Von Wolf Stegemann
27. November 2015. – In Dorsten lebt ein Mann, der vorgibt die „Geheimnisse der Ewigkeit“ zu kennen, der auch weiß, wie der „Heilige Gral“ zu deuten ist, den im Mittelalter religiöse Erleuchter lange suchten. Ergebnislos, weil der „Gral“ eine mythische Metapher für die Suche nach unbeantworteten Fragen des Lebens, des Todes und der Ewigkeit war und für einige Menschen immer noch ist. Diesen „Gral“ vermuten Mystiker in dem französischen Pyrenäen-Dorf Rennes-le-Château, was nun den Dorstener, der dort war, offensichtlich animierte, in nunmehr zweiundzwanzig Jahre langer Arbeit jahrtausendelang unbeantwortete Frage über das Woher und Wohin der Menschen zu beantworten und seitenlang im Internet zu veröffentlichen, wo er seine Anhänger fand. Somit gehört er zu jenen, die all die klugen Philosophen der Antike und des Mittelalters, Wissenschaftler und Theologen der Neuzeit und der Gegenwart in den Schatten stellt. So müsste er es auch sehen. Er, das ist der 1966 geborene Dorstener Autor Martin Lothar Sieg, der umfangreiche Internet-Auftritte hat, über sich selbst allerdings nichts preisgibt. Eine Anfrage nach persönlichen Angaben schlug leider fehl. Daher kann über seine Person selbst hier nichts Wesentliches berichtet werden. Verbleibt eine dem Leser vorbehaltene Würdigung seiner Person über seine Veröffentlichungen, in denen er die in dem Pyrenäendorf Rennes-le-Château angeblich aufgefundenen Geheimnisse seinen Lesern offenbart. Manche halten so etwas kopfschüttelnd für obskur, andere sind mit missionarischem Eifer dabei, denn sie glauben, die Erkenntnis über die Fragen der Menschheit und Gott endlich gewonnen zu haben. Zu Letzteren gehört Martin Lothar Sieg in Dorsten.
Auf hunderten von Seiten im Internet Geheimnisse veröffentlicht
Mittlerweile hat er drei E-Bücher unter dem Haupttitel „Geheimnisse der Ewigkeit“ geschrieben und veröffentlicht. Die Untertitel heißen: „Die Pergamentrollen-Offenbarungen der Maria Magdalena“ (2012), Band 2 dito (2013), Band 3 „Die Chronik der Nemesis“ (Ende 2014). Somit gehört Martin Lothar Sieg zu den Rennologen, die sich mit den angeblichen Geheimnissen aus der Kirche des Pyrenäendorfs befassen und individuell ihre Erkenntnisse aus einem Mix aus historischen Katharer-Morden, päpstlicher Verbrechen, mythologischer Gral-Suche, aus Heiligem und Teuflischem, aus der „Wahren Botschaft Gottes“ und geometrischer Vermessungen für die Menschheit ziehen.
Ursprung der modernen Legendenbildung: Gerede eines Gastwirts
In jenem Dorf in den Pyrenäen gibt es die 1059 eingeweihte und im Kern romanische Dorfkirche Sainte Marie-Madeleine, die ab 1891 von Bérenger Saunière, dem damaligen Pfarrer des Ortes, renoviert und volkstümlich umgestaltet wurde. Erst durch den modernen Mythos und eine Legendenbildung wurde sie weithin bekannt. Der Restaurantbesitzer Noel Corbu erwarb 1946 das Haus des Pfarrers und eröffnete 1950 darin ein Lokal. Er behauptete, der Pfarrer habe um 1900 im Dorf den „heiligen Gral“ zusammen mit den Schätzen der Templer (Jerusalemer Tempelschatz), der Katharer oder gar der Goten gefunden und sei unermesslich reich geworden. Saunière habe bei der Renovierung des Altars ein offenbar dort verstecktes altes Pergament mit einer seltsamen christlichen Botschaft gefunden. Aus den Gerüchten entstand eine Mythologie, die weit verbreitet wurde.
