Was macht eigentlich … Dr. med. Jürgen Jenke verbrachte seine Schulzeit in Dorsten und musste katholisch werden, um im Franziskaner-Internat wohnen zu können

Jürgen Jenke (2. v. r.) mit dem Kölner Dreigestirn und Hofstaat 2010

Von Wolf Stegemann. – Er gehört zu denen, die im Ruhestand unruhig sind, weil sie endlich Zeit haben, das zu tun und zu erledigen, was sie aus Zeitgründen während ihres Berufslebens nicht konnten. So ist es bei Dr. med. Jürgen Jenke das Recherchieren, Sammeln und Dokumentieren seiner Familiengeschichte. Das weist schon darauf hin, dass er ein ausgeprägter Familienmensch ist, der sich stets nicht nur um seine fünf Kinder Rolf, Sabine, Karin, Petra und Ute kümmerte, sondern heute auch intensiv um die sieben in Köln lebenden seiner zehn Enkelkinder. Da kommt er dann schon mal in einen rappeligen Zustand. Vielleicht liegt’s auch daran, dass er als Anästhesist und Koordinator in einem großen OP-Betrieb mit sieben OP-sälen für Ruhe und einen geregelten Ablauf sorgen und dies auch für sich selbst bewahren musste.

Aus falsch verstandenem Respekt Missbräuche verschwiegen

Als seine Eltern von Köln nach Dorsten zogen, weil sein Vater Gerhard Jenke die Betriebsleitung des Kalksandsteinwerks in Holsterhausen übernommen hatte, kam der Junge 1959 in die Sexta des Gymnasium Petrinum. Weil das Elternhaus der Familie noch im Bau war, lebte er vorübergehend im Konvikt St. Peter in Dorsten, wie etliche seiner Schulkameraden des Petrinum. Da Jürgen Jenke evangelisch war, war seine „Umtaufe“ zum Katholizismus eine zwingende Voraussetzung, um im Franziskaner-Internat in Dorsten überhaupt aufgenommen zu werden. So wurde Jürgen Jenke katholisch, wohnte zu der Zeit im Internat, als sich verwerfliche Missbräuche durch die Franziskaner an den Jungen in dieser Dorstener Franziskanereinrichtung ereigneten, die erst viele Jahre später aufgearbeitet und somit öffentlich bekannt wurden. In dieser Zeit haben es die betroffenen Jungen aus falsch verstandenem Respekt vor den Franziskanern nicht gewagt, sich dagegen zu wehren oder sich ihren Eltern gegenüber zu öffnen. – Foto: Schülerausweis Jürgen Jenke 1960.

Schulklasse pflegte im französischen Dormans Soldatengräber

Dann wechselte Jürgen Jenke zur Städtischen Realschule für Jungen. Hier engagierte er sich mit seinen Klassenkameraden für die Pflege des deutschen Soldatenfriedhofs im französischen Dormans, was dann im Jahr 1981 in eine Städtepartnerschaft mündete. Nach dem Realschulabschluss, Jürgen Jenke gehörte zum ersten Jahrgang dieser Schule, wechselte er 1966 zum Gymnasium Remigianum in Borken, wo er 1968 Abitur machte. Der Leitspruch seiner Abiturklasse mochte bereits 1968 auf seinen eingangs angemerkten Unruhestand hinweisen: „Zuwachs an Wissen ist Zuwachs an Unruhe“. Kurz nach seinem Abitur verunglückte sein Vater im Kalksandsteinwerk in Holsterhausen und verstarb wenige Tage später. Danach studierte Jenke in Münster zwei Semester Biologie, leistete ab 1969 den Wehrdienst, aus dem er nach 18 Monaten als Oberleutnant im Sanitätsdienst entlassen wurde, studierte anschließend an der Universität Köln Humanmedizin, lernte seine Frau Gabriele kennen, heiratete 1973 und legte 1977 dass Staatsexamen ab. Von der Lippestadt, in der er einen Teil seiner Jugend verbracht hatte, konnte er sich nie ganz trennen. Immer wieder kehrte er besuchsweise nach Dorsten zurück, traf sich mit alten Schulfreunden. Als 1971 bei Umbauarbeiten unweit der alten Antoniuskirche in Holsterhausen alte Gräber freigelegt und auf dem neuen Friedhof umgebettet worden waren, war Jürgen Jenke interessierter Zuschauer, dem ein Teil eines menschlichen Schädels auffiel, der wohl Jahrhunderte zuvor dort bestattet worden war und eine seltene Abnormität aufwies. Mit Zustimmung von Dechant Heinrich Eing, Pfarrer in St. Antonius, durfte er sein Fundstück der Lehrsammlung im Anatomischen Institut der Universität Köln übergeben. – Foto: Dr. Jenke 2010 als Gast der Schaffermahlzeit in Bremen.

