Von Helmut Frenzel
26. Oktober 2012. – Eine Vorbemerkung zu diesem Artikel ist notwendig. Zum einen, um darauf hinzuweisen, dass die folgende Darstellung teilweise an Fachbegriffe und Facherläuterungen gebunden ist, um den Sachverhalt zutreffend zu vermitteln, und zum anderen, weil aus diesem Sachverhalt die Erkenntnis gezogen wird, dass bezüglich der Projektfinanzierung des „Investors Herbert Krämer“ genauer hingeschaut werden muss und man sich nicht mit der Besichtigung eines „seiner“ Betriebe zufrieden geben darf. Denn allzu schnell, das wird der Leser feststellen, kann sich ein „Atlantis“-Desaster wiederholen. Die Alarmglocken müssen schrillen, wenn die Gesellschaft, die das „Mercaden“ bauen soll, ein Kommanditkapital von gerade mal 500 Euro ausweist, wovon Herbert Krämer selbst lediglich 250 Euro hält.
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Herbert Krämer ist nicht der Investor
Herbert Krämer, der Mann, der auf dem Gelände des ehemaligen Lippetor-Center ein neues Einkaufszentrum errichten will, kann sich über die ihn betreffende Berichterstattung wahrlich nicht beklagen. Lippetor-Investor, Investor aus Bergisch-Gladbach oder einfach Investor Herbert Krämer – so wird er respektvoll genannt. Der Investor Herbert Krämer verbreitet Optimismus, der Investor Herbert Krämer ist auf Expansion eingestellt, Herbert Krämer will 60 Millionen investieren, der Investor Herbert Krämer gilt als grundsolider und kluger Kaufmann, so oder ähnlich berichten die Zeitungen über ihn und sein Vorhaben. Es entsteht der Eindruck, dass Herbert Krämer, der nach allem, was man weiß, ein kompetenter Projektentwickler ist, auch das Eigenkapital zur Absicherung der Projektfinanzierung bereitstellt und so für den Erfolg seiner Projekte mit eigenem Geld einsteht. Das schafft Vertrauen. Die Sache hat nur einen Haken: Herbert Krämer ist nicht der Investor! Abgesehen von geringen Beträgen, die in keinem Verhältnis zum Umfang seiner Projekte stehen, steckt Herbert Krämer in seine Projekte kein haftendes Kapital.
Für diese Seite des Herbert Krämer scheint sich niemand zu interessieren und er selbst tut alles, um seine finanziellen Konstrukte möglichst im Verborgenen zu halten. Wer sich darüber einen Überblick verschaffen will, muss sich in ein Geflecht von ineinander verschachtelten Gesellschaften hineinknien und das Gesamtbild wie bei einem Puzzle aus vielen kleinen Bausteinen zusammensetzen. Für diesen Artikel wurden Informationen von fünfzehn Unternehmen herangezogen, an denen Herbert Krämer direkt oder indirekt beteiligt ist, und es gibt noch mehr davon.
Niemand stellt Fragen, wie Herbert Krämer seine Projekte finanziert
Als Referenzobjekt präsentiert Herbert Krämer regelmäßig „seine“ RheinBerg Galerie in Bergisch-Gladbach, ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von 12.500 Quadratmetern, das 2009 fertig gestellt wurde. Dorthin lädt er Bürgermeister und Räte der Städte ein, mit denen er Verhandlungen über neue Projekte führt. Angesichts der glänzenden Fassade bekommen die Besucher leuchtende Augen, so etwas wollen sie für ihre Stadt auch. Jeder kann ja mit eigenen Augen sehen, dass das Konzept des Herbert Krämer funktioniert, da stellt man keine Fragen mehr. Der Blick hinter die Fassade gibt allerdings sehr wohl Anlass zu Fragen.
