Von Helmut Frenzel
14. November 2014. – Die Bürger haben die Möglichkeit, im Rat der Stadt und in den Fachausschüssen Fragen zu stellen. Wer das tut, muss auf Überraschungen gefasst sein. So erfährt er, dass die Rats- beziehungsweise Ausschussmitglieder Fragen nicht beantworten dürfen, sondern dazu alleine die Verwaltung befugt ist. Und er lernt, dass die Mehrbelastung der Bürger mit steigenden Abgaben den gewählten Vertretern der Bürgerschaft nicht der Erwähnung wert ist, schon gar nicht eine Diskussion darüber – jedenfalls im Bauausschuss. Die Geschichte dazu ist hier zu lesen.
Kürzlich sah ich auf der Internetseite der Stadt die bevorstehenden Sitzungstermine der Fachausschüsse des Rates durch und wurde dabei auf die Sitzung des Bauausschusses am Dienstag dieser Woche aufmerksam. Auf der Tagesordnung stand unter anderem die Beratung des Budgets 2015 für den Bereich der Abwasserbeseitigung. Ein Blick auf die beigefügten Unterlagen ergab, dass die Gebühreneinnahmen im nächsten Jahr um 430.000 Euro auf 15,3 Millionen Euro (+ 2,9 Prozent) und der Gewinn um 200.000 Euro auf 5,3 Millionen Euro (+ 3,6 Prozent) steigen sollen. Die Verwaltungsvorlage zu diesem Punkt gab keinerlei Erläuterungen. Da ich mich schon seit längerem mit dem Thema Abwassergebühren beschäftige, beschloss ich, zur Sitzung des Bauausschusses zu gehen und einige Fragen zu stellen.
In der „Fragestunde für Einwohner“ zu Beginn der Sitzung wies ich zunächst auf die geplanten Steigerungen hin und darauf, dass diese nur möglich seien, wenn die Abwassergebühren erneut angehoben werden. Mit der Zustimmung zu dem Budget stimme der Ausschuss der Erhöhung der Abwassergebühren und einer weiteren Mehrbelastung der Bürger zu, ohne zuvor Kenntnis der neuen Gebührensätze erlangt zu haben, denn diese werden in einem Sonderhaushalt, der sogenannten Gebührenbedarfsrechnung, ermittelt und gesondert beraten. Der dem Ausschuss vorliegende „Teilergebnisplan“ (Budget) und die „Gebührenbedarfsberechnung“ seien zwei Seiten ein und derselben Medaille und eng miteinander verknüpft. Es sei ein Gebot der Transparenz gegenüber der Bürgerschaft, die beiden Haushalte zusammen zu beraten. Daran knüpfte ich die Frage: „Wieso geschieht das nicht?“
Nur die Verwaltung darf Fragen der Bürger beantworten?
Von da an nahm die Sitzung einen Verlauf, den man nur als abstrus bezeichnen kann. Der Ausschussvorsitzende gab die Frage weiter an den Technischen Beigeordneten Lohse, der als Vertreter der Verwaltung an der Sitzung teilnahm. Ich protestierte und wandte ein, meine Frage richte sich an die Ausschussmitglieder als den Vertretern der Bürgerschaft. Sie sei für jedermann verständlich und könne von diesen selbst beantwortet werden. Daraufhin wurde ich belehrt, dass Fragen von Bürgern an den Ausschuss von der Verwaltung beantwortet werden. Der Ausschuss dürfe gar nicht antworten, das sei in der Geschäftsordnung für die Ausschüsse so geregelt. Ich hielt dem entgegen, es sei doch geradezu absurd, dass die von den Bürgern gewählten Vertreter auf Fragen der Bürger nicht antworten dürften; hier werde das Fragerecht der Bürger in einem nicht hinnehmbaren Umfang eingeschränkt. Das sei eben so.
Gemeinsame Beratung der Teilhaushalte angeblich nicht möglich
Also nahm sich der Technische Beigeordnete meiner Frage an. Die zeitgleiche Beratung der beiden Haushalte sei nicht möglich, sagte er. Für die Aufstellung der Gebührenbedarfsrechnung fehlten noch Kostenangaben, die von anderer Seite zugeliefert werden müssten. Darauf ich: das sei wenig glaubwürdig. Ein Plan sei ein Plan, Ungenauigkeiten gebe es immer; wenn wichtige Daten fehlten, könnte auch der Teilergebnishaushalt nicht aufgestellt werden, der in wesentlichen Teilen identisch mit dem Gebührenhaushalt ist. Nein, es gehe einfach nicht. Punkt. Genaueres könne er nicht sagen, ich solle mich an den Kämmerer wenden. Darauf ich: zu dem Kämmerer habe ich kein Vertrauen, er hat schon in anderen Fragen bewiesen, dass er es bei der Beantwortung von Bürgerfragen nicht so genau nimmt. Aber das änderte nichts, ich wurde an den Kämmerer verwiesen.
