13. März 2012. drf – Der Entwurf des städtischen Haushalt 2012, den der Kämmerer kürzlich vorlegte, schließt mit einem Fehlbetrag von unglaublichen 33 Millionen Euro ab. Die Aufwendungen liegen um 20 % über den Erträgen, mit denen die Stadt rechnen kann. Zur Finanzierung des Defizits sieht der Haushaltsentwurf einen Anstieg der Überziehungskredite um 25 Millionen auf 208 Millionen Euro vor.
Doch dieser Haushalt wird – anders als der ähnlich katastrophale Vorjahreshaushalt – so nicht mehr umgesetzt werden. Das verhindert das Stärkungspakt-Gesetz, welches die Landesregierung noch im Dezember 2011 durch den Landtag gebracht hat. Es zwingt die von Überschuldung bedrohten Gemeinden dazu, ihren Haushalt spätestens 2016 auszugleichen: dann dürfen die Aufwendungen die Erträge nicht mehr übersteigen. Dies betrifft auch Dorsten. Bis 2016 muss ein strukturelles Haushaltsloch von 25 Millionen Euro geschlossen werden. Dies soll in gleichmäßigen Schritten geschehen, der Haushaltsfehbetrag jährlich um jeweils 5 Millionen Euro verringert werden.
Stärkungspakt zwingt Dorsten zum Haushaltsausgleich
Damit wird offengelegt, was schon lange klar war: Dorsten ist ein Sanierungsfall. Das Gesetz spricht daher zutreffend von Haushaltssanierung und das bedeutet: harte Einschnitte, um die Finanzlage der Stadt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Landesregierung verdient Anerkennung für ihren Mut, den Gang vieler Gemeinden in die Überschuldung auszubremsen. In eigener Verantwortung hätten die Kommunen, auch Dorsten, die Kehrtwende nicht vollzogen, – dafür ist der Haushaltsentwurf 2012 des Kämmerers ein unzweideutiger Beleg.
Die Aufgabe, die die politische Führung erwartet, ist anspruchsvoll. Bis zum 30. Juni muss der Bezirksregierung ein Haushaltssanierungsplan zur Prüfung vorgelegt werden. Um genügend Zeit für Beratung und Beschlussfassung zu geben, muss im Rat eine Vorlage bis Ende April eingebracht werden. Dafür stehen drei Monate Zeit zur Verfügung. Gemessen am Umfang der Aufgabe ist das wenig. „Der Haushaltssanierungsplan muss das Erreichen des Haushaltsausgleichs in gleichmäßigen jährlichen Schritten darstellen. […] Die zum Erreichen der jährlichen Schritte notwendigen Teilziele werden im Haushaltssanierungsplan als Meilensteine dargestellt“, heißt es im Stärkungspakt-Gesetz. Im Klartext: es muss ein Sanierungskonzept erarbeitet werden, das die Maßnahmen aufzeigt, mit denen innerhalb von fünf Jahren der Haushaltsausgleich geschafft werden soll. Ohne dieses wird es eine Genehmigung des Haushalts 2012 nicht geben. Welche Optionen hat die Politik?
Erhöhung der Grundsteuer B sind Grenzen gesetzt
Eine naheliegende Möglichkeit ist die Erhöhung der Einnahmen. Dafür kommt nur die Grundsteuer B in Frage. Diese müssen die Haus- und Wohnungseigentümer zahlen, aber sie trifft alle Bürger, weil die Grundsteuer bei vermieteten Objekten auf die Mieter umgelegt wird. Die Einnahmen aus der Grundsteuer B sind für 2012 mit 11 Millionen Euro veranschlagt. Würde der Hebesatz von aktuell 500 auf 1000 Prozent verdoppelt, dann bedeutete das Mehreinnahmen für die Stadt von 11 Millionen Euro und die Lücke, die durch Einsparungen geschlossen werden müsste, würde sich auf 14 Millionen Euro verringern.
Die Grundsteuer B ist eine stabile Einnahmequelle. Die Grundeigentümer können nicht, wie die Gewerbetreibenden im Hinblick auf die Gewerbesteuer, weglaufen; sie sind an den Standort Dorsten gebunden. Trotzdem ist die Erhöhung nicht risikolos. Diejenigen Einwohner, die ihr Haus oder ihre Wohnung gemietet haben, können Dorsten leicht den Rücken kehren. Dies ist umso wahrscheinlicher, je höher die Grundsteuer und damit die Mietnebenkosten ansteigen. Dorsten verzeichnet heute schon Wanderungsverluste und diese könnten sich bei einem drastischen Anstieg der Grundsteuer verstärken. Das würde zwar das Aufkommen bei der Grundsteuer nicht beeinträchtigen, wohl aber das Aufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer und auch der Schlüsselzuweisungen, deren Höhe zumindest zum Teil von der Bevölkerungszahl abhängt. Eine Steuererhöhung führt überdies zu einem Entzug an lokaler Kaufkraft und wird – abhängig vom Ausmaß der Erhöhung – die Umsätze des Einzelhandels treffen, – wiederum mit negativen Folgen für das Steueraufkommen. Eine überzogene Erhöhung der Grundsteuer B könnte so schnell zu einem Nullsummenspiel werden. Alles spricht dafür, mit der Grundsteuer sehr vorsichtig umzugehen.
