Von Wolf Stegemann
17. Februar 2017. – Wer gegen Ende der 1980er- bis in die 1990er-Jahre hinein in Dorsten kulturinteressiert war, der kam am „Sommertheater“ in Maria Lindenhof nicht vorbei und somit 1988 nicht an Stephanie Lenz als großartige Medea im gleichnamigen Stück von Euripides und ein Jahr später als Furie in „Thyestes“. Bei Zeus und allen Göttern, wer sie sah, dem blieb sie in Erinnerung.
Autorin, Filmwissenschaftlerin und Cartoonistin
Geboren 1968 studierte Stephanie Lenz nach dem Abitur am Leo-Albertz-Gymnasium in Bottrop bis 1996 Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Sozialpsychologie und Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum mit Magister-Abschluss. Ihre Magisterarbeit „Mensch – Drama – Landschaft – Regie: Michelangelo Antonioni“ wurde als „sehr gut mit Auszeichnung“ bewertet. Während des Studiums arbeitete sie bereits am Theater Dortmund und am Essener Stadttheater und der Philharmonie Essen als Regie- und Dramaturgiehospitantin bzw. Assistentin. Ferner war sie über zehn Jahre Mitglied einer Off-Bühne in den Bereichen Schauspiel, Regie und Dramaturgie. Es folgten Arbeiten als Trailer-Editorin und Bildregisseurin beim Adolf-Grimme-Institut in Marl, bevor sie im Jahr 2000 ihren Wohnsitz vom Ruhrgebiet nach München verlegte und als Headwriterin in einer TV-Produktionsfirma zahlreiche Trailer und TV-Serienformate entwickelte. Seit 2004 ist Stephanie Lenz in München als freiberufliche Texterin tätig und entwirft Konzeptionen für die Bereiche TV-Design, On-Air-Promotion, Commercials, Print und Web für Werbeagenturen, TV-Sender und Verlage. Sie arbeitet/e u. a. zusammen mit der Internationalen Film-, Fernseh- & Musik-Akademie in Gauting, El Cartel Media GmbH in München, dem RTL-2 Fernsehen, der Tele-5, beide in München-Grünwald, dem Meininger Verlag in München sowie mit der Pressebildagentur Interfoto. Stefanie Lenz war zwischen 2004 und 2007 an der Theaterproduktion „Mamma Medea“ beteiligt und 2007 offizielles Gründungsmitglied des Verbandes deutscher Film- und Fernsehdramaturgen e. V. in Berlin.
Mit satirischen Zeichnungen Gefühlszustände dokumentiert
Auch hat sich Stephanie Lenz als Cartoonistin einen Namen gemacht. Unter dem Titel „Grenzwertige Stillstände – Satirische Zeichnungen von Stephanie Lenz“ zeigte sie ihre Arbeiten 2011 im Jazzclub „Unterfahrt“ in München. Die „grenzwertigen Stillstände“ stellen die Absurdität menschlicher Lebens- und Empfindungswelten als ganz konkrete und nachvollziehbare Gegebenheit dar – das heißt: in greifbaren, szenischen Miniaturen. Diese kleinen Dramen begreifen sich als Momentaufnahmen menschlicher Wirklichkeiten in ihren alltäglichsten, skurrilsten und absurdesten Erscheinungsformen. Auf die Darstellung dramatischer Situationen, auf Vordergründiges, das sich aus dem Verhalten, bzw. aus den Taten, der Protagonisten speist, wird verzichtet. Vielmehr betont der kalkulierte, analytisch- distanzierte Blick auf die Figuren – auf ihr Tun bzw. auf ihre Taten –, die Unwichtigkeit vordergründiger Geschehnisse zugunsten menschlicher Gefühlszustände und Gedankenkonstruktionen: Neuralgische Momente – Selbstentfremdung – Ängste und Einsamkeiten – Gelingen und Scheitern – Seelenlandschaften – Abseitiges und Abgründiges – Glücksmomente, Illusionen und Träume – Eitelkeiten – „Kerkerbeschäftigungen“ – Sicher- und Unsicherheiten – Tragikomisches – Intimität und Intensität – Innere Dämonen – Polaritäten und Banalitäten … Ganz egal, was die Figuren tun oder wie sie es tun, was sie denken oder fühlen: Sie müssen ihr Leben leben.