Bei meiner zweiten Frage ging es um die Einhaltung der Bewirtschaftungsregeln, die die Verwaltung jedes Jahr ihrem Haushaltsplan voranstellt. Ich trug vor, dass zweckgebundene Erträge, dazu zählen die Abwassergebühren, nicht für betriebsfremde Zwecke eingesetzt werden dürfen, und las die einschlägigen Textpassagen aus dem Haushaltsentwurf 2015 vor. Die Stadt plane im Bereich der Abwasserbeseitigung für 2015 einen Gewinn von 5,3 Millionen Euro, der zu wenigstens 90 Prozent aus dem gebührengebundenen Bereich stamme. Indem dieser Gewinn dem allgemeinen Haushalt zugeführt und mutmaßlich überwiegend nicht für Zwecke der Abwasserbeseitigung verwendet werde, verstoße die Verwaltung gegen die Bewirtschaftsregeln.
Gewinne von über 30 Millionen Euro in den allgemeinen Haushalt überführt
Dabei geht es nicht um peanuts. Seit 2009 hat die Stadt gemäß ihren Haushaltsplänen, – andere Zahlen liegen nicht vor, – Gewinne aus dem Bereich Abwasserbeseitigung in Höhe von 30,4 Millionen Euro vereinnahmt; zusammen mit dem Plangewinn 2015 werden es 35,7 Millionen Euro sein. Unterstellt man die zuvor genannte Relation, so stammen über 30 Millionen aus dem gebührengebundenen Bereich. Wozu wurden diese 30 Millionen eingesetzt? Dass Anteile der Gewinne aus dem gebührengebundenen Bereich zweckfremd verwendet werden, kann niemand mehr bestreiten, seit die Abwassergebühren erhöht wurden in der alleinigen Absicht, die damit verbundene Erhöhung der Gebühreneinnahmen von 1,5 Millionen Euro (jährlich!) dem städtischen Haushalt als Sanierungsbeitrag zuzuführen, – nachzulesen im Haushaltssicherungskonzept 2010, Seite 65 und 66. Es handelt sich dabei allerdings eindeutig um eine zweckfremde Verwendung.
Meine Frage an den Ausschuss lautete daher: „Wieso greift der Rat nicht ein und stellt sicher, dass die Verwaltung sich an die Bewirtschaftungsregeln hält?“
Bauausschuss ohne Sachkompetenz für die Beratung des Ergebnisplans
Die nun folgende Diskussion nahm eine unerwartete Wendung und ließ eine heillose Verwirrung über die Besonderheiten des Abwasserhaushalts erkennen. Jetzt ging es um die Frage, ob im Bereich Abwasserbeseitigung überhaupt Gewinne entstehen. Das wurde von einzelnen Ausschussmitgliedern vehement bestritten. Nein, das kann nicht sein, im Gebührenbereich dürfen keine Gewinne gemacht werden, riefen einige. Ich hielt dem entgegen, dass hier über den Teilergebnisplan beraten wird, der nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufzustellen ist, und der weist nun mal einen Gewinn aus. Ein Ausschussmitglied versuchte sich daraufhin an einer Erklärung des so schwer Erklärbaren: in der Gebührenbedarfsberechnung würden für das rechnerische Eigenkapital kalkulatorische Zinsen als Kosten angesetzt, die in der Teilergebnisrechnung nicht erscheinen.
Das sah er allerdings nicht ganz richtig: die kalkulatorischen Zinsen erscheinen sehr wohl in der Teilergebnisrechnung, – nicht als Aufwand, weil es keinen gibt, sondern als Gewinn. Damit ist auch das Rätsel aufgelöst: die kalkulatorischen Zinsen in der Gebührenrechnung sind nichts anderes als ein kalkulatorischer Gewinnzuschlag, dessen Höhe sich an einem fiktiven Eigenkapital orientiert. Als ein Mitarbeiter des Tiefbauamtes in seiner Verzweiflung noch einmal bekräftigte, dass es keine Gewinne gebe, weil das nicht sein dürfe, – dies obwohl vor ihm auf dem Tisch das Budget lag, das das blanke Gegenteil belegt, – beendete der Vorsitzende die Aussprache. Der Technische Beigeordnete versprach, die Frage dem Kämmerer vorzulegen. Der Ausschussvorsitzende sagte, es sei schwierig, die mündlich vorgetragenen Fragen zu verstehen. Ich solle sie schriftlich einreichen, am Besten gleich beim Kämmerer.