Ltd. Oberarzt in Kamp-Lintfort und Chefarzt im ostfriesischen Leer

Nach seinem medizinischen Staatsexamen arbeitete Jürgen Jenke ein halbes Jahr lang als Medizinalassistent in der Inneren Abteilung unter Chefarzt Dr. Hans-Otto Steinfurth am Dorstener St. Elisabeth-Krankenhaus, bevor er in gleicher Funktion für ein weiteres halbes Jahr an ein Krankenhaus in Langenfeld-Richrath ging. 1978 bekam Jürgen Jenke eine Anstellung in der Klinik für Anästhesie an der Universitätsklinik Köln und machte 1983 dort den Facharzt für Anästhesie, wurde Leitender Oberarzt der Anästhesie-Abteilung am St. Bernhard Hospital in Kamp-Lintfort und war von 1989 bis 1994 in Leer/Ostfriesland tätig, zuletzt Chefarzt am dortigen Borromäus-Hospital. Nach einer erfolgreichen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung ging er 1996 zurück nach Köln, da ihm seine Ausbildungsklinik wieder eine Anstellung angeboten hatte. Zwischenzeitlich war er drei Jahre als niedergelassener Anästhesist in einer Kölner Praxisklinik tätig. Da es ihn bei dieser Tätigkeit zunehmend störte, überwiegend kaufmännische und nicht medizinische Interessen zu vertreten, wechselte er wieder in eine klinische Tätigkeit, bei der er vorrangig Arzt sein konnte. Während der letzten Jahre seiner Berufstätigkeit in einem Kölner Krankenhaus engagierte er sich in zwei „Disziplinen“, die für ihn völlig neu waren. – Foto: Jürgen Jenke (r.) und Dr. Steinfurth (l.) 1977.

Am Aschermittwoch Rentner geworden und „Kölscher Jeck“ geblieben

Aufgrund seiner langjährigen Berufstätigkeit waren ihm alle Abläufe an seinen Arbeitsplätzen bestens bekannt, so dass ihm als Mitglied in der Mitarbeitervertretung auch der Vorsitz übertragen wurde. Ab der Session 2010 veranstaltete sein letzter Kölner Dienstgeber eine krankenhauseigene Karnevalsveranstaltung, die 2018 zum neunten Male stattfand und in der in jedem Jahr nicht nur namhafte Künstler auftraten, sondern auch das Kölner Dreigestirn. Bei der Organisation dieser Veranstaltungen war er seit 2010 engagiert beteiligt, so dass es keinen seiner Freunde verwunderte, dass er den Beginn seines Renterdaseins im Jahr 2010 auf den höchsten Kölner Feiertag, den Aschermittwoch, legte und bis heute „Kölscher Jeck“ geblieben ist. Für alle diese Veranstaltungen konnte ein eigener Karnevalsorden aufgelegt werden, dessen Gestaltung/Herstellung/Finanzierung durch Sponsoring ihm bis heute obliegt. – Das Foto zeigt Dr. Jenke, wie er Kardinal Meisner 2012 den Karnevalsorden verleiht.

Erinnerungen an seine Dorstener Schulzeit bleiben lebendig

Jürgen Jenke hält etliche Kontakte zu ehemaligen Mitschülern aus Dorsten, wo immer sie auch wohnen. Er reist viel. Für berufsfremde Hobbys, außer den Karneval, hatte er keine Zeit, wie er sagt, dafür war er beruflich und familiär zu sehr eingespannt. Denn so nebenbei war er während seiner Ausbildung zum Facharzt an der Kölner Klinik auch noch in der Hausärztlichen Notfall-Medizin tätig. Der erste, heute landesweit bewährte „organisierte hausärztliche Notfalldienst“ wurde bereits 1979 in Köln im Stadtteil Porz eingerichtet. Hier war Jenke bis 1983 selbst sehr aktiv beteiligt, ebenso an der Gestaltung des Dienstplans. – Wenn Dr. Jürgen Jenke hin und wieder Dorsten besucht, durch die Altstadt spaziert, vorbei an der Franziskanerkirche, dann kennt er vieles nicht wieder, doch die Erinnerung an seine Schulzeit bleibt lebendig.

Siehe auch: Kalksandsteinwerk Holsterhausen
Siehe auch: Missbrauch Franziskaner
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Quelle: Gespräch mit Jürgen Jenke (2018), alle Fotos von ihm.
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