Das Projekt RheinBerg Galerie wurde von der „hkm Management AG“ entwickelt. Die Aktiengesellschaft gehört zum Beteiligungskreis von Herbert Krämer, er ist Alleinvorstand. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung und Realisierung von Projekten im Einzelhandel und erbringt für den oder die künftigen Investoren gegen Entgelt die dazu notwendigen Dienstleistungen. Herbert Krämer verfügt nicht über genügend Kapital, um selbst als Investor auftreten zu können. Daher akquiriert er Geldgeber, mit deren Kapital seine Projekte verwirklicht werden. So ist es auch im Falle der RheinBerg Galerie gewesen. Für den Investor indes wurde das Projekt, das so erfolgreich aussieht, keineswegs ein Erfolg und das dicke Ende steht noch aus. Und das kam so:
Ein Geflecht von drei hintereinander geschachtelten GmH & Co. KG’s wickelt die Errichtung der Immobilie der RheinBerg Galerie ab
Die Investition zur Errichtung der Immobilie wurde in der LIXXUS Projektentwicklung GmbH & Co. KG ausgeführt. Dabei handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft, wobei die Funktion des persönlich haftenden Gesellschafters von einer GmbH wahrgenommen wird, die selbst nicht am Kapital beteiligt ist. Die Geschäftsführer der GmbH sind zugleich Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft. Diese Konstruktion ist nicht unüblich; sie bewirkt eine Begrenzung der Haftung der Gesellschafter auf die Kommanditeinlage. Im Hinblick auf das zu stemmende Investitionsvolumen von fast 60 Millionen Euro war die Gesellschaft mit einem lächerlich geringen Kommanditkapital von 75.000 Euro ausgestattet und hing bezüglich ihrer Zahlungsfähigkeit von Beginn an am Tropf der Muttergesellschaft.
Muttergesellschaft ist die FUNDIS Projektentwicklungsholding GmbH & Co. KG. Ihre Aufgabe war die Beschaffung von Eigenkapital für LIXXUS. Sie hielt alle Anteile am Kommandit- und GmbH-Kapital bei LIXXUS. FUNDIS wurde ihrerseits vollständig von der IKB Projektentwicklung GmbH & Co. KG, einer Konzerntochter der IKB Deutsche Industriebank AG, kontrolliert – mit der Einschränkung, dass Herbert Krämer über seine Familienholding, der „hkm Beteiligungs GmbH“, mit 50 Prozent am Kommanditkapital von 300.000 Euro beteiligt war, mit einem Betrag also von 150.000 Euro. Das ist bis zum Verkauf der RheinBerg Galerie der Eigenkapitalbeitrag von Herbert Krämer an diesem 60-Millionen-Projekt geblieben. Die Investition wurde fast vollständig über Bankdarlehen finanziert. Damit war das Vorhaben krass unterfinanziert. Geschäftsführer von LIXXUS und FUNDIS war Herbert Krämer. Einen zweiten Geschäftsführer stellte die IKB Projektentwicklung.
Die IKB Projektentwicklung stellt acht Millionen Euro Eigenkapital zur Verfügung – trotzdem ist die Immobilie 2009 überschuldet und muss verkauft werden
Während der Projektrealisierung fielen Anlaufverluste an, die nicht fremdfinanziert werden konnten. Es musste Eigenkapital her. 2006 leistete die IKB Projektentwicklung eine erste Einzahlung in die Kapitalrücklage der FUNDIS von 0,4 Millionen Euro. 2007 erhöhte sie ihre Einzahlung auf 4 Millionen Euro. 2009 schließlich gewährte sie der FUNDIS ein Gesellschafterdarlehen von weiteren 4 Millionen Euro. Ob auch Herbert Krämer ein Gesellschafterdarlehen gegeben hat, ist nicht belegt. Inzwischen war in der LIXXUS ein Bilanzverlust von über 5 Millionen Euro angefallen und das Eigenkapital unter Einbeziehung der Kapitalrücklage nicht nur aufgezehrt, sondern mit einer Million Euro negativ. Im Jahresabschluss 2009 von LIXXUS heißt es wörtlich:
„Die Gesellschaft ist zum 31. Dezember 2009 bilanziell überschuldet.“
Durch Rangrücktritt der Muttergesellschaft FUNDIS bezüglich eines von ihr gewährten Darlehens konnten insolvenzrechtliche Folgen abgewendet werden.
Im Mai 2010 wurde die Immobilie an die WestInvest Gesellschaft für Investmentfonds mbH verkauft. Der Kaufpreis reichte aus, um die Bankdarlehen zu tilgen, das Gesellschafterdarlehen der IKB Projektentwicklung ganz und deren Einzahlung in die Kapitalrücklage größtenteils zurückzuzahlen. Außerdem wurde ein Veräußerungsgewinn erzielt. Das klingt alles danach, als hätte sich durch den vorteilhaften Verkauf der Immobilie noch alles zum Guten gewendet. Das war aber nicht der Fall.
