Von Helmut Frenzel
21. August 2015. – War der Aufruhr nur dem Sommerloch geschuldet oder was ist los im Dorstener Einzelhandel? Gerüchte um eine mögliche Ausweitung der Einzelhandelsfläche auf dem Zechengelände um wenige hundert Quadratmeter genügten, um die stoisch anmutende Ruhe unter den Einzelhändlern in der Dorstener Altstadt zu beenden. Das hatte weder die bevorstehende Ausweitung der Einzelhandelsfläche um 12.500 Quadratmeter durch das Mercaden vermocht, noch die Ansiedlung von Einzelhandel auf dem Zechengelände auf 3.100 Quadratmetern und auch nicht die Vergrößerung der Verkaufsfläche um etwa 2.500 Quadratmeter im Zuge der Neugestaltung des Nahversorgungszentrums an der Händelstraße/Bochumer Straße, das kurz vor seiner Vollendung steht. Für eine schrumpfende Stadt ist diese Flächenexpansion geradezu atemberaubend.
Aber jetzt haben ein paar hundert Quadratmeter zusätzliche Verkaufsfläche das Fass zum Überlaufen gebracht. In einem Brief an die Ratsfraktionen pocht die DIA, in der die Kaufleute der Altstadt organisiert sind, auf die Einhaltung der bisher beschlossenen Bebauungspläne und droht der Stadt im Falle der Genehmigung zusätzlicher Einzelhandelsflächen mit einer Klage. Die Eröffnung des Mercaden im Frühjahr 2016 wirft ihre Schatten voraus. Nachdem die gewaltigen Ausmaße des Neubaus am Lippetor nicht mehr zu übersehen sind, werden die Einzelhändler allmählich nervös. Ist die Ansiedlung des Mercaden doch nicht Lösung der Probleme des innerstädtischen Einzelhandels? Die Besorgnisse scheinen zu wachsen. Der CDU-Ortsverband Altstadt/Feldmark beeilte sich, den Kaufleuten beizuspringen. Ihr Vorsitzender Ludger Samson beteuerte, man sei gegen eine „massive Erweiterung“ der Verkaufsfläche auf dem ehemaligen Zechengelände. Vorstandsmitglied Werner Schroer wird zitiert mit der Äußerung, man dürfe der Altstadt „keine unnötige Konkurrenz“ aufbürden.
Ansiedlung des Mercaden auf Kosten anderer Stadtteile?
Überraschend baut sich eine neue Konfliktlinie auf. Die Stellungnahme der DIA veranlasste etliche Hervester Bürger zu Leserbriefen in der Dorstener Zeitung. Tenor: die berechtigten Erwartungen an die Qualität der Nahversorgung in Hervest würden den Interessen der Altstadtkaufleute geopfert. Dabei geht es vordergründig um die Ansiedlung eines Drogeriefachmarktes. Eine DZ-Leserin weist darauf hin, dass es früher Im Harsewinkel zwei Drogeriegeschäfte gab, für die dringend ein Ersatz benötigt wird. In einem anderem Leserbrief heißt es, die Bevorzugung einzelner Ortsteile durch die CDU sei einfach nur abstoßend; die CDU betreibe Klientelpolitik und vernachlässige die Bedürfnisse der Bürger.
Unter den DZ-Zuschriften sticht eine besonders hervor. Heinz-Georg Schulz schreibt, er sei überrascht über die „Zusammenarbeit der CDU mit der Kaufmannschaft der Altstadt“. Die Hervester hätten keine Einwände gegen die Größe des Mercaden und von Kaufland vorgebracht. Dass nun ein Drogeriemarkt auf dem Zechengelände „von einer Handvoll Politiker hinter verschlossenen Türen“ abgelehnt wurde, ohne Vertreter aus dem Stadtteil zu beteiligen, sei nicht nachvollziehbar. Stattdessen werde demnächst ein Drogeriemarkt im Mercaden öffnen, der dritte dieser Art in der Altstadt. CDU und die Kaufmannschaft sollten sich lieber Gedanken machen, was mit den Leerständen geschehen soll, die nach der Eröffnung des Mercaden zu erwarten sind.
Zerbricht das Meinungskartell?
Das ist deutlich. Heinz-Georg Schulz ist nicht irgendwer. Er ist Ratsmitglied mit CDU-Parteibuch. Dass jemand wie er auf Konfrontation geht, lässt auf große Verärgerung schließen. Zerbricht das Meinungskartell, das die Ansiedlung des Mercaden erst möglich gemacht hat, an den widerstreitenden Interessen der Stadtteile? Erstmals gerät in den Fokus, dass das Umsatzvolumen des neuen Einkaufszentrums etwa zur Hälfte zu Lasten der Stadtteile geht. Am härtesten trifft es die Einzelhändler in der Altstadt. Die nächsten Monate werden zeigen, ob Bürgermeister und Fraktionsvorsitzende die auseinander driftenden Meinungen wieder einfangen und die bequeme Meinungseinheit von früher wieder herstellen können. Aber so viel dürfte feststehen: Der Druck im Kessel wird mit dem Näherrücken des Termins der Mercaden-Eröffnung im Frühjahr 2016 weiter steigen.