Von Wolf Stegemann
29. April 2016. – Vergleicht man die vielen Bürgerinitiativen in Lembeck zum Wohle des Stadtteils und ihrer Menschen, darunter vor allem die Flüchtlingshilfe Lembeck-Rhade, mit einem Fahrzeug, dann ist Ursula Küsters darin der Motor. Sie möge diesen wenig charmanten Vergleich verzeihen, doch treffender kann man ihr Engagement für andere nicht besser verdeutlichen. Ohne Motor läuft bekanntlich kein Auto und im übertragenden Sinne auch keine Bürgerinitiative. 2014 wurde in Lembeck die Bürgerkooperation „Porte Lembeck“ gegründet, die, ähnlich der Marion Taube-Initiative „Fundbüro für Stadtideen“ jetzt in Lembeck ein „Fundbüro für Dorfideen“ etablierte. Das ist eine Sammelstelle für Verbesserungen von Lebensqualität in Lembeck. Das funktioniert. Regelmäßig treffen sich Bürger, entwickeln Ideen – und setzen sie auch um: Pflanzaktionen verschönern das Stadtbild, das Dorfwirtshaus soll wiederbelebt werden und es wird mehr für Jugendliche und Senioren getan sowie denen Hilfe gegeben, die sie benötigen. Aber auch das gewachsene Dorfbild soll gepflegt werden, denn „Lembeck hat eine Seele und auch alte Gemäuer sind ein Teil davon.“ – Eine ähnliche Initiative gründete sich unlängst in Rhade.
Als die Flüchtlingsproblematik in Dorsten und ihren Stadtteilen sichtbar und spürbar wurde, gründeten Lembecker und Rhader zusammen die „Flüchtlingshilfe Lembeck-Rhade“. Über 200 Bürger und Bürgerinnen der beiden Ortsteile kamen zusammen, um zu helfen. Vorneweg mit ihrem Organisationstalent Ursula Küsters. Unter der Trägerschaft des Stadtverbands der Caritas betreut die Lembeck-Rhader Flüchtlingshilfe die vom Land zugewiesenen Flüchtlinge in dem zum Schloss Lembeck gehörenden und zwischen den beiden Ortsteilen gelegenen Michaelisstift. Für ihr Engagement wurde die Flüchtlingshilfe Lembeck-Rhade am 24. April 2016 bei der Ehrenamtsgala der Stadt Dorsten von Bürgermeister Tobias Stockhoff ausgezeichnet.
Ursula Küsters stets ehrenamtlich in und für Lembeck tätig
Ursula Küsters (65) tat und tut viel. Das musste sie schon als Kind. Sie wuchs in Bersenbrück bei Osnabrück als Älteste von elf Geschwistern auf. Nach dem Abitur und dem Lehramtsstudium in Münster kam sie 1974 als Referendarin zur Agathaschule nach Dorsten, dann zur Don Bosco-Grundschule nach Lembeck. 1981 heiratete sie in der Michaeliskapelle („auf der Kapelle“) den Arzt Dr. Norbert Küsters. Es schlossen sich Jahre mit Haushalt, Kinder, Praxisarbeit, Ehrenämtern und Mithilfe beim Bau des Ärztehauses in Lembeck an. 1997 verwitwet, organisierte sie 2003 den Anbau am Ärztehaus, dann den Dachausbau der Don Bosco-Schule, wurde 2009 zur Vorsitzenden der Fördergemeinschaft des Seniorenzentrums Lembeck gewählt, gründete 2014 die „Porte Lembeck“ mit und setzt sich seit 2015 in der Spielplatzinitiative und der Flüchtlingshilfe ein, die derzeit die Flüchtlinge im Michaelisstift betreut.