Rechtsstreit bringt das Firmen-Trio in höchste Bedrängnis – Gesellschaften von Insolvenz bedroht
Im Jahresabschluss 2010 der LIXXUS findet sich nämlich folgende Information:
„Die Gesellschaft befindet sich in einem Rechtsstreit mit dem ursprünglichen Veräußerer des Grundstücks […]. Die Gesellschaft ist zur Zahlung von EUR 3.138.988,33 nebst Zinsen und Kosten verurteilt worden. Das Urteil ist […] vorläufig vollstreckbar.“
Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt und eine Rückstellung in gleicher Höhe gebildet. Darüber hinaus wurde in der FUNDIS eine Prozesskostenrückstellung von 1,1 Millionen Euro gebildet, die die „Rechtsstreitigkeiten BAM“ betreffen. Ob es sich dabei um dasselbe Verfahren handelt oder ein anderes, ist nicht ersichtlich. Das wirtschaftliche Ergebnis des Firmengeflechts wurde so mit Aufwendungen von 4,2 Millionen Euro belastet.
Ende 2010 zeigte sich dann folgendes Bild: Das Eigenkapital der LIXXUS war trotz des Veräußerungsgewinns durch den Verkauf der Immobilie mit 0,7 Millionen Euro negativ und die Gesellschaft eigentlich überschuldet. Die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft wurde durch eine Patronatserklärung der IKB Projektentwicklung gesichert. Ohne diese Haftungsübernahme wäre die Gesellschaft wieder ein Insolvenzfall gewesen. Bei der Muttergesellschaft FUNDIS war die Lage noch schlechter: die Gesellschaft verbuchte einen Jahresverlust von 4,4 Millionen Euro und war ihrerseits, da die Kapitalrücklage der IKB Projektentwicklung von 4 Millionen Euro zurückgezahlt worden war, mit 4,1 Millionen Euro überschuldet. Im Jahresabschluss 2010 heißt es dazu:
„Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag ist rein temporär, weil stille Reserven im Anlagevermögen von rund EUR 2.300.000 bestehen […] und es sich bei dem […] passivierten Betrag von ca. EUR 1.860.000 um nicht ausgeschüttete Jahresüberschüsse der Vorjahre handelt.“
Die beiden Positionen summieren sich zufällig auf 4,1 Millionen Euro und erreichen damit die Höhe des negativen Kapitals. Insolvenzrechtliche Folgen konnten so auch hier abgewendet werden. Die IKB Projektentwicklung, die in den kritischen Phasen das Eigenkapital beigesteuert hatte, ging unterdessen „in Liquidation“, das heißt: sie wurde aufgelöst. Die LIXXUS ließ sich deswegen bestätigen, dass der Liquidationsbeschluss keine Auswirkungen auf die Patronatserklärung hat.
Wie die Sache ausgeht, ist bisher nicht bekannt – Herbert Krämer dreht unterdessen ein viel größeres Rad
An diesem Punkt endet die Darstellung, weil für die Zeit nach 2010 keine Informationen vorliegen. Wie dieses Finanzabenteuer weitergeht, wird man sehen, wenn die Jahresabschlüsse 2011 von LIXXUS und FUNDIS demnächst veröffentlicht werden.
Das Finanzierungskonstrukt von Herbert Krämer im Falle der RheinBerg Galerie ist kein Ruhmesblatt. Ihn selbst braucht das nicht sonderlich zu stören. Mit der Projektentwicklung und dem Center-Management hat seine „hkm Management AG“ gutes Geld verdient. Inzwischen hat er zwei neue Projekte in Arbeit: ein Einkaufszentrum in Böblingen mit einem Investitionsvolumen von 120 Millionen Euro und das in Dorsten mit einem Volumen von 60 Millionen Euro. In beiden Fällen entwickelt Herbert Krämer die Projekte als bezahlte Dienstleistung. Seiner AG geht es dementsprechend gut.
Eigenes Kapital in nennenswertem Umfang wird er wohl wieder nicht beisteuern. Da ihm die IKB Projektentwicklung als Eigenkapitalgeber abhanden gekommen ist, musste er sich nach neuen Investoren umsehen. Für Böblingen tritt die Pramerica Real Estate Investors als Partner auf, eine Tochter der Prudential Financial, Inc., USA. Pramerica und die „hkm Management AG“ haben die Joint Venture PBC Preco S.a.r.l mit Sitz in Luxemburg gegründet, die die 120-Millionen-Investition finanzieren soll. Nähere Einzelheiten sind nicht bekannt. Bezüglich des Dorstener Projekts gibt es Hinweise, dass sich als Eigenkapitalgeber die gate-invest GmbH, eine Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Wuppertal, engagiert.
