Von Wolf Stegemann
Wind- und Wassermühlen waren früher nur im Besitz von Burgherren, Städten und Klöstern und nur der Landesherr konnte diesen das Stau- und Windrecht geben. Die Bauern waren verpflichtet, in den Mühlen ihres Herrn mahlen zu lassen (Mühlenzwang). – Ältester Beleg einer Mühle in Dorsten datiert aus 1334, als Erzbischof Walram (1332 bis 1349) der Stadt die Hälfte der Gefälle der Lippemühle „molendini nostri citi in fluvio Lyppie“ überließ, mit denen die Stadt bereits durch Erzbischof Heinrich von Vornberg (1306 bis 1332) privilegiert worden war. 1381 verschrieb Erzbischof Wilhelm von Genepp (1349 bis 1362) seinem Stiftsmann Heinrich von Ulenbruych aus seiner Mühle zu Dorsten eine jährliche Rente über zwölf Malter Korn, halb Roggen und halb Malz. Eine andere Urkunde nennt 1382 eine Stadtmühle am Flussufer. 1390 genehmigte Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden den Bürgern Dorstens unter bestimmten Bedingungen eine Windmühle auf einem Turm der Stadtmauer zwischen dem Essener Tor und dem Lippetor, deren Ertrag im ersten Jahr wegen der Baukosten der Stadt zufallen, später aber mit dem Erzbischof geteilt werden sollte.
1489 waren in Dorsten vier Mühlen in Betrieb, darunter aber nicht mehr die Windmühle. Allerdings erinnert eine Geldausgabe aus dem Jahre 1618 noch an die frühere Windmühle, als in diesem Jahr und 1676 der Windmühlenturm ausgebessert werden musste. Die 1489 genannten vier Mühlen sind: die Lippemühle (wahrscheinlich an der Mündung des Schölzbachs in die Lippe), die Puntmühle (Punte, Ponten; in der Lippe etwa 50 m unterhalb der Lippebrücke und etwa 300 m oberhalb der Lippemühle), die Essener Mühle (auch Essener, Escher-Mühle); an der Stelle der späteren Gasanstalt am Essener Tor, wo früher der Barloer Bach hergeleitet war und die Barloer Mühle (verbunden mit einer Walkmühle und Schleiferei an der Stelle der heutigen Polsterei Engel an der Marler Straße). Von diesen vier Mühlen stellte die Lippemühle als erste ihren Betrieb ein; die letzte Nachricht davon war, dass diese Mühle 1527 einen neuen Mühlstein für 26 Goldgulden erhielt. Die Essener bzw. Eschermühle ging im Dreißigjährigen Krieg nieder, vermutlich als die Stadt unter den Hessen befestigt wurde oder die kaiserlichen Truppen 1641 die Stadt belagerten. An ihrer Stelle könnte vorübergehend eine Rossmühle in Betrieb genommen worden sein, die auf der Hühnerstraße Richtung „Wiese“ gegenüber gelegen haben soll. 1605 diente sie zur Herstellung der Dammgrube. Letztlich waren ab 1658 nur noch die Punten- und die Barloer Mühle in Betrieb.
Wincks Mühle – 1979 Abriss eines der wenigen historischen Gebäude
Wincks Korn-Mühle am Schölzbach, die bereits im 16. Jahrhundert im Besitz der Stadt und zunächst eine Papiermühle gewesen war, kam 1863 in den Besitz der Familie Winck. Im November 1900 stürzte der Müller Fritz Winck in den Mühlenbach und ertrank, als er das „Schütt“ aufziehen wollte. Die Renovierung der am Postweg in unmittelbarer Stadtnähe gelegenen Mühle hätte rund 120.000 DM gekostet. Diesen Betrag wollte man nicht aufbringen. Daher wurde sie 1970 abgerissen, was später bedauert wurde. Denn mit dem Abriss wurde eines der wenigen historischen Gebäude in der Stadt beseitigt, die erhalten geblieben waren.
