Von Helmut Frenzel
17. März 2017. – Anfang dieses Monats feierte das Mercaden den ersten Jahrestag der Eröffnung. Der Jubel hielt sich in Grenzen und die Tonlage des Centermanagements war, anders als früher, zurückhaltend. Das hatte seine Gründe. Das Projekt steht bei Weitem nicht da, wo es stehen sollte. Die “Dorstener Zeitung” hatte passend zum Anlass eine Umfrage gestartet, wie die Leser das neue Einkaufscenter beurteilen. 1500 Fragebögen wurden beantwortet. Auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ war, sind die Ergebnisse doch in ihrer Eindeutigkeit für den Centerbetreiber Herbert Krämer niederschmetternd.
Fast die Hälfte der Teilnehmer an der Umfrage (46 Prozent) gab an, dass das Center ihre Erwartungen nicht erfüllt habe. Zwei Drittel (66 Prozent) besuchen das Mercaden selten oder überhaupt nicht. Die Öffnungszeit von Kaufland bis 22 Uhr wird nicht angenommen. Lediglich 13 Prozent sind dafür, weil sie nur spät abends einkaufen können. Vor der Eröffnung wurde von allen Seiten darauf gesetzt, dass das Mercaden zu einer Belebung der Altstadt führen werde. Die Hälfte der Teilnehmer an der Umfrage bemerkt davon nichts. Lediglich 11 Prozent sagen, die Altstadt sei deutlich belebter als früher. Die Beiträge in den sozialen Netzwerken zeigten ein ähnliches Bild.
Von Beginn an eine zu geringe Attraktivität bemängelt
Diese Ergebnisse lassen nur den Schluss zu, dass es mit dem Center-Projekt nicht zum Besten steht. Dass es Probleme gibt, zeigte sich schon gleich zu Beginn. Herbert Krämer eröffnete im März 2016 ein halbfertiges Bauwerk, in dem große Teile der Verkaufsfläche leer standen. Es war offenbar nicht gelungen, für diese Flächen bis zur Eröffnung geeignete Mieter zu finden. Das war auch ein Urteil “des Marktes” über die Erfolgsaussichten des Centers. Denn zweifellos hat der Centerbetreiber alle erdenklichen Anstrengungen unternommen, die Flächen bis zur Eröffnung an den Mann zu bringen. Aber es gelang nicht. Das blieb nicht ohne Folgen. Die Attraktivität des Mercaden war vom Start weg zu gering und das schlug sich in niedrigen Besucherzahlen nieder. Nach der sogenannten “zweiten Eröffnung” im darauffolgenden September sorgten die Neuzugänge Deichmann und vor allem TkMaxx für eine deutliche Zunahme des Kundenlaufs. Gleichzeitig konnte man beobachten, dass sich der Schwerpunkt des Besucherzulaufs in das Obergeschoss verlagerte.
Dass die Neuzugänge und die damit einher gehenden höheren Besucherzahlen nicht dazu beitrugen, die Lage des Centers insgesamt zu verbessern, zeigte sich rasch. Für die noch verbliebenen Leerstände fanden sich auch jetzt keine Mieter und die Besucherfrequenz vor allem in den kleinen Geschäften verbesserte sich nicht. Noch vor Weihnachten gab im Oberschoss der “Steak Shop” auf, nach der Jahreswende verabschiedete sich im Erdgeschoss der Mieter für die Bewirtschaftung der Außengastronomie. Und es ist nicht zu übersehen, dass der Verbleib auch anderer Mieter fraglich ist.
Rückschlag durch erste Schließungen
Beobachter, die mit dem Thema vertraut sind, äußerten schon früh die Vermutung, dass nach Ablauf des ersten Jahres einige Geschäfte aufgeben werden. Der Grund: es ist durchaus nicht unüblich, den Händlern im ersten Jahr Mieterleichterungen zu gewähren oder ganz auf Miete zu verzichten. Wenn ab dem zweiten Jahr die volle Miete fällig wird, erhöht das den Druck und diejenigen Mieter, die nicht zurechtkommen, werden überlegen, ob sie weiter durchhalten wollen oder aufgeben. Das scheint sich zu bestätigen. Noch vor wenigen Tagen haben sich zwei weitere Händler verabschiedet: das Dessous-Geschäft und das “Früchteparadies”, beide im Erdgeschoss. Das dürfte aber erst der Anfang sein. Gefährdet scheinen vor allem die kleinen Boutiquen. Sie präsentieren sich in Geschäftslokalen, die – ohne den Blickschutz durch Schaufensteranlagen – den Charme von Doppelgaragen ausstrahlen. Kaum je verirrt sich ein Kunde in diese Läden. Der Misserfolg ist so handgreiflich, dass man sich in Kommentaren auf Facebook inzwischen um die Gemütslage des Verkaufspersonals sorgt.
