Von Wolf Stegemann
Kaplan in einer katholischen Kirchengemeinde zu sein, ist oft ein Sprungbrett zu höheren Weihen. Heute sind die Kapläne rar geworden, doch ganz früher – und bis in die Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges – gab es viele Kapläne, oft zur selben Zeit, vor allem in der Kirchengemeinde St. Agatha. Sie waren mit gemeindlichen Aufgaben betraut wie einen Chor zu leiten, Betreuungsorganisationen und Vereine der Kirche zu führen, die Messknaben zu unterrichten und Gutes zu tun. Nicht alle Kapläne taten Letzteres wie zwei Kapläne von St. Agatha, die ihre Messdiener missbrauchten vor Gericht zwar nicht ihr geistlicher Stand endete, sie aber vom Bischof aus Dorsten versetzt wurden. Schwarze Schafe eben. Dann gab es die Vielzahl der Kapläne, die ihren Aufgaben zum Wohle der Gemeinde und Menschen nachfolgten, mitunter wichtige Bücher schrieben, theologische vor allem. Dazu gehörte Heinrich Spaemann, über den und seinen Sohn DORSTEN-transparent vor wenigen Wochen ein Lebensporträt veröffentlichte. Ein anderer, Kaplan Michael Schönherr wurde als Pfarrer in Reken zu einem anerkannten Lyriker. Auch in ihren kirchlichen Ämtern machten etliche Karriere, die im Pfarrerstand einer Gemeinde nicht endete. Dazu gehört Werner Thissen, der als Kaplan an der St. Josef-Gemeinde in Hervest-Dorsten war und Erzbischof von Hamburg wurde. Hier seine Geschichte.
In der katholischen St. Josef-Gemeinde in Hervest-Dorsten waren viele Kapläne tätig, jeweils nur für wenige Jahre, bis sie woanders hin versetzt wurden, weiterhin Kapläne blieben oder eine Pfarrstelle erhielten. Von 1966 bis 1969 war einer Kaplan, der später als einziger den Aufstieg zum Erzbischof geschafft hat: Dr. Werner Thissen war von 2002 bis 2014 Oberhirte der Hamburger Diözese und Metropolit der Norddeutschen Kirchenprovinz. Werner Thissen verkörpert eine Bilderbuch-Karriere, die in Dorsten begann.
Werner Thissen wurde Domkapitular in Münster, dann Generalvikar
Werner Thissen, als Sohn eines katholischen Kaufmannsehepaares 1938 in Kleve geboren, studierte Betriebswirtschaft in Köln und Innsbruck. Er entschloss sich dann, Priester zu werden, und studierte daher Philosophie und Theologie in München und Münster, wo er aktives Mitglied des Katholischen Studentenvereins „Germania Münster“ war. 1966 empfing er in Münster die Priesterweihe. Danach kam er als Kaplan nach Hervest-Dorsten, war danach Spiritual am Collegium Johanneum in Ostbevern und von 1971 bis 1977 Subregens am Priesterseminar des Bistums Münster. 1974 promovierte er mit einer Arbeit über das Markus-Evangelium und war seit 1977 Leiter der Hauptabteilung Seelsorge im Bischöflichen Generalvikariat in Münster, wurde im selben Jahr zum Geistlichen Rat ernannt und 1984 zum residierenden Domkapitular an der Domkirche in Münster berufen. 1986 wurde Thissen Generalvikar in Münster.
Zu einem in Kirchenkreisen bundesweit bekannten Gesicht machten Thissen die zehn Jahre, in denen er einer von mehreren Sprechern der Samstagabend-TV-Sendung „Wort zum Sonntag“ war. Eine andere, eher reflexive Beschäftigung fand Werner Thissen früh in der Auseinandersetzung mit Lyrik und dem Schreiben eigener Gedichte, die er auch mehrfach veröffentlichte. Beim Dichten kann man Werner Thissens Urteil zufolge „nicht lange drum herum reden“, sondern müsse schnell „auf den Punkt kommen“. 1992 nahm er in Vertretung des Bischofs an der Eröffnung des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten teil und gehörte zeitweise dem Beirat des Museums an.
Regionalbischof für Borken/Steinfurt
Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1999 zum Titularbischof der erloschenen, in Albanien gelegenen Diözese von Scampa und bestellte ihn zum Weihbischof im Bistum Münster. Als Regionalbischof war er für Borken-Steinfurt zuständig. Sozialpolitisch verstand sich Werner Thissen in seinem Bezirk auch als Lobbyist der Arbeitslosen. Den Schwerpunkt seiner Arbeit in Borken/Steinfurt bildeten Gemeindebesuche sowie rund 5.000 Firmungen im Jahr. Innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz übernahm Thissen die Leitung der Unterkommission für Entwicklungsfragen in der Kommission für weltkirchliche Aufgaben. Damit wurde er auch für das Hilfswerk Misereor zuständig.
