Lange Zugehörigkeit, fortschreitende Alterung und geringer Frauenanteil kennzeichnen den Rat der Stadt

von Helmut Frenzel

20. März 2015. – Der Rat der Stadt wurde im Mai 2014 neu gewählt. Da lohnt ein Blick darauf, wie dieser neue Rat sich zusammensetzt. Dabei geht es nicht so sehr um die Stärke der Parteien, sondern mehr um das „Innenleben“ der Bürgervertretung. Vorweg sei erwähnt, dass es zwei wesentliche Veränderungen gab: zum einen wurde die Zahl der Mitglieder durch Beschluss des vorherigen Rates aus Gründen der Kosteneinsparung von 50 auf 44 verringert. Zum anderen gilt für den jetzigen Rat eine verlängerte Amtszeit von zuvor fünf auf jetzt sechs Jahre bis 2020. Dies ist auf die Zusammenlegung der Wahltermine von Bürgermeister und Gemeinderäten zurückzuführen.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Sitzverteilung im neu gewählten Rat:

Hohe Wiederwahlquoten

Von den 21 Mitgliedern der CDU-Ratsfraktion sind 17 wieder gewählt (80 Prozent); bei der SPD sind es von 15 Fraktionsmitgliedern 11 (75 Prozent). Von der auf zwei Mitglieder geschrumpften FDP-Fraktion ist eines wieder gewählt (50 Prozent); von der um ein Mitglied verkleinerten Ratsfraktion Die Grünen waren zwei Mitglieder schon im vorherigen Rat (67 Prozent), ein Mitglied wurde erstmals gewählt. Die Soziale Fraktion und WIR für Dorsten sind im neuen Rat nicht mehr vertreten. Dafür gibt es Die Linke mit zwei und die UBP mit einem Mitglied. Von den 44 Ratsmitgliedern insgesamt sind 31 wieder gewählt (70 Prozent) und 13 neu hinzu gekommen (30 Prozent). Betrachtet man nur die Parteien, die schon im vorherigen Rat vertreten waren und deren Mitglieder also überhaupt wieder gewählt werden konnten, dann beträgt der Anteil der Wiedergewählten 75 Prozent.

Ob eine Fluktuation von 30 Prozent viel oder wenig ist oder einfach im Rahmen des Durchschnitts liegt, lässt sich nicht sagen, dazu fehlen Vergleichszahlen von früheren Wahlen und aus anderen Gemeinden. Dass 70 Prozent der Ratsmitglieder wiedergewählt sind, spricht immerhin für eine lange durchschnittliche Zugehörigkeit zum Rat. Das zeigen auch die folgenden Zahlen.

Ratsmitglieder über viele Wahlperioden im Rat

Von den wieder gewählten Ratsmitgliedern gehörten zum Zeitpunkt der Kommunalwahl 2014 dem Rat ununterbrochen an:

Für die wiedergewählten Ratsmitglieder ergibt sich daraus grob die folgende Einteilung: 40 Prozent (zwölf) gehören dem Rat seit 15 Jahren oder länger an, 30 Prozent (neun) seit 10 Jahren und weitere 30 Prozent (zehn) sind seit einer Amtsperiode dabei (fünf Jahre). Mit dieser Altersverteilung geht die Gruppe der Wiedergewählten in die verlängerte Amtszeit von sechs Jahren. Am Ende der Amtszeit wird sich ihre Ratszugehörigkeit um weitere sechs Jahre erhöht haben. Dann werden zwei Drittel der jetzt Wiedergewählten 16 Jahre oder länger dem Rat der Stadt angehören.

Ratsmitglieder werden immer älter

Die Altersstruktur der Ratsmitglieder spiegelt die lange Zugehörigkeit im Rat wider. Dabei sticht die SPD-Fraktion besonders hervor. Das durchschnittliche Alter der wiedergewählten Mitglieder lag 2014 bei 59 Jahren. Die vier Neuzugänge senkten mit ihren durchschnittlich 37 Jahren den Altersdurchschnitt der Fraktion auf 53 Jahre. Diese Auffrischung schien dringend nötig, um eine Überalterung zu verhindern. In der CDU-Fraktion liegen die Dinge etwas anders. Der Altersdurchschnitt der Wiedergewählten betrug 53 Jahre. Hingegen lag er bei den Neuzugängen vergleichsweise hoch, nämlich bei 49 Jahren, so dass der Altersdurchschnitt insgesamt sich nur wenig auf 52 Jahre verminderte. Er liegt damit gleichauf mit der SPD-Fraktion. Bei den anderen Ratsparteien mit ihren höchstens drei Mitgliedern ist der Altersdurchschnitt kaum mehr aussagefähig, weil ein einzelnes Mitglied mit einem hohen oder niedrigen Alter den Durchschnitt stark verzerren kann. Ein Beispiel ist die Grünen-Fraktion: dort senkt das neu gewählte Ratsmitglied mit 40 Jahren den Altersdurchschnitt der beiden wiedergewählten Mitglieder von 60 auf 53 Jahre. Aber ist das eine Verjüngung? Die FDP stellt mit ihren beiden Ratsmitgliedern und einem Altersdurchschnitt von 34 Jahren die mit Abstand jüngste Fraktion.