Frühe Entscheidung zu Steuererhöhungen treffen
Trotz dieser Bedenken wird man an einer Erhöhung der Grundsteuer nicht vorbeikommen, weil sie die einzige kommunale Steuer ist, bei der eine nennenswerte Erhöhung der städtischen Einnahmen möglich ist. Eine Anhebung könnte über den Zeitraum bis 2016 gestaffelt werden. Es würde Sinn machen, diesbezüglich früh eine Entscheidung zu treffen, weil damit der Bedarf an Einsparungen definiert wird: nimmt man sich ein Mehraufkommen bei den Steuern insgesamt von beispielsweise 5 Millionen Euro zum Ziel, dann müssen die Aufwendungen um 20 Millionen Euro gesenkt werden – für jede Million an Steuererhöhung 4 Millionen an Einsparungen. Das ließe sich auch dem Bürger gegenüber vertreten.
Die Größenordnung der notwendigen Einsparungen macht klar, dass dem Problem nicht mit ein paar kosmetischen Retuschen beizukommen ist. Um Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe zu erreichen, werden ganze Aufgabenbereiche, Tätigkeitsfelder und Projekte aufgegeben werden müssen. Auf der Suche nach Lösungen bewegt man sich im komplexen Geflecht der kommunalen Verwaltung. Sie führt freiwillige Aufgaben und Pflichtaufgaben aus. Zur Finanzierung stehen zum größeren Teil Steuereinnahmen und allgemeine Finanzzuweisungen, beides nicht zweckgebunden, zur Verfügung sowie zum kleineren Teil zweckgebundene Zuweisungen, die an die Erfüllung bestimmter Aufgaben gebunden sind.
Hauptlast der Sanierung wird den Gemeinden aufgebürdet
Damit ist man bei dem Dilemma, dass aus dem Topf der nicht zweckgebundenen Einnahmen sowohl Pflichtaufgaben als auch freiwillige Aufgaben finanziert werden müssen. An diesem Punkt setzt der Streit über die Einhaltung des Konnexitätsprinzips an, welches besagt: wer Ausgaben beschließt, der muss auch die Gelder dafür aufbringen. Dass dieses Prinzip von der Landespolitik, die den Gemeinden mehr und mehr Aufgaben übertragen hat, beachtet wurde, wird von den Kommunalpolitikern seit Jahren bestritten, ohne dass dies bisher an Hand von Beispielen und vor allem mit Zahlen konkret und nachvollziehbar belegt wurde. Die Landesregierung sieht das offenbar anders, denn sonst würde sie nicht, wie im Falle Dorstens, neunzig Prozent der Last der Haushaltskonsolidierung der Gemeinde aufbürden.
Welchen Anteil hat die Kommunalpolitik an der Haushaltsmisere?
Es fällt andererseits auf, dass niemand in Frage stellt, ob sich denn die Dorstener Kommunalpolitiker bei den freiwilligen Aufgaben im Entscheidungsraum der kommunalen Selbstverwaltung an das Konnexitätsprinzip gehalten haben. Das muss bezweifelt werden, wie am Beispiel der Bäderbetriebsgesellschaft, einer freiwillig übernommenen Aufgabe, deutlich wird. Der Zuschussbedarf beträgt jährlich etwa 3 Millionen Euro. Als das Freizeitbad „Atlantis“ 2004 übernommen wurde, hatte die Stadt schon Überziehungskredite von annähernd 100 Millionen Euro in Anspruch genommen. Wo war die Gegenfinanzierung für das “Spaßbad”? Wurde hier das Konnexitätsprinzip beachtet? Die Übernahme des „Atlantis“ ist bestimmt nicht der einzige Fall, in dem dieser Frage nachgegangen werden müsste. Hat Dorsten über seine Verhältnisse gelebt? Haben am Ende alle, Bund, Land und Gemeinde, sich bei der Gegenfinanzierung von kostenträchtigen Entscheidungen aus demselben Topf der nicht zweckgebundenen Einnahmen bedient und diesen überfordert, mit der Folge zunehmender Verschuldung? Aber auch mit der Folge, dass jeder der Beteiligten die Verantwortung für die Misere auf den anderen schieben kann?
Die Herausforderung annehmen
Immerhin ergeben sich daraus Hinweise für das weitere Vorgehen bei der Haushaltssanierung. Die einzelnen Tätigkeitsfelder müssen, getrennt nach pflichtigen und freiwilligen Aufgaben, aufgelistet und die Kosten konsequent nach dem Verursachungsprinzip zugeordnet werden. Dabei dürfen die wahren Kosten nicht länger verschleiert werden, wie im Fall des Bäderbetriebs. Das Ergebnis ist eine Übersicht über die Fehlbeträge, die aus dem Aufkommen der nicht zweckgebundenen Einnahmen gedeckt werden müssen. Auf der Grundlage dieser Übersicht müssen die Sparpotentiale gesucht werden, – bei den Pflichtaufgaben unter Beachtung der gesetzlichen und sonstigen Vorgaben, bei den freiwilligen Aufgaben unter Bezugnahme auf kommunalpolitische Prioritäten. Dazu muss eine politische Diskussion darüber geführt werden, was die Kernaufgaben der Stadt sein sollen und in welcher Rangfolge sie stehen.
Auf dieser Grundlage können Entscheidungen über konkrete Einsparungen getroffen und der Haushaltssanierungsplan entwickelt werden. Die Stadt hat für die Umsetzung fünf Jahre Zeit. Daraus ergeben sich für die zeitliche Abfolge der Maßnahmen Optimierungsspielräume, die genutzt werden können. Die Vorarbeiten zu all dem muss die Verwaltung liefern; niemand sonst kann das leisten. Sie wird es tun, wenn ihr jemand den Auftrag dazu gibt.
Enorm, was diese Seite dem Leser an Informationen bietet. In keiner der Lokalzeitungen widmet man sich dem Dauerthema “Leere Stadtkasse” so kenntnisreich. Da muss sich der interessierte Bürger bei “Dorsten transparent” die Fakten holen, die eigentlich jedem Bürger via Tageszeitung zugänglich sein sollten. Viel Erfolg weiterhin!