Wienbecker Mühle – Abgebrannt, versetzt, renoviert und verkauft
Zu den Regalen des Fürstbischofs von Münster gehörte auch der Mühlengerechtsame. Im Kerngebiet der Herrlichkeit Lembeck verfügten die Herren von Lembeck über vier Wassermühlen: Walkmühle (Tüshaus-Mühle), Midlicher Mühle, Mühle an der Ellefarth (Rhader Mühle) und die Wienbecker Mühle (auch Wienbeck-Mühle), die zuletzt an der B 58 in Höhe des Abzweigs der Chaussee zum Schloss lag und 1975 offenbar durch Brandstiftung völlig abbrannte. Ursprünglich lag sie innerhalb der Hovesaat des Hofes zu Wulfen („Teichwiese“). Vermutlich ist die Mühle im 16. Jahrhundert nach Westen in die Heide verlegt worden, wo das Wasser des von Lembeck kommenden Baches ausgenutzt werden konnte. Das Mühlengebäude wurde noch einmal versetzt und befand sich ab 1700 unmittelbar am Hofraum der Besitzung Brunn.
Verpachtet an Familie Rössmann
Gutshof und Mühle haben ihren Namen vom Wienbach übernommen. 1708 belebte der frisch nach Lembeck eingeheiratete Freiherr von Merveldt die alten herrschaftlichen Rechte und steigerte die Effizienz der Mühlen. 1712 setzte er die Wienbecker Mühle in Stand und ließ sie durch einen Mühlenknecht versorgen. 1812 verpachtete die Schlossherrschaft die Mühle für jährlich 415 Taler an die Familie Rössmann. Im Laufe der nächsten 100 Jahre wurde die Mühle mehrmals renoviert, modernisiert und mit neuer Technik ausgestattet, bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg ausgedient hatte und das Gebäude samt Einrichtung von der Entwicklungsgesellschaft Wulfen für die geplante Neue Stadt Wulfen gekauft wurde
Windmühlen in der Herrlichkeit
Die in Volksliedern viel besungene Mühlenromantik „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ ist in Dorsten schon lange untergegangen. Viele der historischen Mühlengebäude sind im Laufe der Jahrhunderte längst verschwunden, bei anderen steht nur noch der steinerne Stumpf, nachdem der „Zahn der Zeit“ Räder und Flügel verfallen ließ. Die wenigen, die erhalten sind, weil sie restauriert wurden, sind heute eine Zierde in der Landschaft.
Verschwunden ist in Lembeck-Wessendorf die 1857 erbaute Ortmannsche Mühle, deren Flügel sich 1931 zum letzten Mal drehten. Die zweite Lembecker Mühle, die Hölkersche, in der Nähe des Dorfes, wurde bereits einige Jahre früher demontiert. Zwischen dem Dorf Hervest und der Stadt Dorsten befand sich die Loreysche Mühle. Sie wurde 1912 durch Feuer vernichtet und nicht wieder aufgebaut. Im Jahre 1928 wurden die Flügel der Wulfener Windmühle abgenommen, nachdem die Bemühungen gescheitert waren, für die Wiederherstellung einen Zuschuss zu bekommen. Diese Mühle war 1875 erbaut worden, wechselte mehrere Male ihren Besitzer und war seit 1906 im Besitz der Familie Kondring.