Bestsellerromane machten das Pyrenäendorf berühmt
Allgemeine Bekanntheit erlangte der Ort allerdings erst durch den Bestseller „Der Heilige Gral und seine Erben“, in welchem die britischen Autoren Baigent, Lincoln und Leigh die Legende um Rennes-le-Château verarbeiteten. Umberto Eco verwendete 1988 Elemente daraus für seinen Roman „Das Foucaultsche Pendel“. Dan Brown griff die Thematik nochmals für seinen Bestseller aus dem Jahr 2003 „Sakrileg“ auf, wodurch das Thema noch größere Verbreitung fand. Ebenfalls 2003 erschien im deutschsprachigen Raum der Roman „Die Erbin des Grals“ von Helene Luise Köppel, der in Rennes-le-Château spielt. Auch in dem 2006 erschienenen Roman „Das Magdalena-Evangelium“ von Kathleen McGowan, dem 2007 erschienenen Roman „Calix“ von D. L Wilson und in dem 2008 erschienenen Roman „Die achte Karte“ von Kate Mosse wird der Ort zum zentralen Punkt der Handlung. Durch die Spekulationen bezüglich Saunière erlebt das Dorf mit seinen 65 Einwohnern seit vielen Jahren einen Tourismusboom, dessen Nebenprodukt zahlreiche laienhafte Ausgrabungen von Schatzsuchenden und ebenso laienhafte Veröffentlichungen sind.
Ein Mix aus Heiligkeit, Teufelsgestalt und „wahrer Botschaft Gottes“
In seinem E-Buch „Geheimnisse der Ewigkeit“ beschreibt Sieg, was er fühlte, als er mit Freunden die Pergamentrollen las und dadurch die Erkenntnis gewann, den „Heiligen Gral“ gefunden zu haben:
„Wir erkannten zunächst nicht den Wert dieser geheimnisvollen Zeilen, die wir einfach so aufnahmen, aber irgendwie fühlten wir uns durch ein unterschwelliges Sendungsbewusstsein angesprochen und empfangsbereit für diese Art von Informationen. Es brandete, wogte und kochte in uns mit unheimlicher Macht von außen und innen, eine Neugierde und Phantasie, die auf uns einprasselte, die zunächst nur amorphe geistige Strukturen annahmen. Mit dem erst später vergleichbaren intensiven einsetzenden akribischen Studium eines Archäologen, ist es uns schlussendlich gelungen, das Geheimnis von Rennes-le-Château und des Rätsels Lösung als logisch zu begreifen, zu verstehen und zu verarbeiten…“
Diese entschlüsselten Geheimnisse führten den Autor in die Vergangenheit des Tempelbergs von Jerusalem, wie er schreibt, und in die Gegenwart, „einer Matrix von bestimmenden Zusammenhängen von Leben und Tod“. Die gelesenen Pergamente hätten ihm, Martin L. Sieg, auch eine ferne Zukunft sichtbar gemacht, „um einen eventuellen Kollaps dieser Welt, in der unsere Kinder leben werden, abwenden“ zu helfen. Und er deutet seine eigenen Betrachtungen aus einem Mix aus Heiligkeit und Teufelsgestalt sowie der „wahren Botschaft Gottes“:
„Die Menschen dieser Welt brauchen einen Grundgedanken, der sie bestehen lässt. Das Leben ist Programm. Die Gestaltung der Kirche von Rennes-le-Château mit einer Teufelsgestalt, dem Asmodeus als Bewahrer ist eine Programmnachschau eines alten Konzeptes, herbeigeführt durch den Abbé Bérenger Saunière, der ferner seinen Heiligenzoo und die vierzehn Kreuzwegstationen in der Kirche von Rennes-le-Château kreierte. Dem gegenüber stehen die wahre Botschaft Gottes und die seines Sohnes Jesus. Die Pergamente mit ihrem verschlüsselten Inhalt befinden sich auf einer geistigen Ebene, einer anderen, nicht der religiösen Etikette vorbehaltenden Ebene, über Leben und Tod. Die versteckte Dualität einer Erkenntnis eines übergeordneten Programmablaufes im Dasein des Menschen, ist durch die Pergamente zusammen genommen einer Weiterentwicklung einer sozialen Werteordnung und Weltanschauung für zukünftige Generationen. Mithilfe der Naturwissenschaften ist es den Autor schlussendlich nach zwei Jahrzehnten Arbeit gelungen, das verborgene Wissen aus den verschlüsselten Pergamenten für uns alle sichtbar und nutzbar zu vereinigen, sodass eines der größten Rätsel Europas, sowie der Welt gleichermaßen gesehen, uns das jetzt mitteilen will worauf die Menschheit schon lange gewartet hat.“ – Sein Fazit für den Leser: Dieser werde nach dem Lesen „erleuchtet“ sein.
