Das Porträt: Agnes Hürland-Büning. Die politische Karriere der Staatssekretärin begann in Dorsten – hier starb sie am 9. März vor fünf Jahren

Agnes Hürland-Büning

Von Wolf Stegemann

Im Umfeld des Parteispenden-Skandals der CDU machte die Dorstenerin Agnes Hürland-Büning geborene Oleynik 1999 und 2000 Schlagzeilen, weil die frühere Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verteidigung nach ihrem Ausscheiden als Bundestagsabgeordnete an der CDU-Spendenaffäre mit mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen (Thyssen-Krupp-Konzern, Elf-Aquitaine) beteiligt gewesen sein sollte. In diesen Tagen jährt sich ihr Todestag. – Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, das zwar zu einer Anklage führte; das Verfahren wurde aber aus gesundheitlichen Gründen 2008, im Jahr vor ihrem Tod, auf Dauer eingestellt. Nach ihrer Vernehmung vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Jahre 2000, der klären sollte, ob Regierungsarbeit käuflich war, musste die Lobbyistin falsche Aussagen zurücknehmen und zugeben, dass sie zwei Jahre lang Honorare von Thyssen-Rheinstahltechnik erhielt. Bis dahin war sie noch als Mitglied in der Bundeswehr-Zukunftskommission (so genannte Weizsäcker-Kommission) tätig. Sie überführte das polnische Militär in die Nato. Ihre letzte Tätigkeit, die Überführung von Angehörigen der Nationalen Volksarmee der DDR in die Bundeswehr, wurde durch einen Anruf des damaligen Verteidigungsminister Scharping beendet, der Agnes Hürland-Büning aufgrund der CDU-Spendenaffäre entließ.

Helmut Kohl hatte alle im Griff. So sah es der Karikaturist der FR (Agnes Hürland-Büning 2. v. l.)

Das hier Aufgeführte stand in den letzten Jahren im Fokus der Öffentlichkeit und zudem eine Gewerbesteuerpflicht gegenüber der Stadt Dorsten, weil Ihre Tätigkeit als Beraterin von Firmen vom Finanzamt als Gewerbe angesehen wurde und nicht als selbstständige Tätigkeit, wie sie Steuerberater oder  niedergelassene Ärzte ausüben.

Agnes Hürlands letzte Jahre waren einsam

Die letzten Jahre der ehemaligen Staatssekretärin in Holsterhausen waren überschattet von einem Strafprozess und von der Einsamkeit, in die sie durch das Verhalten ihrer Dorstener Parteifreunde gedrängt wurde. Niemand wollte mehr mit der Frau zu tun haben, die als CDU-Abgeordnete in Wahlkreis Dorsten so vieles Gute für ihre Heimatstadt bewirkt und die Dorstener Wirtschaft mit Aufträgen belebt hatte. Beispielsweise wurde der Parlamentssaal im Bundestag Bonn mit Kokosware von DeKoWe ausgelegt. Die Zeitungen meldeten dies lobend. Keine Schlagzeilen machten ihre unermüdlichen Einsätze für Bürger, die sie um Hilfe baten: Alleinerziehende Mütter, Dorstener, die Probleme mit der Rente hatten oder Behinderte mit den Behörden. Agnes Hürland-Büning half, wie und wo sie konnte. Ihre Tochter erinnert sich, dass es oft spät abends noch klingelte, wenn jemand Hilfe brauchte.

An ihrem 60. Geburtstag, für den Agnes Hürland im Café Maus einen Empfang gab, standen die Dorstener Parteipolitiker in einer Schlange bis zum Marktplatz, um lobende Worte an „ihre” Staatssekretärin zu richten. Alles in Bild und Ton aufgenommen. Und fast alle, die da standen, wandten sich später von ihr ab, mieden sie und grüßten sie nicht mehr. Agnes Hürland-Büning wurde krank. Doch sie zeigte sich tapfer. Meist telefonische Kontakte hatte sie nur noch mit wenigen früheren Bundestagsabgeordneten der SPD aus dem Ruhrgebiet, die ihre alte Freundschaft aufrecht hielten, und mit einem CDU-Mitglied aus Holsterhausen. 2009 starb Agnes Hürland-Büning nach schweren Operationen an einem Tumor. Die Trauergemeinde am Grab konnte man an zwei Händen abzählen. Familie, nur wenige gebliebene Freunde waren gekommen, darunter gerade mal einer von der örtlichen FDP, der die persönliche Freundschaft über alle politischen und gerichtlichen Widrigkeiten und Gerüchte stellte, wie es die vielen anderen offensichtlich nicht taten. Ein Kranz kam vom Bundestag und bis heute kommt ein Kranz jährlich an Allerheiligen mit schwarz-rot-goldener Schleife von der Berliner CDU/CSU-Fraktion, deren Parlamentarische Geschäftsführerin sie in Bonn einst war.

