Bauausschuss 2. Teil: Wie der hoch rentable Bereich der Abwasserbeseitigung den Weg der Stadt in die Überschuldung befördert hat

Von Helmut Frenzel

Es klingt wie ein Widerspruch: einer der wenigen Teilergebnisbereiche der Stadt, der nicht nur seine Kosten verdient, sondern darüber hinaus satte Gewinne in die Stadtkasse spült, ist mit Darlehensschulden von 65 Millionen Euro belastet. Niemand Geringeres als der Stadtkämmerer persönlich machte in der Sitzung des Bauausschusses am 9. Dezember 2014 diese Angabe und gab so zugleich einen Einblick in die verfehlte Finanzpolitik der Stadt.

19. Dezember 2014. -In der voran gegangenen Sitzung hatte der Bauausschuss den Teilergebnishaushalt für den Bereich der Abwasserbeseitigung mit einem Gewinn von 5,4 Millionen Euro genehmigt. Jetzt, vier Wochen später, stand die Verabschiedung des Gebührenhaushalts für eben diesen Bereich auf der Tagesordnung. Dieser schließt ab mit einem Ergebnis von Null. Nachdem ich in der Novembersitzung in der „Fragestunde für Einwohner“ Fragen zum Thema gestellt hatte, die aber nach meiner Überzeugung entweder gar nicht oder unrichtig beantwortet worden waren, stellte ich meine Fragen erneut. Offensichtlich hatte der Ausschussvorsitzende mit meinem Kommen gerechnet, jedenfalls war der Stadtkämmerer Große-Ruiken anwesend, der sich meiner Fragen annahm. Ich wurde aufgefordert, meine Fragen zu stellen; der Kämmerer werde sie zusammenhängend beantworten.

Wird im gebührengebundenen Bereich ein Gewinn erwirtschaftet oder nicht?

Daraufhin stellte ich dieselben Fragen, die ich schon in der vorherigen Sitzung an den Ausschuss gerichtet hatte: Warum werden der Teilergebnishaushalt und Gebührenhaushalt für den Bereich der Abwasserbeseitigung nicht gemeinsam beraten und warum missachtet die Verwaltung das Gebot, die Gebührenerträge ausschließlich zweckgebunden zu verwenden. Und weil dieser Punkt in der vorherigen Sitzung zu einer bizarren Diskussion geführt hatte, bat ich den Kämmerer außerdem, er möge den Ausschussmitgliedern doch erklären, was das „Teilergebnis“ von  5,4 Millionen Euro, das im Haushaltsplan unter dem Strich stehe, für eine Zahl sei.

Mit meiner ersten Frage war der Kämmerer schnell fertig. Es sei so, wie schon letzthin gesagt: eine gemeinsame Beratung der beiden Haushalte sei nicht möglich: wichtige Daten hätten erst nach der Novembersitzung vorgelegen. Mit der Frage nach dem Teilergebnis tat er sich schwerer. Er wand sich wie ein Lindwurm: es sei eine Frage der Sichtweise; es gebe nicht nur eine Wahrheit; man könne das so oder so sehen; Teilergebnis nach HGB und Gebührenrechnung seien zwei vollkommen unterschiedliche Betrachtungsweisen. Er sprach viel, doch das eine Wort, um das es ging – es fiel nicht. Ob die Ausschussmitglieder nach seinen Ausführungen nun verstanden haben, ob das „Teilergebnis“ ein Gewinn ist oder aber nicht, darf bezweifelt werden.

Zur Kasse gebeten und Gewinn gemacht; Foto: WN, Grochowski

Darlehensschulden von 65 Millionen Euro im Bereich Abwasserbeseitigung

Die dritte Frage, wie die Gebührenerträge verwendet  werden, die in den allgemeinen Haushalt fließen, führte dann zur Nachricht des Tages. Der Kämmerer sagte, von diesen Beträgen müssten die Zinsen für die Darlehen bezahlt werden, die die Stadt zu Lasten des Bereichs Abwasserbeseitigung aufgenommen habe. Hier sei ein sehr hohes Anlagevermögen von 150 Millionen Euro gebunden. Die Hälfte der langfristigen Darlehen, aktuell etwa 130 Millionen Euro, gehe auf das Konto des Bereichs Abwasserbeseitigung (65 Millionen Euro).

Daraufhin warf ich ein: in den Haushalt flössen doch zusätzlich zu dem „Teilergebnis“ auch die Abschreibungen. Seit 2009 bis einschließlich 2015 seien 23,4 Millionen Euro als Mittelzufluss aus den Abwassergebühren vereinnahmt worden oder noch zu erwarten. Die Investitionen würden im selben Zeitraum nach Abzug von Zuwendungen 19,4 Millionen Euro betragen. Das bedeute, dass zu keinem Zeitpunkt die Notwendigkeit bestanden habe oder in absehbarer Zeit bestehe, Darlehen für Investitionen im Abwasserbereich aufzunehmen. Die Investitionen könnten aus dem Mittelzufluss der  Abschreibungen problemlos bezahlt werden und es verbleibe sogar noch ein Mittelüberschuss. Ob er diese Zahlen bestätigen könne?

Warum Schulden für Investitionen, wenn die Einnahmen ausreichen?