Zu große Überschneidungen mit dem Angebot in der Innenstadt
Wer nach den Gründen sucht, warum das Mercaden “nicht funktioniert”, der landet schnell wieder bei dem Punkt der mangelnden Attraktivität. Im Vorfeld der Eröffnung hatten Center-Betreiber, Bürgermeister und Vertreter der Interessengemeinschaft der Kaufleute immer wieder beschworen, dass das neue Einkaufscenter eine Ergänzung zur Altstadt sei. Anders war das Projekt den Bürgern und den Geschäftsleuten auch kaum zu verkaufen. Nun aber zeigt sich, dass das Sortiment im Mercaden sich in großen Teilen mit dem Angebot in der Altstadt und darüber hinaus überschneidet. Das mindert deutlich die Attraktivität. Als echte Ergänzung darf TkMaxx gelten. Mit seinem innovativen Marketingkonzept ist es von der Eröffnung an ein Publikumsmagnet. Dort finden sich an allen Tagen und zu allen Tageszeiten Kunden in bemerkenswerter Anzahl. Das trifft ansonsten nur noch auf die beiden Nagelstudios zu. TkMaxx ist wie Kaufland ein Ankermieter für das Mercaden. Der Nachteil: zwei Discounter, der eine im Bereich Bekleidung, der andere im Bereich Lebensmittel, prägen das Image des Einkaufscenters. Für das Geschäft der anderen Modeanbieter, die sich im mittel- bis hochpreisigen Segment bewegen, ist die typische Klientel der Discounter aber nur begrenzt interessant. Das erklärt zum Teil deren Probleme und wird es schwer machen, künftig Modegeschäfte im gehobenen Bereich anzusiedeln.
Ein anderer Punkt ist die teilweise dürftige bauliche Innen-Gestaltung. Der Supermarkt von Kaufland hat die Ausstrahlung einer Großmarkthalle. Von Einkaufserlebnis keine Spur. Auch in diese Rubrik gehört der wenig einladende Zuschnitt der kleinen Geschäfte. Ein Übriges tut die so genannte “Spielecke”. In einem schlauchartigen Raum ohne Fenster und nur mit nackten Wänden sind ein paar Spielgeräte lieblos aufgereiht. Hier wird den Eltern mit dem Klammerbeutel beigebracht, dass die Spielecke ein Lückenbüßer ist und sofort verschwinden wird, sobald sich ein zahlender Mieter findet.
Centerprojekt Mercaden nach einem Jahr in der Sackgasse?
Das alles zeigt: der Durchmarsch des Mercaden zum Erfolg ist nicht gelungen. Auch der so hoch gepriesene “Investor” Herbert Krämer ist nachdenklich geworden. Vor der Eröffnung hatte er noch davon geschwärmt, wie das Mercaden die Besucherfrequenz in der Altstadt beflügeln werde. Jetzt, zum ersten Jahrestag, hatte er eine andere Version parat: wenn die Fußgängerzone in der Altstadt im Rahmen des Projekts “Wir machen Mitte” 2020 neu gestaltet ist, wird die Kundenfrequenz in der Altstadt zunehmen und davon auch das Mercaden profitieren! Eine 180-Grad-Wende. Nicht mehr das Mercaden hilft der Altstadt, sondern die Altstadt hilft dem Mercaden. Für den Centerbetreiber Herbert Krämer wird die Luft dünner. Vor der Eröffnung konnte er interessierte Händler mit dem Hinweis auf die Erfolgsaussichten locken. Mit jedem ausscheidenden Mieter wird es schwerer, neue Interessenten zu überzeugen. Wie es unter diesen Umständen gelingen kann, einen Sortimentsmix zusammen zu bekommen, der wirklich als Ergänzung zum Angebot in der Altstadt wahrgenommen wird und so die Attraktivität nachhaltig erhöht, ist ein Rätsel. Über allem schwebt die unverrückbare Tatsache, dass die Kaufkraft für eine positive Entwicklung sowohl des Mercaden und als auch der Altstadt nicht ausreicht.
Bisher wenig Auswirkungen auf die Altstadt
Wie geht es der Altstadt nach einem Jahr Mercaden? Das von Deichmann geräumte Geschäftslokal in der Essener Straße steht leer. Es hat einen Umzug von der Recklinghäuser Straße in die Lippestraße gegeben. Das Deko-Geschäft am oberen Ende der Lippestraße gibt offenbar auf, denn es wird zur Vermietung angeboten. Zwei kleinere Geschäfte haben sich in der Lippestraße angesiedelt. Fragt man die Einzelhändler, wie sich ihre Umsätze entwickelt haben, erhält man ausweichende Antworten. Ansonsten alles beim Alten. Die Anpassung der Strukturen in der Altstadt ist nach einem Jahr immer noch erst am Anfang. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht.
Nachträglich: Geht das Gesundheitsamt auch ab und zu mal durch die Mercaden und prüft entsprechend auf Keimfreiheit (oder auch nicht frei)? Ich habe da so meine Erfahrungen gemacht – die mache ich garantiert kein zweites Mal!
Habe gerade per Internet einen empfehlenswerten Radiobeitrag (WDR 5) zu dem Thema gehört. Der Journalist Wolf Stegemann wird zu dem Thema
Mercaden gefragt. Seine Antworten sind klug und sollten unbedingt bei den verantwortlichen Entscheidern Gehör finden!
Die wirklich interessanten Fragen hier sind doch diese:
(1) Wer verdient an den Mercaden,
(2) wie wird dies bewerkstelligt und
(3) welche finanziellen Garantien und Vergünstigungen hat die Stadt dem “Investor” eingeräumt?
Nach einer eingehenden Analyse der Gesamtlage und des ehemaligen Lippetorcenters war jedem konventionellen Investor sofort klar dass sich das Ganze nicht als Einfaufszentrum rechnen kann. Ein Blick in den Marler Stern zu jener Zeit hätte auch den grössten Optimisten von der wirtschaftlichen Ausweglosigkeit der Merkaden in einer schrumpfenden Stadt überzeugt. Was also hat den “Investor” dazu bewogen 60 (!) Millionen Euro (etwa seiner Mitgesellschafter?) hier zu riskieren?
Windor wird sicherlich bei allen Problemen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Die Wirtschaftsförderung speziell für die Stadt Dorsten hat doch schon viel Gutes bewirkt bisher. Dorsten ist eine blühende Stadt.