Von Wolf Stegemann
Schon 1929 bestellte Pfarrer Ludwig Heming von St. Agatha im Redemptoristenkloster Bochum eine hl. Volksmission für das Jahr 1930, um seiner Dorstener Katholiken wieder mehr an die Kirche zu binden und eindrucksvoll den katholischen Glauben in Dorsten zu verkünden. Evangelische Bürger gab es nur wenige. Pfarrer Heming war allerdings nicht dabei, denn aus Krankheitsgründen schickte ihn sein Arzt vier Tage vor der Mission für sechs Wochen zur Badekur ins oberbayerische Wildbad Kreuth, was Heming als „eines der größten Opfer seines Lebens“ wertete. Statt auf dem Marktplatz in Dorsten unter seinen Pfarrkindern zu weilen, ließ er sich in Bad Adelholzen und Bad Tölz mit „Zeileis’schen Strahlen (300.000 Volt)“ behandeln, was er in seiner Chronik als „großen Schwindel“ bezeichnete, denn geholfen hat die Behandlung ihm nicht. Ludwig Heming schickte den Missionsveranstaltern in Dorsten mehrere Grußschreiben, die dann verlesen wurden, und die Patres unterrichteten den Pfarrer täglich von der Mission. „So habe ich denn die Mission im Geiste vollständig miterlebt“, schrieb er in die Chronik.
Den katholischen Glauben in Dorsten festigen
Ausführende der Volksmission zu Ostern und Pfingsten 1930 in der Kirche und auf dem Marktplatz waren die Redemptoristen P. Bernhard Brinkmann (Leiter), P. Josef Bauer, P. Josef Kugel, P. Joseph Lühlen und P. Heinrich Kampmann. Die Mission war diesmal nicht nach Geschlechtern getrennt – allerdings bei den Vorträgen dann doch. Weder vorher noch nachher hat eine solche große „Volksmission“ mitten in der Stadt stattgefunden. In einer Zeit der harten politischen Auseinandersetzung zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, zwischen katholischem Zentrum und Sozialdemokraten sowie den vielen anderen Parteien. In der Zeit der großen Arbeitslosigkeit als Folge der Wirtschaftskrise versuchte die katholische Agatha-Gemeinde den katholischen Glauben bei den Dorstenern zu festigen. Denn, so der Missionsleiter in der „Dorstener Volkzeitung“:
„Der Katholik sei nicht etwa aus irdischen Interessen oder aus Bequemlichkeit katholisch. Das wäre töricht. Er sei katholisch, weil der Gekreuzigte, der Sohn Gottes, zu Petrus gesprochen habe: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“
„Ernste Lebensverbesserung“ durch aufrichtiges Beichten
Mit der Volksmission versuchte die Kirche, das „Innere des Menschen zu erneuern“ und mahnte in Predigten und durch Gebete, „die gute Missionsbeichte mit Aufrichtigkeit“ abzulegen „mit dem Ziel, eine ernste Lebensbesserung, den Abschluss mit der Vergangenheit, den Aufbau eines neuen Lebens“ zu erreichen. Ohne solche Ziele, so steht es im „Katholischen Kirchenblatt der Pfarrei St. Agatha“ vom 8. Juni 1930, „endigt man in unbestimmter Verschwommenheit“.
Auch wenn man die veröffentlichen Teilnehmerzahlen an der Abschlusskundgebung am Pfingstmontag wegen Übertreibung halbieren würde, wären sie – gemessen an heutigen Verhältnissen in der Stadt – eindrucksvoll. Die „Dorstener Volkszeitung“ berichtete: „Lehrpersonen mit ihren Schülern und einige Tausend erwachsene Teilnehmer hielten den geräumigen Marktplatz besetzt:“ Auf dem mit Fahnen, Girlanden und Spruchbändern geschmückten Platz fand am Pfingstmontag die Abschlusskundgebung statt, an der eben jene „Tausende“ teilnahmen, sowie die Musikkapelle des katholischen Gesellenvereins, als Engelchen verkleidete Kinder, Fahnenabordnungen der Vereine, eine Ehrengarde, Messdiener und die gesamte Weltgeistlichkeit von Dorsten, dann Missionare vom Franziskanerkloster, Messdiener und Prozessionsgruppen, die in dem Gedränge den „eucharistischen Heiland“ zum aufgebauten Segensaltar vor dem alten Rathaus trugen. Gesänge der Lobpreisung und Marienlieder umrahmten die Predigt, in der der Missionsleiter, Pater Brinkmann OFM, auch den Stellenwert der Zeitung aus damaliger Sicht beschrieb:
„Für die gegenwärtige Zeit mit ihrem Unglauben und Neuheidentum kommt es für die Katholiken darauf an, ihr Glaubensleben nicht nur im Gotteshause, sondern auch in der Familie, in Werkstatt, Fabrik und Grube, sowie im öffentlichen Leben zu bekunden. Eine der besten Waffen zur Verteidigung des katholischen Glaubens ist die katholische Zeitung, nur diese gehört in die katholische Familie und keine neutrale Zeitung. Daneben gehört in jede katholische Familie die katholische Zeitschrift und das katholische Buch.“
Mit viel katholischem Lob ausgestattet
Was Wunder, dass mit so viel katholischem Lob ausgestattet, die damals noch dem Katholizismus verpflichtete „Dorstener Volkszeitung“ der katholischen Volksmission ganze Seiten in ihren Ausgaben widmete und zu dem zumindest journalistisch fragwürdigen Schluss kam: „Das waren katholische Tage, die der Herr gemacht hat!“ Die Missions-Predigt beendete Pater Brinkmann nicht mit einem herrlichen, sondern einem bedrohlich anmutenden Satz, als er von den Feinden Jesus sprach, die Juden aber nicht explizit nannte:
„Aber auch der Hass hat Christus-König verfolgt von Nazareth bis Golgatha und verfolgt ihn bis zum heutigen Tag. Am jüngsten Tage, dem Tage der großen Vergeltung, werden auch jene in den Staub sinken, die es früher ablehnten, ihr Knie vor Christus und seinem Siegeszeichen zu beugen.“
Mit dem päpstlichen und sakramentalen Segen wurden die Teilnehmer unter Singen des Marienliedes „Maria zu lieben“ nach Hause entlassen. Und die Zeitung schwelgte anderntags über die Veranstaltung, dass sie „als himmlisches Vermächtnis ewig unvergesslich bleiben wird“. Für den abwesenden Pfarrer Ludwig Heming war die Volksmission ein „voller Erfolg“. 93 Prozent der Gemeindeglieder von St. Agatha hatten sich beteiligt.
„Das war ein großer Trost und eine besonders große Freude in den Tagen meiner Krankheit, die ich fern von meiner geliebten Pfarrgemeinde verleben musste. Tausend Dank dem lieben Gott, den eifrigen Missionaren und meinen treu sorgenden Kaplänen.“