Agnes mit ihrem Bruder Hubert in Holsterhausen

Ausbildung zur Fürsorgerin

Nach der Volksschule und dem Abschluss der mittleren Reife wurde sie zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und später in einer Munitionsfabrik kriegsdienstverpflichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte sie ein Krankenpflegepraktikum und absolvierte eine Ausbildung zur Fürsorgerin an der Westfälischen Wohlfahrtsschule in Münster. 1960 kehrte Agnes Hürland in das Erwerbsleben zurück, das die vierfache Mutter mit Rücksicht auf die Familie lange Jahre zurückgestellt hatte. Bis 1968 arbeitete sie als Chefassistentin in einem Industriebetrieb. Dann war sie 1970 als Fachanwärterin bei der Bundesanstalt für Arbeit tätig. Danach arbeitete sie zwei Jahre lang als Rehabilitationsberaterin.

Karriere bis zur Staatssekretärin

Politisch engagierte sich Agnes Hürland-Büning ab 1964 in der CDU. Kommunalpolitische Erfahrungen sammelte sie von 1969 bis 1975 als Mitglied im Dorstener Stadtrat und in der Amtsvertretung von Dorsten. 1977 wurde sie CDU-Kreisvorsitzende in Recklinghausen und 1979 stellvertretende Landesvorsitzende der CDU in Westfalen-Lippe. Sie war dort auch Mitglied des Landesvorstands der CDU-Frauenvereinigung und der Sozialausschüsse der CDU.

1972 wurde Agnes Hürland in den Deutschen Bundestag gewählt. Sie arbeitete im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung und räumte den Belangen der Behinderten Priorität ein. Nach dem Regierungswechsel im Oktober 1982 wurde sie unter Bundeskanzler Helmut Kohl Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Fraktion. Sie galt in dieser Position als „Fraktions-Mutter“, die stets menschliche Wärme und gestaltende Politik zu vereinen wusste und über die eigene Fraktion hinaus Wertschätzung erfuhr.

Bei der Neubildung der schwarz-gelben Bundesregierung 1987 wurde Hürland-Büning Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium. Ihre Ernennung fand auch in den Reihen der sozialdemokratischen Opposition Zustimmung. Auf der Hardthöhe war sie in erster Linie für die soziale Betreuung der Bundeswehrsoldaten verantwortlich und erarbeitete u. a. ein „Pilotprojekt“ für den freiwilligen Eintritt von Frauen in die Bundeswehr. Aus Hürlands Hardthöhe-Zeiten resultiert ihr guter Draht zu Helmut Kohl, der nach Beobachtermeinung stets nur lobende Worte für ihre Tätigkeit in der Politik fand. Sie glaubte an ihn. In der Jerusalemer Knesset sagte sie, wenn einer die deutsche Wiedervereinigung schafft, dann Helmut Kohl.

Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl vom 2. Dezember 1990 verzichtete Agnes Hürland-Büning aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur und schied mit Ablauf der Legislaturperiode aus dem Bonner Parlament aus. Im Juni 1992 wurde Agnes Hürland-Büning zur Vorsitzenden des 15-köpfigen unabhängigen Personalgutachterausschusses gewählt, der auf Vorschlag der Hardthöhe darüber zu entscheiden hatte, welche Soldaten der früheren Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) endgültig in den Dienst der Bundeswehr übernommen werden konnten. Für Ihre Verdienste wurden der Politikerin u. a. das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik und 1991 der Olga-Orden der russisch-orthodoxen Kirche verliehen.

In Finanz-Affären verwickelt

In die Schlagzeilen geriet Agnes Hürland-Büning im Spätherbst 1999 im Zusammenhang mit der CDU-Spendenaffäre um schwarze Konten und illegalen Geldtransfer, die sich im Verlauf der wochenlangen Enthüllungen immer mehr zu einer Affäre Kohl und seines „Systems“ ausweitete. Presseberichten vom Januar 2000 zufolge, musste Hürland-Büning wegen ihrer Verwicklung in die Affäre um den Verkauf der ostdeutschen Leuna-Raffinerie an den französischen Mineralölkonzern Elf-Aquitaine ihre Arbeit in der von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping 1999 eingesetzten Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ ruhen lassen. Nach Abschluss der Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft Düsseldorf im Dezember 2003 neben anderen auch Anklage gegen Agnes Hürland-Büning u. a. wegen Steuerhinterziehung in Zusammenhang mit ihrer Beratung für den Thyssen-Konzern. Im August 2008 wurde das Verfahren gegen die schwer erkrankte 82-Jährigen wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit endgültig eingestellt. – Agnes Hürland-Büning starb am 9. März 2009 in Holsterhausen.

  • Nachtrag: Die Staatssekretärin a. D. Agnes Hürland hat ihre Memoiren geschrieben. Sie sind noch nicht veröffentlicht; die Veröffentlichung wird vorbereitet.

