklinghäuser Straße (später Nr. 7) und in der Grabenstraße (später Südgraben genannt) verzeich­net. Er erwarb und veräußerte sie bereits um 1870 an den jüdischen Metzger Bernard Wolff. Moises Eisendrath kaufte 1869 von Samuel Rosenheim einen „Gar­ten Ovelgünne“. Das Grundstück lag dort, wo später die Eisenbahn die Vestische Allee kreuzte und bis vor wenigen Jahren der alte Busbahnhof lag. Der Gerber Eisendrath stellte zwar 1864 einen Konzes­sionsantrag zur Errichtung einer Lohgerberei, verzich­tete aber auf den Bau und verkaufte den Garten schon 1871 an den Christen Peter Imberg, also zeitgleich mit dem Verkauf des obigen Grundstücks an der Reckling­häuser Straße.
Recklinghäuser Straße 35: Moses Heß erwarb um 1865 das Haus Dorsten Nr. 161, das er nach zwei Jahren weiterverkaufte.
Südgraben 50: Um 1864 kaufte der jüdische Metzger Simon Perlstein das Haus Dorsten Nr. 141 (heute Südgraben 50). Nach seinem Tode erfolgte 1886 die Umschreibung des Grundstücks auf David Perlstein, der 1902 das Haus an einen Christen verkaufte, um gleichzeitig das Haus Dorsten Nr. 211 (Essener Straße 24) zu erwerben.
Suitbertusstraße 18: Samson Nathan Eisendraht, der im Haus Dorsten Nr. 357 (Wiesenstraße 19) wohnte, erwarb das Gebäude Dorsten Nr. 145 in der Suitbertusstraße/Ecke Südgra­ben (später Nr. 18, heute Nr. 14). Als Besitzer ist er be­reits in der Uraufnahme von 1827 erwähnt. Schon 1833 veräußerte er das Wohnhaus an den Christen Hermann Rühler. Dieser verkaufte es 1858 an den Vorsteher der jüdischen Gemeinde, Ezechiel Heß, der zu dieser Zeit im Haus Lippestraße Nr. 249 wohnte. Das Grundstück umfasste zwei Parzellen. 1862 erwarb der Christ Wil­helm Albers die eine und der Jude Benjamin Rosen­berg die andere Parzelle. Nach dem Tode von Benja­min Rosenberg erfolgte 1875 die Umschreibung auf die Witwe Rita Rosenberg geb. Seligmann und deren Kin­der je zur Hälfte: Nathan Lewi Rosenberg (Herschheim), Johann Lewi Rosenberg (Essen), Herz Lewi Rosenberg (Essen), Abraham Lewi Rosenberg (Rheydt). 1884/85 bekam sechs Achtel des Grund­stücks der Armenfonds und zwei Achtel verblieben der Familie Rosenberg. Drei Jahre später übernahm der Nachbar Wilhelm Albers die gesamte Parzelle.
Wiesenstraße 14: Im Jahre 1835 erwarb Samson Nathan Eisendrath Haus und Grundstück Dorsten Nr. 349/1 in der Wie­senstraße (später Nr. 14, heute Nr. 10) von der Witwe van Vühren. In dem Haus hatten die Dorstener Juden ab 1809 für wenige Jahre ihre erste Synagoge. Schon 1836 ver­kaufte Samson Nathan Eisendrath das Haus an den Christen Heinrich Bremmenkamp.
Wiesenstraße 19: Bei der Uraufnahme 1827 war Samson Nathan Eisen­drath im Besitz des Hauses Dorsten Nr. 357 in der Wie­senstraße (später Nr. 19, heute Bauhausstiege 5/Ecke Wiesenstraße). Um 1840 erfolgten ein Austausch von Grundstücksteilen mit Nachbarn sowie eine Neube­bauung im Bereich der heutigen Wiesenstraße und Bauhausstiege. Die Umschreibung des Grundsteuer­katasters auf den Kaufmann Meyer Wolff und dessen Ehefrau Eva Eisendrath erfolgte 1880/81; das Ehepaar wanderte 1880 nach Amerika aus. Ein Jahr später war Salomon Oppenheimer der Eigentümer des Hauses und des Grundstücks, das 1904 der Nachbar Heinrich Krietemeyer erwarb. Da Samson Nathan Eisendrath bereits 1857 starb, die Umschreibung aber erst 1880 auf den Namen Meyer Wolff erfolgte, war Samsons Ehe­frau Julia Erbin des Hauses; sie starb 1878. Laut Testa­ment vom 13. Februar 1855 haben sich die Eheleute Ei­sendrath zu Alleinerben eingesetzt. So ist auch zu erklären, dass das Grundstück formell bis 1880 bei Samson Nathan Eisendrath blieb.

Synagoge in der Wiesenstraße 24 (helles Haus rechts hinten)

Wiesenstraße 24: Haus und Grundstück Dorsten Nr. 364 (Wiesenstraße 24, heute Nr. 16/18) wurden 1859 von Moses Heß und Moises Eisendrath erworben, die das Anwesen 1869 an die Synagogengemeinde Dorsten verkauften, die dort eine Synagoge einrichtete, die 1938 zerstört wurde, dann von der Stadt enteignet und an Privatleute verkauft wurde.
Wiesenstraße 25: Im Jahre 1854 kaufte Moses Heß das Haus Dorsten Nr. 366 und veräußerte es ein Jahr später.

  • Demnächst ist in Dorsten-transparent über die Häuser und Grundstücke von Juden in den Landgemeinden, den heutigen Stadtteilen, zu lesen sowie über die Sanktionierung nach 1945 derer, die Häuser und Grundtücke der Juden „arisiert“ hatten.

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Quelle: Wolf Stegemann/Sr. Johanna Eichmann (Hg.): „Juden in Dorsten und in der Herrlichkeit Lembeck“, 1989
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