Von Helmut Frenzel
3. Mai 2013. – Nachdem sich das ursprüngliche Center-Konzept für das Lippetor nicht hat realisieren lassen, weil die Ankermieter ausblieben, hat Herbert Krämer unter Einbeziehung der benachbarten Wohngrundstücke und des ehemaligen Kinderheims nun ein komplett neues Center-Konzept vorgelegt, das Platz für einen Lebensmittelmarkt als alleinigen Ankermieter mit 4.000 qm Verkaufsfläche schafft. Dafür muss ein gänzlich neuer Bebauungsplan erstellt werden, der inzwischen im Entwurf vorliegt.
Die Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Konzept könnten größer nicht sein. Die Verkaufsfläche ist von 10.000 qm auf 12.500 qm angewachsen. Die Mieterstruktur hat sich grundlegend verschoben: während das Ursprungskonzept von drei Ankermietern auf einer Verkaufsfläche von 7.500 qm und etwa 30 Ladengeschäften auf einer Verkaufsfläche von 2.500 qm ausging, sieht die neue Lösung einen Ankermieter mit einer Verkaufsfläche von 4.000 qm und etwa 50 Ladengeschäften auf einer Verkaufsfläche von 8.500 qm vor. Mit dem Rückzug auf nur noch einen Ankermieter wird eine große Verkaufsfläche frei, die durch kleinteiligere Geschäfte besetzt werden muss. Das ist ein Paradigmenwechsel gegenüber dem ursprünglichen Plan. Von der Fokussierung auf die im Einzelhandelsgutachten der CIMA von 2007 empfohlenen Angebotsergänzungen ist keine Rede mehr. Jetzt sind massive Überschneidungen der Sortimente vor allem mit denen der Innenstadt vorprogrammiert. Im Ergebnis bedeutet es: das neue Center-Konzept ist nicht mehr innenstadtverträglich.
Die Hälfte des Center-Umsatzes kommt durch Umverteilung aus dem Stadtgebiet
Die GMA, Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, hat im Auftrag von Herbert Krämer ein Gutachten erstellt, das die Auswirkungen des neuen Einkaufszentrums auf den Einzelhandel analysiert. Eines der beiden durchgerechneten Szenarien basiert auf einem Branchenmix für das „Mercaden”, wie er in etwa zu erwarten ist.
Bei dem angenommenen Mix wird für alle Betriebe zusammen ein Jahresumsatz von 49 Millionen Euro ermittelt, der durch Umverteilung mit 25 Millionen Euro zu Lasten des Einzelhandels im Stadtgebiet geht und mit 24 Millionen aus dem außerstädtischen Einzugsgebiet stammt.
Verschärfung des Wettbewerbs und Lageverschiebungen erwartet
Am härtesten von der Umverteilung betroffen ist der Einzelhandel in der Altstadt: nach den Berechnungen des Gutachtens verliert sie fast 15 Millionen Euro Umsatz an das neue Center. Zum Vergleich: Der Einzelhandelsumsatz der Altstadt liegt insgesamt bei 109 Millionen Euro. Die höchsten Einbußen zu erwarten haben die Bereiche Bekleidung (minus 18 bis 19 Prozent), Schuhe und Lederwaren (minus 15 bis 16 Prozent) und Bücher, Schreib- und Spielwaren (minus 12 bis 13 Prozent). Auch die übrigen Branchen müssen mit Umsatzrückgängen rechnen, die über der Verträglichkeitsgrenze von 7 Prozent liegen. Es wird zwangsläufig zu einer Verschärfung des Wettbewerbs kommen und zu Lageverschiebungen. Für die untere Lippestraße wird eine überdurchschnittliche, für den Marktplatz eine gleichbleibende Entwicklung prognostiziert. Als Gewinner wird die obere Lippestraße genannt, als Verlierer die Essener Straße und die östliche Recklinghäuser Straße. Auch Holsterhausen ist spürbar betroffen, allerdings auf einem sehr viel niedrigeren Niveau.
Das Gutachten sieht aber auch entlastende Wirkungen. Der Einzelhandel könne Synergieeffekte in Form von höheren Kundenfrequenzen in der Innenstadt erwarten und von daher mit der Möglichkeit der Minderung der wettbewerblichen Auswirkungen auf einen Teil der innerstädtischen Anbieter rechnen. In welchem Umfang das eintritt, ist naturgemäß ungewiss. Eine nahe liegende Befürchtung ist jedenfalls, dass es mit der Eröffnung des „Mercaden” zu einem Verdrängungswettbewerb innerhalb des Stadtgebiets und besonders in der Altstadt kommt. Damit ist nicht gesagt, dass dieser nur zu Lasten der alteingesessenen Einzelhandelsbetriebe geht.
Wettbewerb um die Kaufkraft im Umland nimmt zu
In diesen Zusammenhang gehört auch, dass in anderen Städte der Region ebenfalls Shopping Center-Projekte in Vorbereitung oder in der Umsetzung sind: Recklinghausen (28.000 qm), Herten (13.000 qm) und Bottrop (10.000 qm). Man darf annehmen, dass diese Städte auch mit Kaufkraftzuflüssen aus dem Umland rechnen. Die Folgen der Abnahme und Alterung der Bevölkerung in Dorsten, aber auch in der gesamten Region, auf die Kaufkraftentwicklung berücksichtigt das GMA-Gutachten nicht. Der Einwohnerrückgang wird zwar erwähnt; die Berechnungen basieren aber auf dem derzeitigen Stand der Bevölkerung.
Das „Mercaden”-Projekt in seiner neuen Auslegung weist Chancen und Risiken auf. Das GMA-Gutachten fasst sie für den Bereich der Altstadt in der nachstehenden Übersicht zusammen.Das GMA-Gutachten liegt zusammen mit dem Entwurf des Bebauungsplans Westwall/Lippetor bis 13. Mai im Rathaus zur Einsichtnahme aus.
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