Am längsten betriebsfähig unter den Mühlen der Herrlichkeit war die Hemingsche Mühle beim Dorf Hervest. Sie wurde 1864 als Windmühle erbaut. Später kam die Antriebskraft aus einer Dampfmaschine hinzu, die 1927 durch einen Elektromotor ersetzt wurde. Doch konnten bis zum Jahre 1940 bei günstigem Wetter die Flügel in den Wind gesetzt werden. Dann aber verfielen sie der Starre, bis sie 1952 mit dem gesamten Außenwerk abgenommen werden mussten. Anna Wichelhaus schrieb dazu im Heimatkalender 1955:
„Es war einmal, dass wir Kinder staunend zu den von Flügel zu Flügel gespannten Wimpeln emporblickten, die bei Prozessionen oder beim Empfang des Bischofs noch in den Lüften lustig flatterten, grübelnd, wie der kluge Windmüller das fertig gebracht hatte…“
Hagenbecker Mühle – Ausgebranntes Gebäude musste Autobahn weichen
1439 kaufte Wennemar von Heyden die Pliestermühle, die kurz danach abgebrochen wurde. Als Ersatz baute er danach die Wassermühle Hagenbeck an der früheren Burgstraße neu auf, die nah am Gut Hagenbeck lag. Er verpachtete die Mühle an die Dorstener Mühlengilde für jährlich 12 Rheinische Gulden und bestimmte, dass Holsterhausener ihr Korn dort mahlen lassen mussten. 1724 ließ der neue Besitzer von Hagenbeck, Graf Alexander II. von Velen, die inzwischen verfallene Mühle von einem Müller, der keiner Gilde angehörte, wieder herrichten. Später hatte die Holsterhausener Müller-Familie Mense die Hagenbecker Mühle in Pacht.
Mühle nur noch als Lagerraum genutzt
Das Wasser für die Mühle kam aus dem Holsterhausener Bruch und wurde nördlich des heutigen Reiterhofes Brüse aufgestaut. Das Mahlwerk der kleinen Mühle war unterschächtig ausgestattet. Daher brachte die Mühle keine großen Einnahmen. Als der Mahlzwang für die Bauern aufgehoben wurde und Mitte des 19. Jahrhunderts die Windmühlen als Konkurrenten der Wassermühlen auftraten, versuchte die Pächter die wirtschaftlichen Ergebnisse der Hagenbecker Mühle zu verbessern, was ihnen auf Dauer nicht gelang. Bis zum Jahr 1900 betrieb Mense die Hagenbecker Mühle als Pächter, andere Quellen sagen als Angestellter. Dann baute Mense im Dorfzentrum Holsterhausen eine elektrisch angetriebene Mühle. So stand das Mühlrad in Hagenbeck für längere Zeit still. Der neue Besitzer von Gut Hagenbeck, Amtsrichter Thomas, ließ einen Generator einbauen, der mit Wasserkraft betrieben wurde. Die Mühle war bis in die 1930er-Jahre in Betrieb und lieferte auch für das Haus Hagenbeck Lichtstrom, was besonders nach Kriegsende 1945 hilfreich war. Die Rheinisch-Westfälischen Wasserwerke (RWW) erwarben Mühle und Mühlenhof, der Pächter nutzte sie nur noch als Lagerraum. Mit dem Bau der Autobahn 31 wurde die vorher ausgebrannte Mühle 1982 abgebrochen.
Mühle Mense – Holsterhausener Familienbetrieb in der 4. Generation
Um 1720 wurde die Holsterhausener Pliestermühle (genannt 1616) an der Pliesterbecker Straße zerstört. Die zum Gutshof Hagenbeck gehörende Wassermühle war allerdings zu klein, um Holsterhausen versorgen und den Müller ernähren zu können. Daher wurde für die Hagenbecker Mühle ein Müller gesucht. Den fand man im Münsterland. So kam der erste Mense nach Hagenbeck, um die dortige Mühle zu betreiben. Seine Nachkommen führten die Mühle bis etwa 1900 weiter. Um 1910 erwarb Heinrich Mense, der damalige Müller auf Hagenbeck, das Grundstück an der heutigen Pliesterbecker Straße/Ecke Hauptstraße im Dorf Holsterhausen und erbaute dort die heutige Walzenmühle mit Dieselantrieb. Heinrich Mense starb 1936. Die Geschäfte führte seine Witwe weiter, bevor sie diese an den Sohn Ludwig übergab. Mit Thomas Mense wird die Mühle heute in der 4. Generation betrieben.
