Von Wolf Stegemann
Anhaltende Eiseskälte, Frost am Tag und in der Nacht machen den Obdachlosen schwer zu schaffen. Auch in Dorsten. Deshalb hat die Stadt in diesen Tagen gemeldet, dass sie in ihrer Unterkunft an der Luisenstraße insgesamt 16 Schlafplätze für obdachlose Frauen und Männer bereithält, sollten sie keine geschützte Unterkunft haben. Allerdings hat die Stadt keinerlei Wissen darüber, wie viele Obdachlose es in der Stadt wirklich gibt.
Noch Mitte der 1970er Jahre war die Obdachlosigkeit in Dorsten kein Problem. Die Stadt beschlagnahmte die Wohnungen der Mieter, die wegen Kündigung von Obdachlosigkeit bedroht waren, zahlte die Miete und somit wurden die Mieter nicht obdachlos. Waren es 1977 noch 24 solcher beschlagnahmter Wohnungen, erhöhte sich die Zahl bis 1981 auf 30, dann, innerhalb eines Jahres auf das Doppelte. Allein 26 beschlagnahmte Wohnungen befanden sich in Wulfen-Barkenberg. Das Problem der drohenden und tatsächlichen Obdachlosigkeit stieg permanent. Beschlagnahmungen von Wohnungen der von Obdachlosigkeit bedrohten Mieter waren das humanste und gleichzeitig auch das teuerste Hilfsmittel zur Abwendung von Obdachlosigkeit. Allerdings verstieß die Stadt damit gegen geltendes Recht, wie der damalige Stadtkämmerer und Ordnungsdezernent Dr. Gerd Willamowski erklärte. Die Gesetzgebung verlange ausdrücklich eigene Obdachlosenunterkünfte. Nur wenn diese nicht vorhanden seien, könne die Stadt von der Möglichkeit der Beschlagnahme Gebrauch machen.
Anwohner protestierten gegen Pläne, Obdachlosenunterkünfte einzurichten
Die beiden städtischen Unterkünfte an der Luisestraße und am Hammer Weg reichten aber nicht aus, die Obdachlosen der Stadt aufzunehmen. Daher wollte der Sozialausschuss der Stadt im Juni 1983 die bestehenden barackenähnlichen Obdachlosenunterkünfte am Hammer Weg sanieren und erweitern. Die Häuser wurden von ehemals obdachlosen Menschen auf Dauer bewohnt, die sich dort heimisch eingerichtet hatten und somit nicht mehr als obdachlos galten. Daher protestierten sie und Anwohner, aber auch weite Bürgerkreise gegen die Reaktivierung der Baracken für Obdachlose. An diesen Protesten beteiligten sich auch Sozialpolitiker von CDU und SPD. Daraufhin wurde der bereits gefasste Beschluss zurückgenommen, was zu weiterer Ratlosigkeit in der Verwaltung führte, wie das Obdachlosenproblem in den Griff zu bekommen sei. Denn überall dort, wo die Stadt Obdachlosenunterkünfte ins Auge fasste, protestierten sofort die Anwohner. Bei der späteren Unterkunftssuche der Stadt für Aussiedler und Asylbewerber wiederholten sich diese Proteste.
In der städtischen Unterkunft Luisenstraße waren 64 Parteien mit 108 Personen untergebracht, am Hammer Weg waren es 16 Parteien mit 47 Angehörigen. Insgesamt waren Mitte der 1980er Jahre, als Obdachlosigkeit erstmals zum Problem wurde, 662 Personen obdachlos, wovon 335 (71 Parteien) in beschlagnahmten Wohnungen in Barkenberg lebten und 172 Personen (39 Parteien) im übrigen Stadtgebiet.
Die Dorstener Wohnungs(bau)gesellschaft und andere Gesellschaften ließen gerne ihre Wohnungen beschlagnahmen, weil die Stadt pünktlicher Mietzahler war. In diesen für eine Lösung drängenden Jahren zahlte die Stadt für Mieten beschlagnahmter Wohnungen jährlich rund 850.000 DM. Damals war dies ein großer Betrag im städtischen Haushalt. Nach einer langen streitig geführten Diskussion zwischen Anwohnern, Politikern und Verwaltung und durch Leserbriefe in den Zeitungen wurden 1991 drei mobile Unterkünfte für Obdachlose auf dem alten Sportplatz in Rhade aufgestellt und bezogen.
Nachts bei eisigen Temperaturen erfroren
Der starke Frost im Winter 1996/97 forderte unter den Obdachlosen in Dorsten drei Kälteopfer. Anfang Januar 1997 starben in der städtischen Obdachlosenunterkunft Apostelstiege zwei Menschen. Noch lebend ins Krankenhaus gebracht, starben sie dort an Unterkühlung. Erst durch Nachfrage der „Ruhr-Nachrichten“ (Dorstener Zeitung) bei der Stadt wie beim Krankenhaus – beide Einrichtungen gaben nur tröpfchenweise Auskunft – stellte sich heraus, dass auch ein dritter Mann an Unterkühlung eingeliefert wurde und verstarb. Die städtische Pressesprecherin Lisa Bauckhorn bestätigte schließlich unwillig, dass zwei Männer in ihren Betten in der städtischen Obdachlosenunterkunft gestorben waren. Sie wies aber den Vorwurf der CDU-Fraktion zurück, die der Verwaltung den Vorwurf machte, nicht genügend Brennmaterial zur Verfügung gestellt zu haben.
Beratungsstelle der evangelischen Kirche in Holsterhausen
Die inzwischen von der evangelischen Kirche in Holsterhausen eingerichtete Beratungsstelle für allein stehende Wohnungslose wurde im Jahr 2010 von 256 Personen benutzt. Das waren 34 Personen mehr als im Vorjahr. Insgesamt war dies aber die höchste Fallzahl seit Bestehen der Beratungsstelle. 151 Personen kamen erstmals und 105 Personen wiederholt in die Einrichtung an der Mühlenstraße in Holsterhausen. Die Beratungsstelle ist ein örtliches Angebot. 214 Personen kamen aus Dorsten, 42 Personen aus anderen Städten, Kreisen oder Bundesländern. Mit einem Anteil von 85 Frauen, das sind 33 Prozent von den Gesamtauftritten, sei eine weitere Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren festzustellen. Eine weitere höchste Fallzahl seit der Einrichtung der Beratungsstelle Stellen bei den Altersgruppen ist erstmals die Personengruppe der 20- bis 27-Jährigen mit 56 Personen. Mit der Gruppe der unter 20-Jährigen gemeinsam bilden sie ein Drittel der Gesamtauftritte derjenigen, die obdachlos oder davon bedroht sind, und bei der evangelischen Kirche Beratung suchten.
Ich wünsche viel Gesundheit und Liebe.
Es wäre mal interessant zu wissen, was die Ursache der Erfrierung In der städt. Unterkunft war. War das ein offener Raum, nur ein Dach auf Stelzen oder was war das genau? Wer weiß da genaueres drüber? Ansonsten wird ja Obdachlosigkeit in Dorsten immer wegdiskutiert. Angeblich gibt es in Dorsten ja keine Obdachlosen. Bei uns in Barkenberg ist das eigenartigerweise gar kein Thema. Auch in kirchlichen Kreisen nicht. Ich finde es sehr positiv, dass der Leiter des Sozialamtes seine Telefon-Nummer als Anlaufstelle herausgegeben hat. Wo können sich Obdachlose denn am Wochenende melden?