Nein, so der Kämmerer, das könne er nicht. Ich setzte nach: die Zahlen seien den von ihm aufgestellten Jahresabschlüssen 2009, 2010 und 2011 und den Haushaltsplänen ab 2012 entnommen. Ob er seine eigenen Zahlen bestreite? Nein, wiederholte er, er könne die von mir genannten Zahlen nicht bestätigen. Daraufhin ich: Zur Finanzierung der Investitionen im Abwasserbereich seien langfristige Darlehen aufgenommen worden, obwohl das Geld dafür aus den laufenden Einnahmen mehr als ausgereicht hätte, und der Mittelzufluss aus den Abschreibungen sei zur Finanzierung des allgemeinen Haushalts zweckfremd verwendet worden. Und nun werde die Rechnung für diese zweckfremde Verwendung der Gelder präsentiert und der Gebührenzahler müsse die Zinsen zur Bedienung von langfristigen Darlehen aufbringen, die auf Grund der Ertrags- und Finanzlage des Abwasserbereichs niemals notwendig gewesen wären.

In der Folge zerfaserte die Aussprache und gipfelte am Ende in der Frage, wem man glauben solle, dem Kämmerer oder mir. Der Kämmerer warf mir tags darauf in seiner Antwort auf eine schriftlich gestellte Frage zu einem ganz anderen Thema vor, ich hätte ihn öffentlich der Lüge bezichtigt und deswegen werde er mir künftige keine Fragen zum Haushalt mehr beantworten. Der Ausschussvorsitzende brach die Aussprache ab, unter anderem mit dem – in der Tat zutreffenden –  Hinweis, dass mir kein  Rederecht zustehe und auch nicht das Recht, zu den Ausführungen des Kämmerers Stellung zu nehmen.

Im weiteren Verlauf der Sitzung genehmigte der Ausschuss den Gebührenhaushalt 2015 und die damit einher gehenden Gebührenerhöhungen bei einer Gegenstimme.

Der Gewinn sickert woanders hin - in den Haushalt

Wo ist das Problem, dem Bürger die Wahrheit über die Gewinne zu sagen?

So blieb die Aufklärung darüber unvollendet, wohin die Gelder aus den Abwassergebühren fließen, wofür sie verwendet werden, welchen Anteil dieser kerngesunde Bereich an der Schuldenmisere der Stadt hat und ob alles das im Einklang mit den Vorgaben der Bewirtschaftungsregeln steht. Es ist auch klar geworden, dass die Verwaltung nicht daran interessiert ist, das Wissen der Ausschussmitglieder zu diesem sensiblen Thema zu vertiefen. Auf der Strecke bleibt auch weiterhin die Transparenz gegenüber dem Bürger, der zugleich Gebührenzahler ist.

Warum stellt sich der Kämmerer nicht hin und sagt offen: Ja, die Stadt erwirtschaftet im Gebührenbereich Abwasserbeseitigung einen hohen Gewinn, den sie zur Stabilisierung des allgemeinen Haushalts einsetzt. Das würde anfangs vielleicht zu einer Entrüstung der Bürger führen, die erfahrungsgemäß schnell abebbt. Für den Bauausschuss aber würde es bedeuten, dass er künftig bei der Verabschiedung der beiden Haushalte nicht nur über die Höhe der Abwassergebühren entscheiden würde, sondern zugleich offen und transparent über die Höhe des Gewinns für die Stadt. Das wäre ein Anfang auf dem Weg zu mehr Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern.

º º º

Nachtrag

Der Kämmerer begründete die getrennte Beratung von Teilergebnishaushalt und Gebührenhaushalt damit, dass bestimmte Daten von Dritten (im aktuellen Falle die Beiträge des Lippeverbandes), die für die Gebührenberechnung benötigt würden, nicht rechtzeitig bekannt seien. Gegenüber dem ersten Planansatz lägen die Beiträge jetzt beispielsweise einhunderttausend Euro niedriger und führten zu einer geringeren Erhöhung der Gebühren. Das ist allerdings ein schwaches Argument. Erstens handelt es sich um lediglich 0,6 Prozent der Kosten des Abwasserbereichs insgesamt. Zweitens zeigen die Jahresabschlüsse 2009 bis 2011 große Abweichungen von Plan- und Ist-Werten, die in einzelnen Kostenpositionen mehrere hunderttausend Euro ausmachen. Das relativiert die Bedeutung des Planansatzes für einzelne Kostenpositionen. Und drittens, last but not least, hat die Verwaltung in den vergangenen drei Jahren regelmäßig die Gebühreneinnahmen zu niedrig und/oder die Kosten zu hoch geplant, so dass beträchtliche Überschüsse im Gebührenhaushalt entstanden, die dem Bürger zurückgegeben werden müssen. Diese Ausgleichsbeträge lagen zwischen 400.000 und 560.000 Euro jährlich. Ob im Gebührenhaushalt hunderttausend Euro zu viel oder zu wenig geplant werden, bedeutet deswegen nicht, dass der Gebührenzahler zu hoch oder zu niedrig belastet wird. Über den Ausgleichsposten werden Planungsfehler nachträglich neutralisiert.

Fazit: Teilergebnishaushalt und Gebührenhaushalt für den Abwasserbereich können selbstverständlich gemeinsam behandelt werden – wenn die Verwaltung es denn will. Der Stadtkämmerer weiß das. Deshalb sollte er ehrlich sagen: es ist nicht gewollt.

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Hinweis: der Artikel über den vorangegangenen Besuch im Bauauschuss kann aufgerufen werden unter
http://www.dorsten-transparent.de/2014/11/lehrstunde-uber-ausschussarbeit-wie-der-bauausschuss-mit-dem-budget-2015-fur-den-bereich-abwasserbeseitigung-und-den-fragen-eines-burgers-dazu-umgeht/

 

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