Vorbemerkung. 22. September 2017. – In Dorsten gibt es heute noch einige Straßen, die nach preußisch-ruhmbekleckerten Feldmarschällen benannt sind. – Im damaligen Wilhelminischen Kaiserreich liebdienerten sich Bürgermeister und Magistraten durch Straßenbenennungen den hohen Herrschaften an. So entstand in Holsterhausen die 1910 nach dem preußischen König und deutschen Kaiser genannte „Friedrichstraße“ (der III.), 1911 nach dem Bruder des Kaisers Wilhelm II. die „Heinrichstraße“, ebenso bekam der Preußen-Feldherr von Roon eine Straße; Goeben, Wrangel, Blücher und Bismarck auch; zudem Damen des Königshauses. Das sind neben Musiker-, Künstler-, Tier-, Pflanzen-, Heiligen- und anderen Straßen die „patriotischen Straßen“. Sie sind historische Denkmale. Und wie es mit Denkmalen so ist: sie werden abgerissen, wenn man die Geehrten nicht mehr ehren will oder sie bleiben udn werden vergessen. Die 1933 bis 1945 nach Hitler und anderen NS-Größen benannten Plätze und Straßen sind verschwunden. In Dorsten heißt beispielsweise dass Essener Tor wieder so, die „Adolf-Hitler-Straße“ in Holsterhausen ist nach 1945 dem heiligen Antonius gewidmet.
Der „Steinmetz-Marsch“ ist heute ein Truppenmarsch in der Bundeswehr
Nach ihm wurde nicht nur in Holsterhausen 1910 eine Straße benannt, wie in anderen Städten auch, dem preußischen Generalfeldmarschall Karl Friedrich von Steinmetz sogar 1866 ein „Marsch“ gewidmet, der „Steinmetz-Marsch“. Die Bundeswehr, immer auf der oft verunglückten Suche nach militärischer Tradition befindlich, in der sie auch nicht vor der nationalsozialistischen Wehrmacht Halt macht, suchte sich 1988 diesen „Steinmetz-Marsch“ als Brigademarsch für die Panzerbrigade 18 aus. Den Antrag, diesen Marsch aus den Hurra-Zeiten von Preußens Glanz- und Gloria als Truppenmarsch spielen zu dürfen, stellte am 11. April 1988 der Brigadekommandeur, was ihm der Leiter des Militärmusikdienstes der Bundeswehr genehmigte. Der Brigadekommandeur hatte diesen Marsch für die Panzerbrigade 18 beantragt, weil der Steinmetz-Marsch dem vormals in der Sick-Kaserne beheimateten Schleswig-Holsteinischen Infanterie Regiment Nr. 163 einst zugeordnet wurde, dessen Tradition in der Brigade (Brigadekommando und Panzerbataillon 183/184) gepflegt wird und weil der seit 1978 der Brigade zugeteilte Kavalleriemarsch „Der Pappenheimer“ von Michael Haydn sich nicht für den Vorbeimarsch zu Fuß eignete und auch von der Melodie her für Panzer als „schwierig“ gilt. So kam der Feldmarschall noch 1988 noch zu musikalischen Ehren, als Preußen schon längst untergegangen war. zu Ehren. Der 1866 von Carl Bratfisch (1829-1901) komponiert wurde 1867 Armeemarsch.
Mit 10 Jahren in die Kadettenschule, mit 74 Jahren Feldmarschall
Wer war nun Karl Friedrich von Steinmetz, unter dessen Straßennamen etliche Holsterhausener im „Patrioten-Viertel“ ihre Post bekommen und nach dem der Marsch gewidmet ist? Darüber hinaus wurde 1889 das Füsilierregiment Nr. 37 und in der Festung Metz eine Kaserne nach ihm benannt. – Karl Friedrich von Steinmetz wurde 1796 in Eisenach geboren und starb 1877 in Bad Landeck. Dazwischen lag ein militärisches Leben voller Krieg und Schlachtengemetzel, das bereits anfing, als 10 Jahre alt war. Da trat er ins Kulmer und dann ins Berliner Kadettenhaus ein und erwarb schnell den Rang des Portepeeoffiziers. 1813 wurde von Steinmetz, mittlerweile Halbwaise, Sekondeleutnant im Verband des Yorkschen Korps, machte alle Gefechte in den endnapoleonischen Kriegen mit, wofür er als junger Mann das 1813 neu gestiftete Eiserne Kreuz verliehen bekam. Er machte Karriere: 1818 Premierleutnant, 1828 Hauptmann, 1839 Major und Kommandeur des Düsseldorfer Garde-Landwehr-Bataillons, 1841 bekam er das Garde-Reserve-Bataillon Spandau übereignet. Doch zu kämpfen gab es nach den Befreiungskriegen nichts mehr. Erst wieder 1848 konnte er seine militärischen Fähigkeiten im Krieg wieder zeigen. Er bekam vom preußischen König den Befehl über zwei Bataillone und zog mit ihnen in den Schleswig-Holsteinischen Krieg (1848 bis 1861), der ihm den Orden Pour le Mérite einbrachte, den ihm Prinz Wilhelm von Preußen persönlich umhängte.
