Von Wolf Stegemann
11. November 2016. – Er war Präsidiumsvorsitzender der Jungen Union, als Städtischer Oberrechtsrat Leiter des Rechtsamts Dorsten, saß im Recklinghäuser Stadtrat, im Kreistag und schließlich im Bundestag. Heute lebt der 1940 in Herten geborene Vollblutpolitiker, der seine Karriere im Dorstener Rathaus begann, in Recklinghausen. – Die Rede ist von Erwin Marschewski. Sechs Wahlperioden lang war der Jurist von 1983 bis 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU). Dort fiel er des Öfteren durch polemische Attacken auf – beispielsweise zu den Themen Verbot von Waffenbesitz, Visa-Pflicht für Ausländerkinder und Mahnmal für die Heimatvertriebenen.
Marschewskis Marsch durch die politischen Institutionen
Bevor er in die große Politik einstieg, war er von 1976 bis 1983 im Dorstener Rathaus Leiter des städtischen Rechtsamts. Zugleich war er Präsidiumsvorsitzender der Jungen Union von NRW. Von Pressevertretern bekam er wegen seiner forschen Erklärungen bei Rats- und Ausschusssitzungen in Dorsten den Namen „Großmaul Marschewski“, worüber der damalige Redaktionsleiter der „Ruhr Nachrichten“ (heute Dorstener Zeitung), Rudolf Plümpe, redaktionsintern stets genüsslich berichtete. Nach der Volksschule wurde Erwin Marschewski Eisenbahner (bis 1965), besuchte nebenher das Abendgymnasium und studierte ab 1965 Rechts- und Staatswissenschaften, machte das Referendar- und Assessor-Examen. Seit 1965 ist er auch Mitglied der CDU, war Mitglied des CDU-Präsidiums Nordrhein-Westfalen und im Kreisvorstand sowie stellvertretender Bezirksvorsitzender der CDU Ruhrgebiet. Von 1969 bis 1999 saß Marschewski in Rat der Stadt Recklinghausen und von 1975 bis 1983 in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe. Im Bundestag war er von 1991 bis 2002 innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, seit 2002 Vorsitzender der „Arbeitsgruppe Vertriebene und Flüchtlinge“ der Fraktion, Mitglied in der G 10-Kommission (Post- und Fernmeldegeheimnis) und Mitglied im CDU-Fraktionsvorstand. Seit 1998 saß er bis weit nach dem Ausscheiden im Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages. Die überregionale Presse beurteilte Marschewskis Politik, sein forsches politisches Handeln und seine Polemik meist kritisch. – 2007 erhielt Erwin Marschewski das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Seine Politik im Bundestag: Waffen auch an Jugendliche
Von den CDU-Politikern Erwin Marschewski, Hartmut Koschyk und Norbert Geis, letzterer seine Beteiligung später abstritt, wurde am 26. April 2002 eine polemische Erklärung zur Änderung des geplanten neuen Waffengesetzes der damaligen Koalition aus SPD und Grünen verfasst und auf der Homepage der CDU veröffentlicht. Darin wehrte sich Emil Marschewski lautstark gegen die geplante Verschärfung des Waffengesetzes. Doch aufgrund des Amoklaufs von Erfurt, bei dem ein bewaffneter Jugendlicher mehrere Schüler und Schülerinnen erschoss, verschwand noch am selben Tag des Amoklaufs diese Presseerklärung von der Internet-Seite der CDU-Fraktion. Die damalige Pressesprecherin der CDU erklärte dazu, dass sich die Polemik der Parteienauseinandersetzung zu diesem Thema nunmehr verbiete. Der TV-Sender ntv kommentierte am 29. April 2002 (Auszug):
„Eiliges Zurückrudern war angesagt, als die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Montag mit den Folgen ihrer Waffenrechts-Presseerklärung vom Freitag konfrontiert wurde. Zur selben Zeit, als in Erfurt die tödlichen Schüsse fielen, hatte in einer Pressemitteilung im Internet die Aufweichung ursprünglich noch schärfer geplanter Waffenrechts-Regelungen als ihren politischen Erfolg gepriesen. […] Auf der Website der Bundestagsfraktion hatte die CDU/CSU-Fraktion darauf verwiesen, ,rechtstreue Jäger, Schützen und Sammler sollten mit unsinnigen Verschärfungen der Vorschriften belastet werden, obwohl nach allen polizeilichen Erkenntnissen hierfür keine sicherheitspolitische Notwendigkeit besteht’. Der verblüffte Leser durfte noch Stunden nach der Tragödie erfahren, dass aus Sicht der CDU/CSU ,der rot-grüne Regelungswahn zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand mit den daraus resultierenden unsinnigen Kosten für Betroffene, Länder und Gemeinden geführt’ hätte. ,So konnten die sinnlose Waffenbegrenzung, die Meldepflicht für inaktive Schützen und die ständige Bedürfnisprüfung verhindert werden’“, hieß es weiter.