Schillers Wallenstein: „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“
In der Mitte ihrer Lebens- und ihrer weit gefächerten Berufserfahrung angekommen, sagt Stephanie Lenz, darauf zurückblickend: „Es waren einige Jahrzehnte reflektierter Lebenserfahrung unter Beibehaltung des Humors.“ Angefangen haben diese Jahrzehnte als brillante Medea in den grünen Anlagen von Maria Lindenhof zwischen Lippe und Kanal. Heute liebt sie ihre beiden Katzen, lange Spaziergänge am Tegernsee, viele Gespräche und die Literatur. Vor allem die von Fernando Pessoa. Ihren Humor bewahrt sie sich im Sinne von Schillers „Wallenstein“-Prolog „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst.“
Sommertheater: Zehn Jahre von Ödipus bis Medea, von Seneca bis Tabori
1986 gründete eine Gruppe von 15 jungen Dorstenern und Dorstenerinnen um Raymund Ridderskamp und Thomas Boos das „Sommertheater Dorsten“, das jedes Jahr im Sommer zu Aufführungen klassischer Stücke in das Freilichttheater Maria Lindenhof einlud. Es bestand bis 1997. Den Anstoß zur Gründung gab der damalige Stadtdirektor Dr. Karl-Christian Zahn, der das Amphitheater im Bereich Maria Lindenhof zwischen Kanal und Lippe beleben wollte und deshalb mit Thomas Boos Kontakt aufgenommen hatte. Während Kerstin Ranzinger nur ein kurzes Gastspiel als Statistin im Sommertheater gab, gehörten Namen wie Julia Friedrich Anderseck, Katja Podszuweit und Thomas Brandt zum Stamm-Ensemble. Weitere Mimen waren u. a. noch Frieder Kornfeld, Christoph Wink, Katharina Joss, Bernd Helle und Rolf Puschnig – und Stephanie Lenz.
Kulissen in Maria Lindenhof wurden immer wieder zerstört
Zu den Inszenierungen gehörten Aristophanes‘ „Lysistrata“, Senecas „Thyestes“, Sophokles‘ „König Ödipus“ und „Philoklet“, Euripides‘ „Die Bacchen“ und „Medea“, aber auch Tabori- und Dario Fo-Stücke. Das mit viel Engagement betriebene und bis zu 35 Köpfen starke Ensemble des Sommertheaters gab nach zehn Jahren auf, weil neben der großen Mitspieler-Fluktuation – die Mimen gingen in den Beruf und ins Studium – ihre Kulissen vor und zwischen den Aufführungen von unbekannten Randalierern immer wieder zerstört wurden. Wolf Stegemann in den RN vom 17. Juni 1989 (Auszug):
Sowohl für das Sommertheater selbst als auch für die Kulturszene der Stadt war die Premiere [Thyestes] ein Erfolg und somit ein weiterer kultureller Mosaikstein für eine Theatereinrichtung, der, machte sie so weiter, sicherlich der Durchbruch bald gelingen wird. […] Die großartige Leistung des Sommertheaters ist nicht genug zu würdigen. Mit „Thyestes“ wagten sich die Mimen an ein schweres Stück, das deutsche Bühnen kaum aufführen. Thyestes lebt von Senecas schwerem Sprachfluss, der den kargen Handlungsablauf transportiert, und von einer zurückhaltenden aber desto eindringlicheren Choreographie. Beide Bereiche erfordern eine große Disziplin.
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Habe dich wiedergefunden ..;-) wenn man älter wird erinnert man sich der Jugendeuphorie..:-) und wird versöhnlicher….