16. März 2012, drf. – Aktuelle Modellrechnungen gehen davon aus, dass die Wohnbevölkerung bis 2030 um mehr als 9.000 auf 68.000 Einwohner zurückgeht. Gleichzeitig verschlechtert sich die Altersstruktur dramatisch. Die Folgen werden einschneidend sein.
Als wenn Dorsten mit der Bewältigung seiner Finanzprobleme nicht genug zu tun hätte! Aber ob es einem gefällt oder nicht: Dorsten hat ein weiteres Problem – der schon dramatisch zu nennende Rückgang der Wohnbevölkerung. Und das ist nicht neu. Nachdem sich die Einwohnerzahl seit 1995 mehrere Jahre lang bei 81.000 gehalten hatte, trat 2002 die Wende ein. Seither schrumpft die Bevölkerung. Zum Ende des Jahrzehnts wurden noch 77.300 Einwohner gezählt, 4.000 weniger als 2001. Im Jahresdurchschnitt betrug der Rückgang 500. Zu dieser Entwicklung tragen zwei unterschiedliche Einflüsse bei. 40 Prozent des Rückgangs gehen auf das Konto der niedrigen Geburtenrate: es werden weniger Kinder geboren als Einwohner sterben. Die übrigen 60 Prozent sind durch Wanderungsverluste verursacht: es ziehen mehr Einwohner aus Dorsten weg als sich neu Zuwandernde niederlassen.
Bis 2030 verliert Dorsten 12 Prozent seiner Bevölkerung
Man könnte diese Zahlen mit einem Achselzucken quittieren, wenn nicht die Modellrechnungen des Statistischen Landesamtes eine ungebrochene Fortsetzung dieses Negativ-Trends signalisierten. Demzufolge verliert Dorsten bis 2020 weitere 4.500 Einwohner, bis 2030 noch einmal die gleiche Anzahl. 2030 würde Dorsten dann gerade noch 68.000 Menschen zählen, ein Verlust von 12 Prozent binnen zweier Jahrzehnte.
Damit liegt Dorsten am unteren Ende der Negativliste in der Region, nur Herten ist mit einem Bevölkerungsrückgang von 14 Prozent noch härter betroffen. Im übrigen gibt es im näheren Umkreis kaum einen Lichtblick, das zeigen die Schrumpfungsraten der Nachbargemeinden (bis 2030, in Prozent): Marl -12, Recklinghausen -10, Gelsenkirchen -10, Gladbeck -8, Bottrop -6, Haltern -5. Weniger stark betroffen sind Raesfeld (-3) und Schermbeck (-2) . Positiv sticht lediglich der Kreis Borken hervor mit einem Zuwachs von +3 Prozent . Mit der Ausnahme Borken ist Dorsten von Gemeinden mit rückläufiger Bevölkerung umgeben.
Alterung der Bevölkerung verschärft die Probleme
Aber das ist noch nicht alles. Mit der Schrumpfung der Bevölkerung geht eine grundlegende Änderung der Altersstruktur einher: die Demographie-Falle schlägt zu. Die Alterspyramide wird kopflastig, es gibt immer mehr Alte bei immer weniger Jungen. Das machen folgende Zahlen deutlich: die Anzahl der unter 25-Jährigen geht bis 2030 um 7.500 auf 13.500 zurück, während die Anzahl der über 65-Jährigen um die gleiche Größenordnung auf 22.600 zunimmt. Das Verhältnis der Anzahl der unter 25-Jährigen zu den über 65-Jährigen kehrt sich um: von drei zu zwei auf zwei zu drei.
Damit nicht genug. Der altersmäßige Mittelbau der 25- bis unter 65-Jährigen, der den Kern der Erwerbsbevölkerung repräsentiert, vermindert sich um 11.000 (minus 25 Prozent) auf nur noch 32.000. Sein Anteil an der Gesamtbevölkerung wird dann von 54 Prozent in 2008 auf 47 Prozent in 2030 gesunken sein.
Die Abnahme der Wohnbevölkerung wird Auswirkungen in vielen Lebensbereichen haben. Die Kaufkraft wird abnehmen mit entsprechenden Folgen für den Einzelhandel und angrenzende Bereiche. Das zu erwartende allgemeine Wirtschaftswachstum wird diesen Ausfall wahrscheinlich nur teilweise kompensieren können. Auch auf dem Wohnungs- und Häusermarkt wird es zwangsläufig Konsequenzen geben. Das sind nur Beispiele.
Stark rückläufige Erwerbsbevölkerung muss hohe Lasten schultern
Der stark dezimierten Erwerbsbevölkerung wird es zukommen, die Renten und Pensionen einer dramatisch steigenden Zahl von Rentenbeziehern und Pensionären zu erwirtschaften bei zugleich wachsendem Druck, mehr für die eigene Altersvorsorge zu tun. Sie ist es auch, die die Schulden zurückzahlen muss, welche die Vorgängergeneration ihr hinterlässt. Was das bedeutet, mag an folgendem Rechenbeispiel deutlich werden. Wenn man die Höhe der Kassenkredite, die Dorsten bis Ende 2012 in Anspruch nehmen wird, mit 200 Millionen Euro annimmt, dann errechnet sich daraus ein Schuldenbetrag von etwa 4.900 Euro pro Kopf der erwerbstätigen Bevölkerung. Dieser Pro-Kopf-Betrag steigt alleine durch die Abnahme der Erwerbsbevölkerung bis 2030 um rund 30 Prozent (!) auf 6.250 Euro.
Diese Beträge seien all jenen Politikern ins Stammbuch geschrieben, die nicht aufhören wollen, nach Wegen zu suchen, wie man die Schuldenbremse aufweichen könnte, die das Stärkungspakt-Gesetz der Landesregierung den hoch verschuldeten Gemeinden, auch Dorsten, auferlegt hat.
Prinzip Hoffnung hilft nicht weiter
Modellrechnungen sind keine Prophezeiungen. Ob der Rückgang der Einwohnerzahl von Dorsten so eintreten wird, ist naturgemäß mit Unsicherheit behaftet. In 20 Jahren kann viel passieren, insbesondere bei den Wanderungsverlusten können sich andere Entwicklungen ergeben. Der Alterungseffekt allerdings ist ziemlich genau vorausberechenbar, denn die Menschen, um die es hier geht, leben schon.
Sich also auf die Hoffnung zu versteifen, dass alles nicht so schlimm kommt, könnte mehr als fahrlässig sein.
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