5. September 2014. – Kürzlich hat das Statistische Landesamt die Einwohnerzahl von Dorsten zum 31. Dezember 2013 bekannt gegeben. Sie ist erneut um fast 500, um genau zu sein um 483 Personen, auf 75.547 gefallen. Die Nachricht ist nicht überraschend: 2013 ist das zwölfte Jahr, in dem die Bevölkerung schrumpft. Seit dem Höchststand 2001 hat die Stadt rund 5.750 Einwohner verloren, das sind im Jahresdurchschnitt nahezu 500 Personen. Der Rückgang in 2013 liegt auf dieser Linie. Die folgende Tabelle zeigt eindrucksvoll, welche Kräfte hier am Werk sind.
Zwar ist das Jahr 2013 noch nicht erfasst und die Bevölkerungsstände zum Jahresende weichen von den aktuell gemeldeten geringfügig ab, jedoch ändert das nichts an der Aussagekraft der Zahlen. Es sind zwei Einflussfaktoren, die die Entwicklung bestimmen: das Geburtendefizit und der negative Wanderungssaldo. Eine Besonderheit muss man wohl darin sehen, dass beide Einflussgrößen sich just zum gleichen Zeitpunkt von einer positiven zu einer negativen Entwicklung wandelten, nämlich in 2002, dem Jahr nach der Schließung der Zeche Fürst Leopold.
Anfang der 1990er Jahre betrug die Zahl der Lebendgeborenen annähernd 1.000 pro Jahr. Seither verminderte sich die Zahl mal in größeren, mal in kleineren Sprüngen, unterbrochen auch von Jahren mit kleinen Zunahmen, am Ende aber kontinuierlich auf derzeit etwa 550 Lebendgeborene. Auf diesem Niveau verharrt die Geburtenzahl seit einigen Jahren. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Sterbefälle von 700 auf etwa 800 pro Jahr gestiegen. Das blieb nicht ohne Folgen: Gab es Anfang der 1990er Jahre noch einen Geburtenüberschuss von etwa 300, so änderten sich mit dem Jahr 2002 die Vorzeichen und es entstand ein Geburtendefizit, das heute in etwa gleicher Höhe liegt.
Mit der Zechenschließung beginnt die Abwanderung
Das Jahr 2002 markiert den Wendepunkt. Es ist das Jahr, in dem auch die Serie der negativen Wanderungssalden beginnt. Die Differenz zwischen zuziehenden und fortziehenden Personen betrug -263 und stieg danach rasant an, bis auf -450 in 2009. Seither scheint der Wanderungssaldo sich zwischen -250 und -300 zu stabilisieren. Ob es einen Zusammenhang zwischen der Abwanderung und der sinkenden Zahl von Geburten gibt, müsste näher untersucht werden. Dies könnte dann der Fall sein, wenn es vorwiegend junge Leute waren, die Dorsten den Rücken kehrten.
Der kombinierte Effekt von Geburtendefizit und Abwanderung spiegelt sich in der Entwicklung des Bevölkerungsstandes insgesamt wieder. Während Dorsten 1990 noch einen Zuwachs von 1.106 Einwohnern verzeichnete, sank diese Zahl bis 2000 auf Null und nahm danach relativ schnell weiter ab auf die jahresdurchschnittliche Zahl von etwa -500. Damit ist Dorsten im Kreis Recklinghausen die Stadt mit den höchsten Bevölkerungsverlusten.
Die Bevölkerungsrückgänge als Folge des Geburtendefizits sind kaum noch aufzuhalten
Die Frage stellt sich, wie diese Entwicklung zu bewerten ist. Über die demographische Entwicklung ist inzwischen viel publiziert. Die Geburtenrate zu erhöhen erweist sich als sehr schwierig. Aber selbst wenn das gelänge, bliebe es auf Jahrzehnte hinaus bei einer Schrumpfung der Bevölkerung. Der Grund: Jeder Altersjahrgang ist zahlenmäßig kleiner als sein Vorgängerjahrgang. Dieser Effekt ist nachhaltig. Die Ergebnisse des Zensus 2011 für Dorsten zeigen, dass die Altersjahrgänge der unter 6-Jährigen zahlenmäßig nur noch halb so groß sind wie die Altersjahrgänge der über 40-Jährigen. Die damit vorgezeichnete Schrumpfung der Bevölkerung lässt sich auch durch eine steigende Geburtenrate kaum noch kompensieren. Darin manifestiert sich die Zwangsläufigkeit des demographischen Wandels, der kaum noch aufzuhalten ist. Das bedeutet auch, dass die Einflussmöglichkeiten der Stadt in diesem Bereich gering sind.