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„Hürland-Ausfahrt“ –  Nur ein Gerücht

Eine Autobahn-Ausfahrt nur für eine Politikerin? Gerücht oder Wahrheit? Diesen Fragen ging die Klasse 9a des St. Ursula-Gymnasiums nach. Mit einer gemeinsamen Arbeit beteiligten sie sich Anfang 2012 am Schülerwettbewerb der „Bundeszentrale für politische Bildung“, der unter dem Motto stand: „Ist das wirklich so gewesen?“ Im Falle der so genannten Hürland-Ausfahrt kann man sagen, dass es nicht so gewesen ist, wie seit Jahrzehnten standhafte Gerüchte es auch heute noch behaupten: Die CDU-Spitzenpolitikerin habe diese Auffahrt für ihre persönlichen Zwecke bauen lassen, um, wenn sie von Bonn ins heimatliche Holsterhausen fährt, ihr unweit von der A 31 entferntes Heim schneller und direkt erreichen konnte. Diesem Gerücht gingen die Schüler nach. Sie haben ihre Arbeit nicht als Text aufbereitet, sondern als ein acht Minuten langes Radio-Feature. Die Wettbewerbs-Jury fand nicht nur den Inhalt, sondern auch die medientechnische Qualität des Beitrages „hervorragend“ und sprach der Klasse 9a einen Preis zu: Eine Fahrt zum größten Computermuseum der Welt, zum Heinz-Nixdorf-Museumsforum in Paderborn.

Die so genannte "Agnes Hürland"-Ausfahrt bei Holsterhausen; Foto: Stegemann

In der Tat ist die 1989 gebaute Ausfahrt an der damals neuen A 31 „vielleicht bundesweit“ (WAZ Dorsten) ein Kuriosum, was den Gerüchten um Agnes Hürland-Büning Nahrung lieferte. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kolportierte 2002 die Geschichte. Die Schüler fanden durch Befragungen und dem Studium von Gesprächsprotokollen im Stadtarchiv aber heraus, dass die Stadt Dorsten diese Ausfahrt wollte, die von den Autobahnbauern nicht vorgesehen war. Die Zuständigen des Autobahnbaus weigerten sich schlichtweg, den Vorstellungen der Stadt nachzukommen, da bereits Ausfahrten auf der Hardt und am Freudenberg vorgesehen waren. Damit wollte sich die Stadt nicht zufrieden geben und schaltete daher die damalige Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Agnes Hürland-Büning mit der Bitte ein, als Dorstener Abgeordnete ihren politischen Einfluss für die Stadt beim Verkehrsministerium geltend zu machen. Mit der „versteckten Ausfahrt“ an einem Parkplatz erreichte Agnes Hürland-Büning einen Kompromiss. Die Stadt dankte es ihr. Darüber steht in einem städtischen Protokoll: „Ohne Hürland-Büning hätte die Stadt diese Ausfahrt nicht bekommen.“ Ludger Böhne schrieb in der WAZ:

„So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass diese sonderbare Ausfahrt den Namen ,Hürland’ zu Recht trägt. Sie taugt aber nicht als Beleg dafür, dass Politiker sich die Welt nach eigenen Bedürfnissen zu Recht biegen.“

Der damals amtierende Stadtdirektor Dr. Karl-Christian Zahn, 2001 von dem Verfasser gefragt, was denn an dem Gerücht dran sei, Agnes Hürland hätte diese Autobahn-Ausfahrt für sich beantragt, winkte mit den Worten ab: „Auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält, es ist falsch. Die Stadt wollte diese Anbindung; nachzulesen in den Protokollen!“ 2007, zwei Jahre vor dem Tod der Politikerin Agnes Hürland, sagte sie in einem privaten Gespräch zum Thema „Hürland-Ausfahrt“: „Alles Unsinn, wie so vieles andere, was über mich erzählt wird.“

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Quellen: Munzinger-Archiv. – Gespräche Wolf Stegemann mit Agnes Hürland 2007 bis 2009. – Weitere Quellen im Text angegeben. – Ludger Böhne „Nächste Ausfahrt Hürland“ in der WAZ vom 29. Februar 2012. – Gespräch Wolf Stegemann mit Stadtdirektor Dr. Zahn 2002, mit Agnes Hürland-Büning 2007 und Susanne Hürland 2014.

 

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2 Kommentare zu Das Porträt: Agnes Hürland-Büning. Die politische Karriere der Staatssekretärin begann in Dorsten – hier starb sie am 9. März vor fünf Jahren

  1. Paulus Hürland sagt:

    Die politische Karriere begann Ende der 50er-Jahre als Mitglied in der SPD!

  2. Michael Kleinespel sagt:

    Guten Tag,
    im Artikel wird in einem Nachtrag von geplanten Memoiren erzählt. Gibt es dazu Neues? Gruß nach Dorsten, Michael Kleinespel
    Anmerkung der Redaktion: Die Memoiren sind in Arbeit!

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