Michaelisstift – ein Gebäude mit vielfältiger Vergangenheit
Jenes historische Gebäude der Michaeliskapelle wurde 1727 als Witwensitz der Gräfin von Westerholt, Schwiegermutter des ersten Merveldter auf Schloss Lembeck, erbaut. Von außen wird der Vorbeifahrende kaum Unterschiede zur vorherigen Nutzung als Karmeliterkloster erkennen. Lediglich eine stattliche Reihe von Fahrrädern weist darauf hin, dass darauf wohl keine Nonnen in ihren langen Kutten fahren. Die Karmeliter haben das Kloster nach 15 Jahren wieder verlassen. Die Fahrräder werden heute von Flüchtlingen benutzt, die seit einigen Monaten dort leben. Denn Graf von Merveldt vermietete das leer stehende Haus als Flüchtlingsunterkunft an die Stadt Dorsten. Zuvor war es nach dem Alterssitz der verwitweten Gräfinnen und Wohnsitz unverheirateter Komtessen auch Kinderheim, Lazarett, Flüchtlingsunterkunft für deutsche Ost-Flüchtlinge, dann Krankenhaus (Stiftung) und Altenheim. Nun leben dort seit wenigen Monaten vom Land zugewiesene Flüchtlinge – fast nur Syrer, denn die Afghanen sind mittlerweile wieder weg. 19 Personen beziehungsweise Familien waren es im April 2016. Diese Zahl wechselt ständig. Träger ist der Caritasverband Dorsten. (doppelt: s. oben)
Auf vielen Schultern getragen
Ehrenamtlich werden die Menschen von Ursula Küsters und ihren Damen aus Lembeck und Rhade betreut, die unentwegt mit großem persönlichen Engagement ihrer Mitglieder zum Wohlergehen der Flüchtlinge und deren Kinder beitragen. Diese Initiative wird auf vielen Schultern getragen, um mit Kleiderkammer, Deutschunterricht, Lebensmittelversorgung, Behördengängen, Arztbesuchen die ersten Schritt zur Integration der Menschen zu ermöglichen. Regelmäßig findet in einem Raum der Unterkunft Deutschunterricht statt. Frauen, Männer und Kinder, Alte und Junge nehmen daran teil. Lieder mit einfachen Texten werden gesungen und die Lehrerin spielt dabei die Gitarre. Das trägt zur Entspannung und guten Stimmung bei. Ein eigenes Lehrbuch auf Deutsch und Arabisch wurde angefertigt.
Die Insassen haben größtmögliche Bewegungsfreiheiten, wozu die organisationstalentierte Ursula Küsters und viele andere von der Flüchtlingshilfe beitragen. Beispielsweise Werner Kampmann: Er ist bei allen Kindern sehr beliebt, die sich immer sehr freuen, wenn sie ihren „Onkel Werner“ sehen. Denn er bringt ihnen mit Geduld und Freundlichkeit das Fahrradfahren bei.
Gemeinschaftsküche: Gastfreundschaft auf Gegenseitigkeit
Vieles regeln die Flüchtlinge in St. Michaelis in Eigenregie. Dazu gehört auch die Tätigkeit eines Dolmetschers. Die Gemeinschaftsküche ist oft Treffpunkt der Frauen und Männer. Dann wird dort Fladenbrot gebacken oder so manches Essen zubereitet, das an die Heimat erinnert. Dann erfährt der Besucher Gastfreundschaft umgekehrt. Die Flüchtlinge laden den Besucher gerne zum Essen ein. In der nebenstehenden Kapelle finden nach wie vor sonntags Messen statt, an der auch manchmal Muslime teilnehmen.
Betritt man das Haus, dessen Tür stets offen bleibt, dann fallen einem am „Schwarzen Brett“ die Informationen auf, die in verschiedenen Sprachen aushängen und die Flüchtlinge willkommen heißen. Daran und im Gespräch mit Ursula Küsters erkennt und spürt man ein offenes Verhältnis voller Zuneigung zu den Flüchtlingsfamilien. Das von Politikern mitunter arg strapazierte Wort der „Willkommenskultur“, wird hier ernst genommen und mit Herzlichkeit und einem Aufeinanderzugehen gefüllt. Das beeindruckt.
Siehe auch:
Flüchtlinge 2015: Dorsten praktiziert ein menschenwürdiges Modell…
Die Würde des Menschen ist grundgesetzliches Gebot…
Solche Menschen sind es, die unsere Gesellschaft zu einer lebenswerten machen. Sie wirken unauffällig und effektiv. Danke an alle selbstlos und engagiert Handelnden, Danke an Ursula Küsters.
So einfach ist es, das Miteinander. Eine Frau wie Ursula Küsters sollte den umständlichen kleinkrämerischen Bürokraten, die als gutes Versteck ja ihre Vorschriften haben, als Vorbild dienen. Sie wissen nicht mehr weiter, Amtsfrauen und -männer? Einfach Frau Küsters fragen. Und im Handumdrehen werden aus Problemen Nichtprobleme.
Eine tolle Frau mit viel Herz und Verstand, Hut ab!