Als „Löwe von Nachod“ in die preußische Kriegsgeschichte eingegangen
1851 wurde Karl Friedrich von Steinmetz Oberst und Kommandant des Kadettenkorps und drei Jahre später als Generalmajor Kommandant von Magdeburg, übernahm 1857 das Kommando über die 1. Division in Königsberg, wurde Generalleutnant und mit Orden und Kommandostellen über Armee-Korps überhäuft. Als Kommandierender General nahm er am Preußisch-Österreichischen Krieg teil, rückte über das Riesengebirge in Böhmen ein und gewann am 27. Juni 1866 bei Nachod schwere Gefechte, die ihm den Namen „Löwe von Nachod“ einbrachten. In der Schlacht von Schweinschädel am darauf folgenden Tag siegte er mit seinen Truppen über einen Teil des österreichischen IV. Korps. Mit diesen Erfolgen der von Steinmetz geführten Einheiten wurde der entscheidende Sieg bei Königgrätz erst wirklich vorbereitet. Neben Moltke, dem in Dorsten keine Straße gewidmet ist, war Karl Friedrich von Steinmetz damals der gefeiertste preußische Heerführer. Seine Truppen verloren 2.889 Mann, seine Gegner über 13.000 Soldaten. Für diesen Kriegsverdienst erhielt er beträchtliche Dotationen und bereits nach der Schlacht von Schweinschädel den Schwarzen Adlerorden und das Großkreuz des Roten Adlerordens mit Schwertern.
1870 als Heerführer von Groll und Altersstarrsinn gepackt
Und wieder zog er in den Krieg. 1870 als Heerführer gegen Frankreich. Ihm wurde die 1. deutsche Armee unterstellt. Auf diesem Posten war wegen der Einführung des Telegrafen, der von anderen Heerführern benutzt wurde, nicht aber von Steinmetz, war er nicht auf Laufenden und ordnete ohne Befehl den verlustreichen Sturm auf die Spicherer Höhen an und geriet zudem mit anderen Armeeoberbefehlshabern und dem Generalstab in eine Auseinandersetzung. Deutscherseits standen am 6. August 1870 bei Spichern 30.194 Mann Infanterie und 108 Geschütze im Gefecht. Das Korps Frossard zählte 24.419 Mann Infanterie und 90 Geschütze, wobei das Übergewicht auf der deutschen Seite erst in den Abendstunden des Tages erreicht worden war. Der Oberkommandierende von Steinmetz war erst abends um 7 Uhr erschienen. Die Deutschen verloren 49 Offiziere und 794 Mannschaftsdienstgrade; 174 Offiziere und 3482 Mannschaftsdienstgrade wurden verwundet, 372 Mann vermisst. Auch bei den folgenden Schlachten in diesem Krieg ließ Karl Friedrich von Steinmetz wohl altersbedingt stark nach. Während der Schlacht von Gravelotte befahl er eigenmächtig einen Frontalangriff auf eine starke französische Stellung, wobei die Preußen starke Verluste hatten. Steinmetz hatte offensichtlich die Wirkung der modernen Hinterladergewehre völlig unterschätzt, war aber nicht bereit, den scheiternden Angriff rechtzeitig abzubrechen, da er auch gar nicht am Ort der Schlacht anwesend war. Die Preußen hatten aber noch Glück, weil der französische Befehlshaber die blutige Niederlager Steinmetz’ nicht ausnutzte.
Subordination des alten Feldmarschalls – Entzug des Kommandos
Steinmetz’ Armee wurde nun dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Karl unterstellt. Karl Friedrich von Steinmetz packte wohl der Altersstarrsinn, als er sich aus Groll gegenüber dem Prinzen eines subordinationswidrigen Verhaltens schuldig machte, indem er seinem Oberkommandierenden gegenüber eine Meldung unterließ. Er wurde als Generalgouverneur nach Posen versetzt. Erst mit Abschluss des Krieges erfolgte die Versetzung Karl Friedrich von Steinmetz’ zu den Offizieren der Armee unter gleichzeitiger Verleihung des Charakters eines Generalfeldmarschalls. – 1863 war seine erste Frau verstorben, 1867 heiratete er auf Burg Hohenzollern die 52 Jahre jüngere Else von Krosigk (1848 bis 1905). Der alte Feldmarschall setzte sich in Görlitz zur Ruhe und starb 80-jährig in der Nacht vom 3. zum 4. August 1877, bei einem Kuraufenthalt in Bad Landeck an einem Herzschlag.
Siehe auch: Dorstens „patriotische Straßennamen“ (1) – Düppelstraße in Holsterhausen
Siehe auch: Dorstens „patriotische Straßennamen“ (2) – Roonstraße in Holsterhausen