Der „Spiegel“ zitierte Marschewski in seiner Ausgabe vom 2. Mai 2002 unter der Überschrift: „Voll ins Schwarze getroffen“ mit:
Marschewski: „,Es ist gut, dass die sinnlose Waffenbegrenzung vom Tisch ist. Es ist gut, dass junge Menschen wieder üben können.’ Und dann wurde er ganz forsch: ,Der Widerstand der Union im Schulterschluss mit Jägern und Sportschützen hat sich gelohnt. CDU/CSU… haben gut gezielt und voll ins Schwarze getroffen.’ – Das Protokoll vermerkt einen Zuruf seiner Fraktion: ,Waidmannsheil’.“
Abgeordnete sind mit Diäten und Altersversorgung gut gepolstert
Zum Thema der Abgeordneten-Diäten, das Erwin Marschewski im Bundestag gerne behandelte, schrieb „Zeit“-online unter „Gut gepolstert“ über den Politiker:
„Der Abschied vom Amt wird deutschen Politikern mit allerlei Abfindungen versüßt. […] Wann immer der CDU-Abgeordnete Erwin Marschewski im Bundestag die Privilegien der Bonner Politiker anspricht, ermuntert er sich und seine Kollegen gern mit Sätzen wie diesem: ,Die Besten sollen Minister werden.’ Sie würden nur leider zu schlecht bezahlt.
Bisher gehört Erwin Marschewski nicht zu den Besten. Noch hängen die Früchte der Spitzenposition ziemlich hoch, wiewohl er die Vorstufe zur Leiter nach oben bereits überschritten hat. Als Mitglied des Fraktionsvorstands wäre es nur eine Frage der Zeit, bis er die Endstation Sehnsucht in einem Ministeramt mit beinah 400.000 Mark per annum erreicht. Dazu kämen Dienstwagen mit Stern und Stander, ein, zwei Sekretärinnen, mindestens ebensoviel persönliche und unpersönliche Referenten, die ihm Koffer und Aktentasche tragen oder auch schon mal das Trinkgeld bezahlen. Mit solcherlei Handreichungen gibt sich ein Minister ebenso wenig ab wie mit dem eigenhändig geschriebenen Wort. Man lässt schreiben.
Verdienen die Politiker zuviel? Gemessen am Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer, verdienen sie blendend, gemessen an den Vorstandsbezügen deutscher Großunternehmen, eher kärglich. Darin ist sich der SPD-Abgeordnete Peter Conradi ausnahmsweise mit seinem CDU-Kollegen Erwin Marschewski einig. Beide plädieren für bessere Bezahlung, Conradi allerdings auch für absolut gläserne Taschen, wie er sie praktiziert. Gute Dotierung, angemessene Alterssicherung und volle Transparenz aller Einkünfte bekämen den demokratischen Spielregeln besser als das Versteckspiel der Politiker um ihre Gelder. Das wäre ganz im Sinn des bekannten italienischen Staatsmannes Niccolò Machiavelli, den Erwin Marschewski unlängst mit dem bedenkenswerten Satz zitierte: ,Ein guter Minister sollte an seinem Lebensende reicher an Ruhm und an guten Taten geworden sein als an Vermögen.’“
„Beteuerungen nicht viel wert!“
Zum Thema Abbau des Beamtenapparates schrieb die Wochenzeitung „Die Zeit“ unter dem Titel „Bonner Kulisse“ 1995:
„Immer deutlicher zeigt sich, dass die Beteuerungen, die Innenminister Manfred Kanther und Koalitionsabgeordnete wie Burkhard Hirsch (FDP) oder Erwin Marschewski (CDU/CSU) zum Thema ,schlanker Staat’ abgeben, nicht viel wert sind. Statt den Beamtenapparat abzubauen, wird er eher vergrößert.“
Und zur Ablehnung der doppelten Staatsangehörigkeit schrieb Lutz Hoffmann am 25. Mai 1994 unter der Überschrift „Auch eine Million Unterschriften können Bonn nicht bewegen, in die doppelte Staatsangehörigkeit einzuwilligen – Völkische Ressentiments“:
„Die wirklichen Gründe sind ideologischer Art. Mehrfache Staatsangehörigkeit widerspricht der Bedeutung, die konservatives Denken in die deutsche Staatsangehörigkeit hineinlegt. Diese Denker sehen darin höchstens in zweiter Linie einen Ausweis für Bürgerrechte. Zuerst ist Staatsangehörigkeit für sie ein Zertifikat der deutschen Volkszugehörigkeit. Menschen mit mehr als nur einer Staatsangehörigkeit würden sich ,nicht ausschließlich dem deutschen Volk zugehörig fühlen’. Damit begründet der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag – Erwin Marschewski – seine Ablehnung: ,Sie wären, so meine ich, weiterhin Fremde’. Das ist völkisch gedacht. Zum deutschen Volk zählt nur, wer ihm ausschließlich angehört. Fremdheit beginnt, wo die Ausschließlichkeit endet.“
Erwin Marschewski wird auf seine alten Tage noch gehandelt. Im Postkartenformat und mit seiner Unterschrift. Sie brachte in einer Online-Versteigerung bei delcampe 2,10 Euro. Wer möchte, kann versuchen, eine solche Autogrammkarte bei hood.de ersteigern. Am morgigen Samstag (12. 11.) endet die Versteigerung um 16.31 Uhr. 95 Cent sind für den lächelnden Marschewski bislang geboten.
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Quellen: Biografien beim Deutschen Bundestag. – Wikipedia Online-Enzyklopädie (2011). – Axel F. Busse „CDU-Presseerklärung zum Waffenrecht – Technisches Versagen“, kommentiert in n-tv vom 29. April 2002. – „Gut gepolstert“ in „Die Zeit“ vom 20. März 1998. – „Bonner Kulisse“ in „Die Zeit“ vom 1. September 1995. – „Voll ins Schwarze getroffen“ in „Der Spiegel“ vom 2. Mai 2002. – „Makabre Presseerklärung der CDU“ in „Der Spiegel“ vom 26. April 2002.