Ein magisches Wunder, dass das Licht das Lesen erst ermöglicht
In seiner Einleitung zu „Geheimnisse der Ewigkeit“ befasst sich Martin L. Sieg erst einmal mit dem Licht, das das Lesen seiner niedergeschriebenen Zeilen erst ermögliche:
„Wenn wir uns seit dem ersten Tag der Schöpfung schon im Licht befinden, dann wollen wir uns jetzt auch mit diesem mystischen magischen Licht beschäftigen und es vor allem ergründen, was es uns denn so magisches zu erzählen hat. Dass der Leser überhaupt diese Zeilen lesen kann, verdanken wir unserem Augenpaar, die als Lichtbiosensoren fungieren und uns somit Zugang zum Licht gewähren. Allein dies ist schon ein großartiges magisches Wunder der Natur, die uns unser Augenlicht am Menschen ermöglicht hat und heutzutage, aus wissenschaftlicher Sicht gesehen, mit seinen Funktionsweisen verstanden wurde. Aber das ist nur der Anfang, wenn es um das Licht um uns herum geht. Wir müssen uns jetzt die einfache Frage stellen; woher das Licht nun kommt, das wir ständig mit unseren Augenpaar wahrnehmen?“
Die Menschen haben den Mond gedemütigt zurückgelassen
Im Text selbst wird der Mond mit in die Gralsuche einbezogen, den die Menschen in Stich gelassen hätten:
„Falls der Mond in Zukunft als unser ständiger Begleiter der Erde so bleibt wie er jetzt noch ist, so könnte man heutzutage auf die krumme Idee kommen, dass wir diesen, unseren Mond nur für unsere Interessen eingespannt und ausgenutzt haben, um ihn danach einsam, allein und gedemütigt zurückzulassen. Auf gut deutsch: wir haben unseren Mond im Stich gelassen.“
Und zu den in die Sieg’sche Philosophie eingebrachten Außerirdischen, stellt er fest, dass sie da sind und jederzeit „wiederkommen möchten, wann auch immer“. Dies belege das „unerklärliche, ruckartige Flugverhalten“ ihrer Schiffe, die „ja keinen Piloten“ haben, denn „das Schiff selbst ist der Pilot“. So fragt er, ob Außerirdische bekannt seien und beantwortet die Frage:
„Möglich ist, wir wurden bereits kontaktiert und haben den biologischen Außerirdischen nicht gesehen, weil es ihn so nicht gibt. Wir müssten mit den Objekten kommunizieren, denn das sind die wahren Außerirdischen…“
Des Weiteren beantwortet Martin L. Sieg dann die selbstgestellten Fragen, mit denen er auf den „Gral“ zurückkommt, mit dem das bereits erwähnte Pyrenäendorf Rennes-le-Château in Zusammenhang steht: Wie ist das vergossene Blut Jesu Christi für uns nach fast 2000 Jahren, heute im 21. Jahrhundert zu verstehen? Welche Rolle spielen die im Frühjahr 1887 durch den Abbé Bérenger Saunière aufgefundenen Pergamentrollen aus der Dorfkirche der Maria Magdalena in Rennes-le-Château? Wie ist Europas größtes Rätsel von Rennes-le-Château zu verstehen und zu verarbeiten? Was ist der „Heilige Gral“? Und weiter schreibt Martin L. Sieg im Vorwort über Martin L. Sieg:
