Von Helmut Frenzel
23. November 2012. – Alle Verhandlungen, für das marode Lippetor-Center eine Lösung zu finden, waren erfolglos geblieben – bis Sachsen Bank und Stadt sich einig waren, dass Herbert Krämer dort ein neues Shopping-Center errichten sollte. Dazu musste er zuvor die alte Immobilie erwerben. Die Summe von 2,55 Millionen Euro, bei der er in der Zwangsversteigerung den Zuschlag erhielt, hat er dafür aber nicht gezahlt. Wie das eingefädelt und durchgezogen wurde, liest sich wie ein Krimi. Am Ende haben die Beteiligten bekommen, was sie wollten.
Der 30. Juli 2010, ein Freitag, war der Tag, an dem das Lippetor-Center zwangsversteigert wurde. Herbert Krämer stieg mit dem Mindestgebot von 2,25 Millionen Euro ein. Dann bot unerwartet ein weiterer Interessent mit, der niederländische Projektentwickler Ten Brinke. Im Wettstreit der beiden Bieter wurde der Preis nach oben getrieben, bis Herbert Krämer bei 2,55 Millionen Euro den Zuschlag erhielt, immerhin dreihunderttausend Euro über dem anfänglichen Mindestgebot. Mit dem Zuschlag wurde die Galerie Lippe GmbH & Co. KG, die von ihrem Geschäftsführer Herbert Krämer vertreten wurde, Eigentümerin der Immobilie.
Schon vor der Zwangsversteigerung waren die Würfel gefallen
Die Zeitungen hatten vor dem Versteigerungstermin berichtet, Herbert Krämer sei mit der Sachsen Bank, der Hauptgläubigerin des Lippetor-Centers, längst einig über den Erwerb und den Kaufpreis. Unmittelbar nach der Versteigerung bestätigte Herbert Krämer die Berichte und erklärte vor der Presse, „dass er mit der Sachsenbank bereits im Vorfeld einig war. Selbst bei einer höheren Versteigerungssumme wäre er Eigentümer des Lippetor-Centers geworden.“ (Ruhr-Nachrichten vom 30. Juli 2010). Wie konnte die Sachsen Bank Herbert Krämer den Erwerb des Lippetor-Centers zusagen, wo doch eine Versteigerung mit ungewissem Ausgang bevorstand, und einen Preis vereinbaren, der doch erst im Versteigerungsverfahren festgestellt werden würde?
Ein Blick in die Bilanz der Galerie Lippe GmbH & Co. KG beseitigt jeden Zweifel: zum 31. Dezember 2010 werden die „Erwerbskosten für das bebaute Grundstück in Dorsten“ mit einem Betrag von 1,77 Millionen Euro beziffert. Ein Abgleich mit dem Anlagevermögen führt in etwa zu demselben Ergebnis. Wie ist das möglich? Die Galerie Lippe GmbH & Co. KG hatte die Immobilie doch zu einem Kaufpreis von 2,55 Millionen ersteigert. Wo ist der Differenzbetrag von 0,8 Millionen Euro geblieben? Des Rätsels Lösung ist der deal, den Herbert Krämer und die Sachsen Bank geschlossen hatten und der außer dem Kaufpreis vor allem regeln musste, wie die beiden Parteien die Kontrolle über den Verlauf der Versteigerung sicherstellen wollten. Einzelheiten sind nicht publik geworden, aber aus den bekannten Fakten kann man sie in etwa rekonstruieren.
Vorangegangene Verhandlungen blieben erfolglos – dann trat Herbert Krämer auf den Plan
Die Sachsen Bank, Hauptgläubigerin des Lippetor-Centers, stand seit 2008 unter hohem Druck, bestehende Kreditrisiken zügig abzubauen, und dazu gehörte auch, das Not leidende Engagement beim Lippetor-Center schnell zu beenden. Der Noch-Eigentümer war seit 2001 insolvent, der schon lange währende Niedergang des Lippetor-Centers durch die wachsenden Leerstände besiegelt. Die Immobilie verursachte nur noch hohe Kosten. Die Bank führte Verhandlungen mit Kaufinteressenten. Im Hintergrund mischte auch die Stadt kräftig mit. Als die Verhandlungen scheiterten, betrieb die Sachsen Bank die Zwangsversteigerung. Ein erster Versteigerungstermin fand im Mai 2009 statt, verlief aber erfolglos. Niemand gab ein Gebot ab. Die Immobilie war noch zu teuer. Ende 2009 beantragte die Sachsen Bank einen neuen Versteigerungstermin.
Inzwischen war Herbert Krämer auf den Plan getreten, der gerade ein Shopping-Center, die RheinBerg Galerie in Bergisch-Galdbach, errichtet hatte. Als dieses Anfang 2009 eröffnet wurde, war auch Bürgermeister Lambert Lütkenhorst als Gast dabei. Seither favorisierte die Stadt den Projektentwurf von Herbert Krämer. Der Entwurf sah den Abriss des Gebäudes und einen Neubau vor, der mit einigen Abstrichen eine Kopie der Bergisch-Gladbacher Vorlage war. Nach der Fertigstellung der RheinBerg Galerie war Herbert Krämer auf der Suche nach neuen Aufträgen. Zuvor hatte er sich um ein Projekt in Gladbeck bemüht und dazu die hkm Projekt Gladbeck CCG GmbH & Co. KG gegründet. Als daraus nichts wurde, benannte er die Gesellschaft kurzerhand in Galerie Lippe GmbH & Co. KG um, die dann im zweiten Versteigerungstermin am 30. Juli 2010 als Bieterin für das Lippetor-Center auftrat.