Zweifel an der soliden Finanzierung des Dorstener Projekts
Das Einkaufszentrum „Mercaden Dorsten“ wird von der Galerie Lippe GmbH & Co. KG errichtet werden. Die Gesellschaft hat 2010 das Grundstück des ehemaligen Lippetor-Centers für 1,8 Millionen Euro erworben. In der Bilanz zum 31. Dezember 2010 wird ein Kommanditkapital von 500 Euro, – das ist kein Schreibfehler -, ausgewiesen. Davon hält Herbert Krämer einen Anteil von 250 Euro und die gate-invest GmbH noch einmal denselben Betrag. Seriös geht anders. Ob Herbert Krämer für sein Vorhaben einen überzeugenden Business Plan vorgelegt hat, ist nicht bekannt.
Der Verlauf des Projekts in Bergisch-Gladbach öffnet immerhin den Blick dafür, dass der Bau eines großen Einzelhandelszentrums in einer Mittelstadt, das ist eine Stadt mit weniger als 100.000 Einwohnern, ein erhebliches Risiko birgt. Dass die RheinBerg Galerie in Bergisch-Gladbach sich wirtschaftlich rechnet, ist nirgendwo belegt. Gelingt es, dauerhaft Mieter zu gewinnen, die die hohen Mieten in einem solchen Einkaufstempel bezahlen können? Da hat Dorsten schon mit dem Lippetor-Center keine guten Erfahrungen gemacht, auch nicht mit der Markthalle in Wulfen-Barkenberg. Und das dahin siechende Dorsten ist nicht mit Bergisch-Gladbach zu vergleichen, einer blühenden Stadt im Speckgürtel von Köln.
An der Verwirklichung der „Dorstener Mercaden“ wird Herbert Krämer auf jeden Fall verdienen, je größer desto mehr. Das Investitionsrisiko tragen andere.
Sehr interressant und erhellend, Ihr Mercaden Beitrag von 2012. Der Entwickler wird also am Mercaden Project verdienen, egal ob es ein Erfolg oder eine Bauchlandung wird. Es stellt sich die Frage, wer eigentlich reales Geld verliert, wenn die Dorstener Mercaden floppen, wenn die investierten 60 Millionen Euros (!) nicht ueber Mieteinnahmen eingetrieben werden können. Haftet in diesem Fall die Stadt über eine geschickt eingebaute Vertragsklausel? Wer hat eigentlich ‘echtes’, reales Geld in die Mercaden investiert? Wie wurde diesen Investoren glaubhaft gemacht dass diese Anlage besser ist als das Geld auf dem Sparbuch zu belassen? Man muss in der Tat kein Genie sein um zu erkennen dass die Lage in Dorsten nicht mit der in Bergisch Gladbach oder Böblingen zu vergleichen ist. Warum sollten die Mercaden erfolgreicher sein (können) als das fast baugleiche Lippetorcenter?
Herbert Krämer hat in “seinem” Vorzeigecenter nur ein paar Räume für die hkm angemietet, ihm gehört dort gar nichts!! Das ist alles bei den Investoren. In Dorsten steht noch lange kein Center …
Das hört sich nicht erfreulich an. Und wenn HK nur am Planungsobjekt verdient, ist eine dauerhafte Bedienung zweifelhaft. Züchtet sich hier eine Art Schneider Bau heran ?
Denn insgesamt finde ich die Umsetzung LippeArcaden sehr gut. Aber es muß bitteschön nachhaltig geplant sein und auch verantwortungsbewußt betrieben werden. Wenn aber nach Fertigstellung sich die Investoren nach vorne drängeln um nur max-Profit rauszuschlagen ist hier ein Gefahrenpotential vorhanden, was einen erheblichen investigativen Bedarf im Vorfeld anzeigt. Ein weiteres Atlantis wäre fatal für die Stadt.
Vielleicht sollte man mal bei den Arkaden in Bocholt anklopfen. Diese sind recht erfolgreich seit mehreren Jahren in Betrieb. Vor allem wenn man bedenkt, dass Bocholt auf der Wiese liegt. Lt. Management kommen viele Besucher aus den benachbarten Niederlanden.