Handelt die Verwaltung mit der Zweckentfremdung von Gebühren rechtswidrig?
Das aber ist nicht nötig, denn die Antwort hat dieser mir schon vor längerem schriftlich gegeben. Demnach ist alles in Ordnung. Aber wie war das bei der viele Jahre lang praktizierten verspäteten Verabschiedung der städtischen Haushalte und der Weigerung des Kämmerers, die Jahresabschlüsse zeitnah aufzustellen? Beides war rechtswidrig, das musste der Kämmerer inzwischen einsehen. Die Bedenken, die wir in DORSTEN-transparent schon früh artikuliert haben und die der Kämmerer zurückwies, haben sich dagegen als richtig erwiesen. Auch in Bezug auf den Umgang mit den Gewinnen aus dem gebührengebundenen Bereich Abwasserbeseitigung gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die Verwaltung rechtswidrig handelt. Die Frage an den Ausschuss war dazu gedacht, ihn zu einer seriösen, d.h. unabhängigen, Prüfung der Sachlage unter eigener Federführung zu veranlassen. Der Ausschuss hat diesen Auftrag nicht angenommen. Es wäre seine Pflicht, das zu tun, die Gemeindeordnung verpflichtet ihn zur Kontrolle der Verwaltung. Aber was soll man von einem Ausschuss erwarten, der mit dem Sachverhalt, über den er zu entscheiden hat, sichtlich überfordert ist. Er zwingt so die Bürger, ihr Recht vor Gericht zu erstreiten.
Ergebnishaushalt ohne Aussprache verabschiedet
Als im weiteren Verlauf der Sitzung die Beratung des Teilergebnisplans für den Bereich Abwasserbeseitigung aufgerufen wurde, gab es den Vorschlag eines Ausschussmitglieds, mit der Verabschiedung zu warten, bis die aufgeworfenen Fragen geklärt sind. Der Technische Beigeordnete hielt dem entgegen, es gebe keinen Grund für eine Verschiebung. Wenn die Verwaltung dem Ausschuss etwas zur Abstimmung vorlege, sei das in jeder Hinsicht geprüft, darauf könnten sich die Ausschussmitglieder verlassen. Fragen aus dem Plenum zu den Zahlen selbst gab es nicht. Daraufhin wurde der Teilergebnisplan Abwasserbeseitigung einstimmig angenommen.
Als alles vorbei war, meldete sich ein Ausschussmitglied der SPD zu Wort und gab zu Protokoll: wenn sich die Zweifel an der rechtmäßigen Verwendung des Gewinns im Bereich Abwasserbeseitigung bestätigen sollten, behalte sich seine Fraktion vor, in der noch bevorstehenden Abstimmung über den Haushalt im Rat anders abzustimmen. Immerhin.
Als ich danach die Sitzung verließ, raunte mir der einzige weitere Besucher der Ausschusssitzung zu: „ Das ist ja alles einfach unglaublich.“
Ich würde es begrüßen, wenn die Bürger der Stadt Dorsten unseren Stadtvertretern genauer auf die Finger schauen würden. Leider ist der Bürger ziemlich machtlos. Dieses hat man auch schon bei der unverschämten Erhöhung der Grundsteuern gesehen.
Ich bin frustiert über die Kaltschnäuzigkeit mit der man berechtigte Fragen einfach unbeantwortet läßt.
Es ist wirklich ekelhaft so etwas lesen zu dürfen. Filz an allen Ecken und Enden in Dorsten. Aber bitte trotzdem mehr davon! Die schriftlichen Fragen an den Kämmerer (und vor allem die Antworten darauf) dürfen Sie hier einstellen? Wenn dies rechtlich unbedenklich ist, würde ich mich auch darüber freuen.
Tolle Seite!
…weil das jede Menge Arbeit macht, Sachverstand erfordert und Recherchearbeit bedeutet.
Warum liest man so etwas nicht in der Zeitung?