Erzbischof von Hamburg, flächenmäßig die größte Diözese
2002 wurde Werner Thissen Bischof von Hamburg und ist Vorsitzender der Unterkommission bei der Deutschen Bischofskonferenz sowie Prior der Norddeutschen Ordensprovinz des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem sowie seit seiner Amtseinführung auch Ehrenkapitular des Domkapitels zu Münster. Den Sprengel der neuen Erzdiözese Hamburg bildeten die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg ohne Vorpommern, das zur ebenfalls neuen Erzdiözese Berlin kam. Die Diözesen Osnabrück und Hildesheim wurden dem neuen Hamburger Erzbistum als Suffraganbistümer zugeordnet. Obgleich flächenmäßig mit 32.000 Quadratkilometern die größte deutsche Diözese, zählte das Erzbistum Hamburg 2002 als Teil der katholischen Diaspora lediglich 173 Kirchengemeinden mit rund 404.000 Katholiken aus über 80 Nationen. Im März 2014 trat Werner Thissen aus Altersgründen als Erzbischof von Hamburg zurück. Bis Januar 2015 war der Bischofssitz vakant. Danach wurde er mit dem 48-jährigen Generalvikar aus Köln besetzt.
Für Dorstener immer noch der „Herr Kaplan“
Werner Thissen war ein begeisterter Sportler. Lange spielte er Fußball, mittlerweile betreibt er noch Ski-, Tischtennis- und Radsport. Besonders interessiert sich Thissen auch für Kunst und Musik. Bekommt Werner Thissen Besuch aus Dorsten, und fragt der Besucher im Vorzimmer, wie er ihn anzusprechen habe, dann wird ihm geantwortet: „So, aus Dorsten sind Sie, dann dürfen Sie ,Herr Kaplan’ sagen.“ Von seiner ersten Kaplanstelle in Hervest-Dorsten spricht er von einem Glücksfall. Pfarrer Wedi hatte ihn mit allen Aufgaben betraut. So lernte Kaplan Thissen seine seelsorgerliche Arbeit und in der Gemeinde- und Jugendarbeit sein „Handwerk“ von der Pike auf.
Veröffentlichungen (Auswahl): „Du bist mein Glück. Leben aus der Kraft der Begegnung“, „Einsicht in Unsichtbares“ (über die neuen Meistermann-Fenster im Münsteraner Dom), „Mitten im Zeitenwirbel“ (Bildmeditationen), „Licht und Kraft. Auferstehungsglaube“..
Zur Sache: Der Regens (Subregens Vertreter) ist in der katholischen Kirche der Leiter eines bischöflichen Seminars, insbesondere des Priesterseminars einer Diözese. Er regelt alle äußeren Fragen des Seminarbetriebs. – Der Spiritual vermittelt in katholischen Erziehungseinrichtungen (Priesterseminaren, Kursen, Exerzitien, persönlichen Gesprächen) die Grundlagen des katholischen Gebetslebens und der Spiritualität (auch in Ordensgemeinschaften). – Der Titularbischof ist in der röm.-kath. Kirche und in der orthodoxen Kirche ein geweihter Bischof, der im Unterschied zum Diözesanbischof keine eigene Diözese leitet, aber den Titel einer untergegangenen und nicht mehr existierenden Diözese trägt.
Ja unser ehemaliger Kaplan Werner Tyssen. Ich bin jetzt 66 Jahre, war bis 1969 an der Josefschule in Dorsten. Kann mich noch allzu gut an Pfarrer Wedi u. Kaplan Tyssen erinnern. Schwelge jetzt wieder in Erinnerungen.Danke für den ausführlichen Bericht. Herzlichst Claudia Kubink. Wohne seit fast 25 Jahren wieder in meinem geliebten Dorsten. Will hier auch nicht mehr weg!
Hier findet man also die Sachen, die uns interessieren. Die Geschichte von Bischof Thissen, der ja auch zu uns gehört, schön, sie hier lesen zu können. Eine gute Idee, Herr Stegemann. Weiter so!
Ich bin begeistert von diesem Artikel; so klar, so nah so herzenswarm. Besser als hier wurde “unser” Kaplan noch nie getroffen. Besten Dank.