Anders liegen die Dinge bei der Wanderung. Wenn Städte heute eine stabile oder wachsende Einwohnerzahl aufweisen, dann ist das überwiegend auf Zuwanderung zurückzuführen. Ein Beispiel dafür ist Münster. In solchen Fällen gelingt es, den Bevölkerungsrückgang infolge der niedrigen Geburtenrate durch zuziehende Menschen aufzufangen oder sogar überzukompensieren. In diesem Bereich liegt ein Handlungsfeld für die Kommunen. Ein Ziel für Dorsten könnte lauten, den negativen Wanderungssaldo zunächst zu vermindern und ihn mittelfristig zu stoppen. Deswegen lohnt sich ein Blick auf die Wanderungsbewegungen.
Der Gestaltungsspielraum ist auf die Beeinflussung der Zu- und Abwanderung begrenzt
Die Zahl der Fortgezogenen liegt seit 1990 konstant zwischen 3.000 und 3.300 jährlich, in den 1990er Jahren eher an der oberen Grenze, seit 2002 eher an der unteren Grenze. Die Zahl der Fortgezogenen ist damit jahresdurchschnittlich lediglich um etwa 300 zurückgegangen. Der negative Wanderungssaldo ist im Wesentlichen eine Folge der stark gesunkenen Zahl der Zugezogenen. Das belegt das folgende Beispiel: 1990 verzeichnete die Stadt 4.099 Zugezogene, 2012 dagegen nur noch 2.698 – ein Rückgang von 1.401. Die Zahl der Fortgezogenen sank im gleichen Zeitraum um 334 und milderte so den Absturz des Wanderungssaldos. Während er 1990 noch mit 821 positiv war, fiel er 2012 auf -246.
Die Zahlen zeigen, dass hier Handlungsspielraum besteht. Jeweils etwa 4,5 % der Dorstener Bevölkerung wandern jährlich zu oder ab, zwischen 2.500 und 3.000 Einwohner. Das ist viel. Wer hier ansetzen will, muss die Gründe für die Wanderungsbewegungen untersuchen. Warum ziehen die Menschen nach Dorsten und warum ziehen sie von hier fort? Hier stellen sich Fragen nach dem Alter, der beruflichen Qualifikation, dem Familienstand, dem Arbeitsplatz und anderem mehr. Möglicherweise lassen sich Ansatzpunkte finden, die Wanderung zugunsten von Dorsten zu beeinflussen. Wenn nichts geschieht, wird die Auszehrung der Stadt weiter voranschreiten. Das Statistische Landesamt geht in seiner Gemeindemodellrechnung davon aus, dass Dorsten bis 2030 auf unter 68.000 Einwohner schrumpft.
Die Stadt muss Antworten auf die Herausforderungen finden
Die Uhr läuft. Das Jahr 2014 ist zu zwei Dritteln vorbei. Bisher liegen keine aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes für das laufende Jahr vor. Wenn die Entwicklung so weiter geht wie bisher, ist Dorsten auf dem besten Weg, die Marke von 75.000 Einwohnern am Ende dieses Jahres zu knacken. Der dauerhafte Bevölkerungsrückgang ist mit Abstand das härteste Problem, das sich für die Stadt stellt. Manche Bürger finden nichts Aufregendes daran, dass die Stadt schrumpft. Das kann man so sehen. Aber dann müssen Antworten her auf die Frage, wie Dorsten sich aufstellen will, um die damit zusammen hängenden Herausforderungen zu bewältigen. Davon ist bisher wenig zu hören.
Hand aufs Herz: Welche Illusionen soll Otto Normalbürger denn pflegen? Dorsten ist ein reizendes kleines Hansestädtchen, es bietet in gediegener Atmosphäre für jeden etwas? Das war einmal und es waren ja auch die Dorstener, die sehenden Auges miterleben durften, wie es die Bürgermeister nacheinander schafften, eine Kleinstadt mit Niveau in ein Kaff ohne Freude zu verwandeln. Immer den neuesten Statistiken nachhecheln, alles, was gut und schön ist, zerstören, um sich wie eine Ruhrpottstadt zu geben. Nun wird geheult und neidisch auf die Nachbarstädte Borken, Bocholt, Coesfeld geschielt. So hätte es auch für Dorsten laufen können, wenn nicht die Profilierung sondern die Stadt für den Bürger gepflegt worden wäre. Ist nun wohl zu spät …
Mir kam es auch schon irgendwie “spanisch” (oder bulgarisch) vor, dass die Anzahl der angebotenen Mietwohnungen bei immoscout gesunken ist.
Dorsten wächst! Laut wikipedia (2014):
“Dorsten hatte am 30. Juni 2014 eine Einwohnerzahl von 76.021” – das sind 474 mehr als am 31. Dezember 2013, die Trendwende ist geschafft, es geht aufwärts!