Das Mindestgebot lag höher als der zwischen Sachsen Bank und Herbert Krämer vereinbarte Kaufpreis
Allerdings gab es ein Problem. Für das Lippetor-Center war ein Wertgutachten erstellt worden, das den Verkehrswert mit 4,5 Millionen Euro ermittelte. Im bevorstehenden zweiten Versteigerungstermin musste ein Mindestgebot von 50 Prozent des Verkehrswertes abgegeben werden, also 2,25 Millionen Euro. Herbert Krämer hatte sich mit der Sachsen Bank aber auf den niedrigeren Kaufpreis von 1,77 Millionen Euro geeinigt. Da das Gebäude abgerissen werden sollte, war er, so darf man vermuten, nur am Grundstück interessiert und dessen Wert lag entsprechend niedriger. Das Objekt konnte Herbert Krämer aber nur ersteigern, wenn er das Mindestgebot von 2,25 Millionen Euro abgab. Das war wiederum nur denkbar, wenn die Sachsen Bank zusagte, Herbert Krämer den Differenzbetrag zu erstatten. Um sicherzugehen, dass er auf jeden Fall den Zuschlag erhielt, konnte die Zusage der Sachsen Bank nicht auf das Mindestgebot begrenzt bleiben, sondern musste auch für höhere Gebote gelten, falls es dazu kommen sollte. Dass die Versteigerung damit nur noch eine Farce sein würde, steht auf einem anderen Blatt. Genau genommen gab Herbert Krämer die Gebote nicht für Rechnung der Galerie Lippe GmbH & Co. KG sondern für Rechnung der Sachsen Bank ab.
Mit der Zusage im Rücken konnte Herbert Krämer verkünden, dass er auch bei jeder höheren Versteigerungssumme Eigentümer des Lippetor-Centers geworden wäre. Für die Sachsen Bank war die Zusage risikolos. Zwar stieg mit jedem weiteren Gebot der Differenzbetrag, der an Herbert Krämer zu erstatten war. Aber der Versteigerungserlös floss ohnehin an die Sachsen Bank zur Tilgung der Darlehen des insolventen Noch-Eigentümers. Für sie war es ein Nullsummenspiel, sie bekam immer nur den mit Herbert Krämer verabredeten Kaufpreis, egal bei welchem Gebot der Zuschlag erteilt wurde.
Die Zwangsversteigerung war nur noch Theater – allerdings mit einer Überraschung
Herbert Krämer und die Sachsen Bank waren auf den Versteigerungstermin also gut vorbereitet. Im Termin selbst trat dann ein, womit niemand gerechnet hatte. Der niederländische Projektentwickler Ten Brinke bot mit. Bei 2,55 Millionen Euro stieg er aus und die Galerie Lippe GmbH & Co. KG erhielt den Zuschlag – alles nach Plan, nur der Differenzbetrag zum vereinbarten Kaufpreis war auf 0,8 Millionen Euro gestiegen. Aber das war aus den beschriebenen Gründen kein Problem.
Nun musste die Galerie Lippe GmbH & Co. KG die 2,55 Millionen an das Gericht zahlen. 0,8 Millionen waren durch die Erstattung des Differenzbetrages durch die Sachsen Bank gedeckt, die vermutlich als Zuschuss zu den Anschaffungskosten geleistet wurde. Aber die restlichen 1,77 Millionen, der vereinbarte Kaufpreis, mussten von der Galerie Lippe GmbH & Co. KG aufgebracht werden. Dazu nahm die Gesellschaft einen Kredit auf, rückzahlbar innerhalb eines Jahres. Der Kaufpreis war damit zu hundert Prozent kreditfinanziert. Wer den Kredit gegeben hat, ist nicht belegt, doch Manches spricht dafür, dass es die Sachsen Bank war. Der Vermögenswert von 2,55 Millionen Euro, den die Galerie Lippe anfänglich in den Büchern hatte, ermäßigte sich durch den Zuschuss der Sachsen Bank auf 1,77 Millionen Euro. So oder so ähnlich muss der Fall abgelaufen sein.
Ende gut alles gut?
Die Beteiligten waren es zufrieden. Die Galerie Lippe GmbH & Co. KG hatte es geschafft, mit einem haftenden Kapital von 500 Euro, an dem Herbert Krämer mit 250 Euro beteiligt ist, das Gelände des Lippetor-Centers günstig zu erwerben. Für die Bezahlung des Kaufpreises war ein Jahr Zeit gewonnen. Die Sachsen Bank hatte ihr Ziel erreicht und war die Immobilie losgeworden. Der Bürgermeister hatte seinen Wunschpartner bekommen: der Zuschlag an Herbert Krämer sei „im Sinne der Stadtspitze“, ließ er verlauten.
Warum hat Herbert Krämer vor der Versteigerung öffentlich gemacht, dass es eine Vereinbarung mit der Sachsen Bank gab? Sollten so andere Interessenten fern gehalten werden? Oder war es der Stolz darauf, wie souverän er die Vorstellung im Griff haben würde?
Auf die nächsten Schritte des “Investors” Herbert Krämer darf man jedenfalls gespannt sein.