Von Wolf Stegemann
In Dorsten gibt es heute noch einige Straßen, die nach preußisch-ruhmbekleckerten Feldmarschällen benannt sind. Eine Straße erinnert sogar an einen von Preußen gewonnenen Krieg 1864 gegen das kleine Dänemark in dem dortigen Dorf Düppel, das gerade 600 Einwohner hatte. Es liegt zwischen Flensburg und Sonderburg. – Im damaligen Wilhelminischen Kaiserreich liebdienerten sich die Bürgermeister durch Straßenbenennungen den hohen Herrschaften an. So entstand in Holsterhausen die 1910 namentlich nach dem preußischen König genannte „Friedrichstraße“ (der III.), 1911 nach dem Bruder des Kaisers Wilhelm II. namentlich die „Heinrichstraße“, ebenso bekam der Preußen-Feldherr von Roon eine Straße, Goeben, Wrangel, Blücher und Bismarck auch; zudem Damen des Königshauses. Das sind neben Musiker-, Künstler-, Tier-, Pflanzen-, Heiligen- und anderen Straßen die „patriotischen Straßen“. Zu denen gesellten sich von 1933 bis 1945 Namen wie Adolf Hitler und anderer Nazis, nach denen besonders attraktive Plätze und Straßen benannt wurden, wie beispielsweise das Essener Tor in Dorsten und die „Adolf-Hitler-Straße“ in Holsterhausen, die danach dem heiligen Antonius gewidmet wurde.
Manche Straßennamen sind heute kein Renommee mehr
Wer der Namensgeber der Bismarckstraße ist, muss nicht näher erläutert werden. Dass er aber den Krieg gegen Dänemark diplomatisch geschickt angezettelt hatte, den die Preußen in der dänischen Stadt Düppel gewonnen hatten, dürfte nicht so bekannt sein, wie der „Reichsgründer“ und Ministerpräsident Bismarck selbst. In loser Folge wollen wir über die Namensgeber von Dorstens „patriotischen Straßen“ schreiben. Heute über die „Düppelstraße“ in Holsterhausen. Sie wurde 1910 nach den „Düppeler Schanzen“ benannt, die ein Festungswerk im dänischen Nordschleswig waren, das 1864 von den Preußen gestürmt und eingenommen wurde. Die in Holsterhausen noch bestehende Roonstraße ist nach dem Feldherrn benannt, der diesen Kriegszug als Oberbefehlshaber anführte. Übrigens hat er 1848 die Demokratiebewegung in Berlin zerschlagen, indem er die Berliner Nationalversammlung kriegerisch auflöste, und war ach dabei die Ruhr-Aufstände niederzuschlagen. Aus heutiger Sicht kein historisches Renommee für eine Straßennamen-Ehrung.
Bismarck wollte die militärischen Auseinandersetzung
Im Konflikt zwischen Dänemark und Preußen ging es um das Herzogtum Schleswig-Holstein. Im Süden sprach die Bevölkerung Deutsch, im Norden Dänisch. Seit 1460 waren die dänischen Könige zugleich Herzöge von Schleswig und Holstein. Allerdings sollten nach der Absprache zwischen dem „Deutschen Bund“ (ein Zusammenschluss von deutschen Ländern) und Dänemark die Herzogtümer selbstständig bleiben, was die dänischen Nationalisten durch eine Verfassungsänderung beenden wollten. In einer diplomatischen Meisterleistung Bismarcks erhielten Preußen und Österreich vom „Deutschen Bund“ den Auftrag, den Willen des Deutschen Bundes gegenüber Dänemark zu exekutieren. Daraufhin lockte Bismarck die Dänen in die diplomatisch-militärische Auseinandersetzung mit dem Wissen, das kleine Dänemark unter dem Oberbefehl Karl von Roon schnell bekriegen und besiegen zu können. So kam es dann auch. Der Militärhistoriker Michael Epkenhans: „Man kann den Konflikt nur erklären, wenn man begreift, dass hier zwei Nationalbewegungen aufeinanderstoßen. Die dänische, die versucht, alle Dänen, so wie das im Zeitalter des Nationalismus üblich war, in einem Staat zu vereinigen, und umgekehrt die deutsche, die gleichermaßen beanspruchte, alle Deutschen in einem Staat zu vereinigen, in einer Nation zusammenzubringen.“
Zudem brauchte Preußen, wo es um die Vormachtstellung im Deutschen Reich der Kleinstaaterei ging, eine gewonnene Schlacht und König Wilhelm die Bestätigung, dass die von Bismarck und Roon durchgepeitschte Heeresreform sinnvoll und dass preußische Militär in 50 Friedensjahren nicht nur den Stechschritt geübt hat.