Anmerk. der Redaktion: Dies kann teilweise oder überwiegend an der steigenden Zuweisung von Ausländern liegen. Zahlen des Statistischen Landesamtes für 2014 liegen noch nicht vor!
Ich habe zu den Mercaden mit einigen Leuten gesprochen und es ist immer wieder das gleiche Schema, Thomas D. Es geht ihnen nach kurzer Zeit die Luft an sachlichen Argumenten aus, also kommen dann immer die gleichen, beschwichtigenden Sätze: ” Jetzt warte doch ab, das wird bestimmt gut, man muss nicht immer alles schlecht reden.” “Herr Krämer weiß schon was er da tut, das sieht man doch in Bergisch Gladbach.” “Es ist doch alles geprüft worden und Herr Krämer hat uns ein wertiges Einkaufszentrum versprochen.”
Erst wird man als zu negativ dargestellt, dann geht man über auf die Gefühlsebene oder in den Vergleich. Keiner kann mit sachlichen Argumenten dagegen halten.
Ich sehe mich dann immer wieder in meiner Sorge bestätigt. Wir werden ein billiges Einkaufsgebäude bekommen mit einem billigen Besatz und alles auch noch rund 4.500qm zu groß. Die Folgen – gravierender Leerstand in der Innenstadt, besonders am Recklinghäuser Tor. Das ist dann Dorstener Nachhaltigkeit, in dem nachhaltig die Altstadt geschädigt wird.
Also, wenn ich das richtig sehe, ist das der niedrigste Rückgang seit 7-8 Jahren. Die Welt wird sich auch nach dem Niedergang des aktuellen Geldsystems weiter drehen und Dorstens Schulden sind dann weg. Wenn Dorsten jetzt nur 5000 Einwohner hätte, wär auch nicht schlecht, denn dann gäb es mehr Raum für jeden einzelnen und die Häuser wären auch günstiger, könnt man vielleicht ein paar Hühner halten…, die Bunker am Ellerbruch und in Barkenberg… könnte man abreissen und gut ist, dass sich alles von alleine regelt. Hinter jeder Angst steckt ursprünglich die Todesangst und hier auf der Seite ist sie sehr ausgepägt. Warum nicht ein Einkaufszenter bauen, sterben tut man eh irgendwann, kann man doch vorher mal so ein Center neu bauen, abgerissen wird es natürlich auch irgendwann, so ist das Leben, aufbauen, abreißen, von vorn beginnen … und nicht immer so einen Kopf machen, es ist, wie es ist – und es ist gut so, take it easy.
Der demographische Wandel wurde bei der Überlegung, die Mercaden in Dorsten anzusiedeln, geflissentlich ausgeklammert. Ein Kaufkraftzufluss aus den Nachbarstädten ist unplausibel, die vorhandene Kaufkraft wird, wie in dem obigen Artikel gut beschrieben, durch den demographischen Wandel sinken. Am 12. September öffnet in Recklinghausen das Palais Vest mit 120 (!) Geschäften. Direkte Konkurrenz, die ebenfalls die nah angesiedelte Innenstadt ausbluten wird, mit Folgen des Leerstands und Verödung. Der geschiedene Bürgermeister Lütkenhorst lachte bei Bürgerfragestunden Bürger/innen aus, als sie ihre Bedenken äußerte, bezeichnet wurden sie auch von der zweiten Pressestelle der Verwaltung: der “Dorstener Zeitung”, als Schwarzmaler und Pessimisten.
Das diese ein feines Gespür für Fehlentwicklung haben, bestätigt ihnen das Einzelhandelsfortschreibungskonzepts der CIMA für Dorsten vom Frühjahr. Dort heisst es wörtlich: “Der Standort Recklinghäuser Tor wird nur mittelfristig zu halten sein.” – Nachhaltigkeit ist etwas anderes.
Hauptsache wir kriegen ein neues Einkaufscenter für die übrigens noch auf eine große Fläche verteilte “Schrumpfbevölkerung” mit Nebenzentren, die jeden Bedarf abdecken. Wann gibt es denn jetzt die Grundsteinlegung am “Mercaden Center”, die im Juni stattfinden sollte? Mittlerweile wird im ersten Bereich schon die erste Geschossdecke eingezogen und man hört nichts mehr! Ist die Wahrheit, dass wir hier ein Center bekommen, das andere nur in ländlichen Regionen auf der grünen Wiese ansiedeln würden? Und das mit nicht gerade Top-Mietern ausgestattet nur noch peinlich sein wirrd?
Da hat Dorsten transparent die Courage, die Dinge beim Namen zu nennen und den Finger in die Wunde zu legen. Vom Totschweigen hat die Dorstener Bevölkerung nichts. Ihr Internetjournal gefällt mir immer besser – aktueller als die Tagespresse sind Sie allemal. Weiter so!