Dorstenerin Barbara Mense jüngste Müllermeisterin in NRW
Ludwig Menses Brüder Heinrich und Wilhelm bauten eigene Mühlenbetriebe in Holsterhausen bzw. Hervest-Dorsten auf. Der Betrieb von Heinrich Mense in Holsterhausen wurde wegen Fehlens eines Nachfolgers in den 1990er-Jahren aufgegeben. Wilhelm Menses Betrieb in Hervest-Dorsten wird heute von Barbara Mense, der bis dahin jüngsten Müllermeisterin in Nordrhein-Westfalen, weitergeführt. Das Unternehmen ist einer der letzten handwerklichen Mühlenbetriebe im Regierungsbezirk. Zweites solides Standbein der gelernten Verfahrenstechnologin für Getreidewirtschaft ist der seit mehr als 25 Jahren bestehende Bioladen in Hervest-Dorsten. „Ein Bioladen war für sie die perfekte Ergänzung zu dem Mühlenbetrieb, der schon aus Tradition hochwertige Naturprodukte verarbeitet. Denn die Mühle musste sich auf das Mahlen von Roggen und Dinkel spezialisieren, um dem großen Mühlensterben in den 1950er-Jahren zu entgehen.“ (Dorstener Zeitung).
Ölmühle – Anstatt einer „Kulturfabrik“ entstanden Büroräume
1987 wollten zwei Dorstener, Burkhard Lang und Thomas Boos, in der alten Ölmühle an der Hafenstraße eine „Kulturfabrik“ als gewerblich-kulturelles Zentrum einrichten. Die beiden legten dem Kulturausschuss ein ausgearbeitetes Konzept vor (Kneipe, Café, Bühne für Lesungen, Kleinkunst u. a.). Die Kulturpolitiker lehnten den Antrag ab, weil im Kulturausschuss des Rates unsinnigerweise gemutmaßt wurde, dass dort dann auch „Rouletttische“ aufgebaut werden könnten (siehe gescheiterte Kunst- und Kulturhäuser). 1991 erwarb das Architektenbüro Kaplan das Wohngebäude der Ölmühle, die Villa der Gebrüder Müller, von der Erbengemeinschaft Müller, restaurierte sie und richtete Büroräume ein. Teile der unter Denkmalschutz stehenden alten Ölmühle wurden 1996 durch ein Feuer zerstört. In der alten Ölmühle und im Areal der Ölmühle am Kanal wurde Wohnbebauung errichtet.
Mühlenbach – Bach mit drei Namen hat kein natürliches Bett mehr
Und dann gibt es noch namentlich einen Mühlenbach. Der Bach entspringt in Groß Reken, heißt nach der Vereinigung mit dem Lembecker Schlumpenbach Wienbach, um in Holsterhausen als Hammbach in die Lippe zu münden. Für das Münsterland hat er eine hervorragende Wasserqualität. Zum großen Teil wird er von Grundwasser aus der Hohen Mark gespeist, das auch im Hochsommer relativ kühl und sauerstoffreich ist. Dadurch leben seltene Arten in ihm, wie die Groppe oder das Flussneunauge. Sein Bachbett ist nicht natürlich. Um 1900 wurde es begradigt und um 1965 sein Lauf für den Bau der Neuen Stadt verlegt und vertieft. Die damit verbundene Grundwasserabsenkung ermöglichte erst den Bau des Zentrums Wulfener Markt und des Westabschnitts. Wegen großer Bergsenkungen in Holsterhausen fließt er nicht mehr natürlich in die Lippe, sondern sein Bett musste auch dort verlegt werden. An den Straßen Hohenkamp und Baldurstraße steht ein großes Pumpwerk, dass das Wasser zwölf Meter (!) anhebt, um es in drei großen Röhren 600 Meter weiter über den Deich zu befördern.
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Lieber Herr Stegemann,
die Mühle von Heinrich Mense stand an der Gabelung Wulfener Landweg/Dreckerstraße. Ich kann mich erinnern, dass wir als Kinder von unseren Eltern zu Heini und Paula Mense geschickt wurden, um Buchweizenmehl zu kaufen.