Frauenquote von 30 Prozent deutlich verfehlt

Ein weiterer Aspekt betrifft den Frauenanteil. Sieben der 44 Ratsmitglieder sind Frauen (16 Prozent), zwei davon bei der CDU, drei bei der SPD und zwei bei Die Grünen. Mit Ausnahme von Die Grünen besteht demnach beträchtlicher Nachholbedarf. Daran wird sich vorläufig nichts ändern, es sei denn durch Nachrücker, wenn ein Ratsmitglied vor dem Ende der Amtszeit ausscheidet.

Durchgreifende Verjüngung des Rates verpasst

Die hier vorgestellten Zahlen belegen: nicht nur die Bevölkerung von Dorsten altert, auch der Rat der Stadt. Besonders betroffen ist die SPD-Fraktion. Schon zum Zeitpunkt der Ratswahl waren sieben von elf wiedergewählten Ratsmitgliedern älter als 60 Jahre, das älteste unter ihnen 67 Jahre alt. Bei der CDU sieht es so aus: Fünf der 17 Wiedergewählten waren älter als 60 Jahre, der älteste 75 Jahre. Am Ende der Amtszeit des jetzigen Rates wird das Durchschnittsalter aller Ratsmitglieder nicht weit von 60 Jahren entfernt sein. Die Fraktionsvorsitzenden der beiden großen Ratsparteien Bernd Schwane und Friedhelm Fragemann werden beide in diesem Jahr 64 Jahre alt. Am Ende der Amtszeit dieses Rates werden sie bald 70 sein.

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Kommentar: Langjährige Ratsmitglieder mitverantwortlich für Entwicklung

Hat die Alterung der Ratsmitglieder eine Bedeutung für die Kommunalpolitik dieser Stadt? Diese Frage wird man wohl bejahen müssen. Wenn Ratsmitglieder so viele Jahre dem Gremium angehören, dann darf man Abnutzungserscheinungen vermuten, vor allem dann, wenn parallel dazu ein Lebensalter erreicht ist, in dem der gewöhnliche Bürger in den Ruhestand geht. Der Anspruch, Dinge im Sinne der Bürger zu verändern, schwindet, das Interesse an den regelmäßig wiederkehrenden Berichtsvorlagen zu den immer gleichen Themen nimmt ab und die Routine nimmt zu. Neue Ideen und Vorstöße, etwas zu ändern, werden als störend empfunden und auch eine zunehmende Bequemlichkeit bei der Befassung mit den für die Zukunft Dorstens wichtigen Themen wäre nicht ungewöhnlich.

In Dorsten kommt ein besonderer Umstand hinzu. Die langjährigen Ratsmitglieder sind für den miserablen Zustand der Dorstener Finanzen und den Niedergang der Stadt mitverantwortlich. Das gilt gleichermaßen für Entscheidungen, deren Auswirkungen auf längere Sicht fraglich sind. Dazu gehören zum Beispiel die unglaublich hohen Kassenkredite in Schweizer Franken, dazu gehört aber auch die Ansiedlung eines eindeutig überdimensioniertes Einkaufscenters und es gibt andere, weniger spektakuläre Beispiele. Alles geschah mit der Zustimmung der Ratsmitglieder oder jedenfalls mit ihrem Wissen. Für diejenigen, die dabei mitgemacht haben, geht es jetzt vor allem darum, ihre früheren Entscheidungen als richtig zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass ihre Sicht der Dinge nicht angetastet wird.

Eine lange Zugehörigkeit zum Rat hat noch eine weitere Seite. Es entsteht zwischen den Führungspersonen der Ratsparteien und der Verwaltungsspitze zwangsläufig eine Nähe, die dazu führen kann, wichtige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen abzusprechen und damit den Rat als öffentliches Forum der Diskussion und Beschlussfassung abzuwerten. Gleichzeitig wird die Funktion des Rates als Organ der Kontrolle der Verwaltung geschwächt. Beispiele dafür lassen sich in der Dorstener Ratsarbeit finden.

Dorsten braucht Generationswechsel in der politischen Führung

Etablierte Denkmuster in Frage zu stellen ist ein Vorrecht der Jugend. Die wenigen Jüngeren im Rat haben jedoch kaum eine Chance, die bisherigen Denk- und Verhaltensmuster aufzubrechen und sich und ihre Partei mit neuen Ideen zu profilieren. Solange die Altgedienten die Fäden der Macht in den Händen halten, wird sich deswegen wenig ändern. Dorsten braucht dringend einen Generationswechsel im Rat und neue Köpfe an den wichtigen Schaltstellen. Da bis 2020 die vor sich hin alternde Besetzung des Rates nicht mehr zu ändern ist, kann man nur hoffen, dass die Parteien es schaffen, innerhalb des bestehenden Personaltableaus eine Verjüngung zu erreichen. Dazu ist es aber unabdingbar, dass die altgedienten Führungsspitzen loslassen und für Jüngere Platz machen.

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Quellen: die Grafik mit der Sitzverteilung im Rat ist der Internet-Seite der Stadt Dorsten entnommen; die Berechnung der Dauer der Ratszugehörigkeit der Mitglieder beruht auf Angaben der Pressestelle der Stadt
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