„Der Autor Martin L. Sieg schildert die Zeitreise eines verschwundenen Schatzes über die Vergangenheit bis in unsere Gegenwart und Zukunft hinein. Er gibt Auskunft über den verschwundenen Schatz des Merowingerkönigs Dagobert II., wo er sich jetzt befindet und wie er zu verstehen ist. Als einer der Hauptwegweiser dienten die versteckten und wieder aufgefundenen Pergamentrollen, Gemälde, die Mathematik, Standorte, die Geometrie und andere Mittel, die zur Entschlüsselung der Rätsel und Geheimnisse von Rennes-le-Château beitrugen.“
Im Gästebuch des E-Books schrieb dazu der Leser „Horus“ an Martin Sieg 2009: „Es ist eine Interessante These zu behaupten (und) zu wissen, den heiligen Gral gefunden zu haben. Dennoch wünsche ich Ihnen Glück.“ 2010 schrieb „Janus“:
„Ich hätte nicht gedacht, dass man den Gral jemals irgendwie erklären oder erfahren könnte. Wenn das so ist, was Sie über den Gral geschrieben haben, fühle ich mich tatsächlich inspiriert von all diesen neuen Erkenntnissen. Ich wünsche Ihnen und allen anderen Lesern des E-Books viel Glück und Erfolg mit dem sich selbstständig anfüllenden Gral.“
Und weiter schreibt Sieg über Sieg:
„Mit Hilfe der Naturwissenschaften ist es dem Autor schlussendlich nach zwei Jahrzehnten Arbeit gelungen, das verborgene Wissen aus den verschlüsselten Pergamenten für uns alle sichtbar und nutzbar zu vereinigen, sodass eines der größten Rätsel Europas, sowie der Welt gleichermaßen gesehen, uns das jetzt mitteilen will, worauf die Menschheit schon lange gewartet hat. – Dieses E-Book wird den Leser jetzt ganzheitlich erleuchten…“
Eine Schlussbemerkung zu dieser Geschichte ist notwendig:
Die Fakten: Die berühmten Pergamente des Abbé Saunière sind nur Hypothesen und Interpretationen, die aufgrund von Analysen von angeblichen Kopien dieser Pergamente gemacht wurden. Es existiert kein Beweis für die reale Existenz dieser Pergamente. Hingegen sind die Aussagen von Saunières Zeitgenossen einheitlich: Sie haben nie von Pergamenten gesprochen. Ihre Geschichte stammt – wie eingangs geschildert – aus dem Geschwätz eines Gastwirts in den 1960er-Jahren. Die sich daraufhin gebildeten Gerüchte wurden durch Medien und Roman-Autoren verstärkt und so mancher Leser mag Zeitungsberichte und Romane als Realität empfunden haben. Madame Leontino Marre in Rennes-le-Château über die Verbreitung dieser Legende: „Sie (die Journalisten) schreiben nie, was ich ihnen sage, sondern reden immer von in den Säulen des Altars gefundenen Pergamenten, obwohl da nie so was gefunden wurde und ich ihnen das auch nie erzählt habe.“
________________________________________________________________
Quellen: www.maria-magdalena-pergamentrollen.de und die im Text angegebenen
Überall gibt es Spinner und Phantasten, Anmaßende und abgrundtief Dumme – warum sollte das in Dorsten anders sein. Stopft diesen Mann aus und gebt ihm einen schönen Platz im Heimatmuseum vor der Agathakirche.
Ralph Hörster
Anmerkung der Redaktion: Das Heimatmuseum vor der Agathakirche wurde bereits aufgelöst.
Hallo Herr Sieg!
Seit über 3 Jahren bin ich eine Suchende, und ich denke, ich habe die Lösung!!
Haben Sie Interesse oder wollen Sie die Leute weiter zum Enträtseln anhalten?
Würde mich über eine Antwort von Ihnen freuen,
herzlichst
S. Schmidt