Ein blutiges Gemetzel innerhalb weniger Stunden mit fast 5000 Toten
Die dänische Wehranlage in Düppel mit zehn Schanzen war stark befestigt; allerdings war der Ausbau 1864 noch gar nicht fertig. 11.000 dänische Verteidiger standen am 18. April 1864 einer Übermacht von 37.000 Preußen gegenüber. Nach stundenlanger Artillerievorbereitung waren alle Schanzen nach dreieinhalb Stunden überrannt. Während des Angriffs intonierten in einem rückwärtigen deutschen Laufgraben 300 Militärmusiker den eigens zu diesem Anlass komponierten „Düppeler-Schanzen-Marsch“. Ein preußischer Augenzeuge schrieb: „Ich sah andere neben mir, die mit geballter Faust zuschlugen oder sich gegenseitig in die Kehlen bissen. Was sich noch wehrte, wurde niedergemacht. Unsere Leute schlugen wacker drauf. An den Kanonen lagen die dänischen Artilleristen tot. Förmliche Blutlachen sah man in den Schanzen.“ Als ein überwältigendes Schauspiel erlebte der Schlachtenmaler Wilhelm Camphausen den 18. April 1864 durch die Linse seines Fernrohrs: „Dämonisch, als speie die Erde sie aus, springen Tausende aus den verbergenden Gräben über die Brustwehr hinaus. Die Sturmfahnen werden entfaltet, und schon ist das ganze vorher so öde Brachfeld mit stürmenden Kriegern besät.“ Während der Schlacht an den Düppeler Schanzen nahmen erstmals Beobachter des Internationalen Roten Kreuzes an Kriegshandlungen teil: der Schweizer Chirurg Louis Appia auf preußischer, der niederländische Marinekapitän Charles van de Velde auf dänischer Seite. Ein Gedenkstein informiert.
Die Verluste in diesen dreieinhalb Stunden waren verheerend. Auf dänischer Seite gab es 3780 Tote und 4700 Gefangene. Die Preußen verloren 1201 Soldaten. Von den erbeuteten 119 dänischen Geschützen hängen noch 20 seit 1873 an der untersten Trommel der Berliner Siegessäule.
Protziges deutsches Siegerdenkmal in Dänemark, 1945 gesprengt
Dänemark musste im Friedensvertrag von Wien 1864 die so genannten Elbherzogtümer Schleswig und Holstein abtreten. Gemeinsam übernahmen die beiden Siegermächte die Besetzung und Verwaltung. Preußen in Schleswig und Österreich in Holstein. 1871 wurde der 1868 begonnene Bau eines riesengroßen Siegerdenkmals in Form eines gotischen Spitztürmchens fertig gestellt. Als nach dem Ersten Weltkrieg Nordschleswig 1920 am Dänemark wieder abgetreten werden musste, stand das deutsche Siegerdenkmal in Dänemark. Acht Tage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und Ende der deutschen Besetzung Dänemarks sprengten die Dänen das Denkmal im Mai 1945 in die Luft.
Für Dänemark ist Düppel ein wichtiger Gedenkort. Das dort eingerichtete Museum zeigt seit 1992 das Kriegsgeschehen und die davon beeinflusste dänische Militärgeschichte. Jedes Jahr am 18. April findet an den Düppeler Schanzen die nationale Gedenkveranstaltung „Dybbøldagen“ statt. Neben einer Kranzniederlegung treten dänische Soldaten in historischen Uniformen von 1864 auf. Seit 2002 nehmen auch deutsche Soldaten teil. Bereits der 140. Jahrestag der Schlacht im Jahr 2004 war ein besonderes Ereignis in Dänemark. Dies wurde 2014 noch durch einen damit verbundenen Staatsakt überboten, als Dänemark am 18. April in Düppel im Beisein der dänischen Königin und internationaler Staatsgäste der Schlacht und der Opfer gedachte. An der Feier nahmen über 15.000 Menschen teil.
Patriotismus und Mythenbildung um das Gemetzel von Düppel
Mit Patriotismus der damaligen Zeit wurden in Deutschland hunderte von Straßen, Plätzen und Gastwirtschaften nach dem Sieg von Düppel benannt. In Deutschland gibt es noch rund 40, darunter die Straße in Holsterhausen, die schon 107 Jahre so heißt. Am Rande angemerkt: Da der Marktplatz nun doch nicht nach Helmut Kohl benannt wird, könnte man die „Düppelstraße“ doch in „Kohlstraße“ umbenennen. Ein entwickeltes Papier, das leicht entzündbar war, nannte man im 19. Jahrhundert patriotisch „Düppel-Schanzen-Papier“. Und in der nationalistisch gesinnten deutsch-preußischen Mythenbildung erhielten die „Düppeler Schanzen“ einen festen Platz. Der Dichter Emanuel Geibel schwärmte in seinem „Lied von Düppel“:
„Bei Düppel dort am Meere, vor Alsen am Sund, / da rangen die Heere auf blutgetränktem Grund; / Da galt’s auf die Schanzen im Siegessturmgewog / Den Adler zu pflanzen anstatt des Danebrog. / Ihr Meister der Staaten, ihr geht nun und tagt. / So woll’ euch Gott beraten, auf daß ihr nicht zagt! / Sprecht: Nichts von Vertragen! Nun bleibt es dabei, / Der Feind ist geschlagen und Schleswig ist frei!“
Siehe auch:
Hans-Pfitzner-Straße im Stadtsfeld: Der Komponist war ein glühender Nationalsozialist…
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Der Stegemann sollte unbedingt von den Dorstener Schulen angefordert werden! Wenn einer fundiert berichten und die Schüler darin unterrichten kann, dann er.
So würde Geschichtsunterricht endlich wieder Sinn und Spaß machen.